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Die Fahrscheine, bitte! Diese Aufforderung kennt wohl jeder, der in Potsdam Straßenbahn fährt. Doch die Umgangsformen mancher Kontrolleure lassen offenbar zu wünschen übrig.

© Manfred Thomas

Nach Beschwerden von Kunden: Extra-Schulungen für ViP-Kontrolleure angekündigt

Die für den Verkehrsbetrieb tätige Sicherheitsfirma GSE Protect prüft Vorwürfe gegen Mitarbeiter und zieht erste Konsequenzen.

Potsdam - Die vermehrten Beschwerden über ungebührliches Verhalten von Kontrolleuren gegenüber Fahrgästen des Verkehrsbetriebs (ViP) haben erste Konsequenzen. Das kündigten der ViP und das von ihm mit den Ticketkontrollen beauftragte Sicherheitsunternehmen GSE Protect jetzt in einem Gespräch mit den PNN an. So habe man zusätzliche Schulungsstunden für die Kontrolleure angeordnet, zusätzlich zu den regulären 40 Schulungsstunden pro Jahr und Mitarbeiter, hieß es übereinstimmend. „Schwerpunkt dieser Schulung wird die Kommunikation etwa mit Kindern, Menschen mit Behinderung und Menschen, die wenig oder kein Deutsch sprechen sein. Hier sind die kommunikativen Anforderungen an die Kontrolleure erhöht“, sagte ViP-Sprecher Stefan Klotz. Ferner würden die Schilderungen intern ausgewertet, sagte Marco Wilde, einer der GSE-Geschäftsführer. Das Unternehmen bekennt sich in seinen Leitlinien ausdrücklich zur Achtung und Wertschätzung anderer Menschen.

Vermehrt Beschwerden

Ob das jeder GSE-Mitarbeiter so lebt, daran hatte es zuletzt Zweifel gegeben. Denn nach einem PNN-Bericht über allzu harsches Agieren eines Ticket-Kontrolleurs in der Tram gegenüber Kindern schilderten weitere Fahrgäste gegenüber den PNN in der vergangenen Woche ähnliche Fälle, auch in den sozialen Netzwerken gab es viel Kritik am Auftreten der Kontrolleure. Zugleich hatte der ViP bestätigt, dass sich die Zahl der Beschwerden über Kontrolleure von sieben im Jahr 2018 auf 17 im vergangenen Jahr erhöht habe.

Geschildert wurden zum Beispiel mutmaßlich rassistisch motivierte Beleidigungen von Migranten, aber auch der unsensible Umgang mit geistig behinderten Menschen (PNN berichteten). Auch von ob der Agressivität der Kontrolleure verstörten Kindern war mehrfach die Rede. „Rücksichtslosigkeit gegenüber Menschen habe ich schon so oft erlebt bei den Kontrollen“, berichtete eine Leserin.

Betriebsrat eingeschaltet

Dies alles nehme man zum Anlass für die Extra-Schulung, sagte der GSE-Chef Wilde. Es gehe darum, gerade gegenüber Kindern oder behinderten Menschen „gleiche Augenhöhe herzustellen, das Sprachverhalten anzupassen.“ Das sei auch „ein Signal“ an die Kritiker, so Wilde. Dazu habe man den Betriebsrat eingeschaltet, ferner befrage man Ausbilder zu Auffälligkeiten beim Personal. Auch appelliere man zum Beispiel an die Kontrolleure, beim Rauchen an Haltestellen zumindest die Zigaretten nicht achtlos auf die Gehwege zu werfen: „Da haben wir auch eine Vorbildunktion.“

Marco Wilde, einer der Geschäftsführer der Sicherheitsfirma GSE.
Marco Wilde, einer der Geschäftsführer der Sicherheitsfirma GSE.

© promo

Die GSE Protect ist seit 2015 für den ViP tätig, um vor allem gegen Schwarzfahrer vorzugehen. Im vergangenen Jahr waren mehr als 10 000 Fälle registriert worden, Tendenz steigend. Bereits mehrfach hatte der ViP erklärt, dass er von deutlich mehr als einer Million Euro an Einnahmeverlusten pro Jahr durch Schwarzfahrer ausgeht. Demnach liegen die Einkünfte aus den Kontrollen immer noch etwas unter den Ausgaben für die Sicherheitsfirma. Es werde auch keine Erfolgsprämie gezahlt, betonten beide Seiten.

Kindern mit Rauswurf gedroht

Zuletzt war der GSE-Auftrag nach einer Ausschreibung verlängert worden. Klotz sagte, laut dem Vertrag dafür gebe es spezifische Anforderungen an das Personal: Es gehe um den Einsatz „qualifizierter, zuverlässiger, kundenfreundlicher, gut geschulter, gut beleumundeter und der deutschen Sprache in Wort und Schrift kundiger Mitarbeiter“. Klotz sagte, man werde die PNN-Anfragen auch zum Anlass nehmen, „in den kommenden Tagen für unsere Internetseite einen Text vorzubereiten, der die wichtigsten Fakten zum Thema Erhöhtes Beförderungsentgelt darstellt“.

So wird zum Beispiel in der Dienstanweisung an die Kontrolleure klar geregelt: „Kinder dürfen nicht von der Beförderung ausgeschlossen und über die angegebene Zielhaltestelle hinaus zur Weiterfahrt angehalten werden.“ Mehrere Leser hatten von Verstößen gegen diese Regelung berichtet und erklärt, dass Kindern zumindest mit dem Rauswurf aus öffentlichen Verkehrsmitteln gedroht wurde. In einem Fall sind laut GSE auch bereits personelle Konsequenzen gezogen wurden. Ein Kontrolleur, der nach dem ersten Zeitungsbericht telefonisch gegenüber den PNN mit einer Strafanzeige gegen den jungen Beschwerdeführer und den Reporter gedroht hatte, sei nun nicht mehr für die ViP tätig, hieß es aus der GSE-Spitze.

ViP-Sprecher Klotz sagte, dass sich „leider“ nicht alle Sachverhalte zuordnen ließen, weil nicht zu jeder Schilderung eine Beschwerde beim ViP vorliege. Doch alle bekannten Fälle würden bearbeitet – im Kulanzfall müssen Fahrgäste statt 60 nur sieben Euro zahlen.

Alle Mitarbeiter „tiefengeprüft“

Allerdings geht Wilde nicht von einem systematischen Problem aus, sondern von Einzelfällen. So seien alle Mitarbeiter „tiefengeprüft“, nicht nur auf Straftaten, sondern zum Beispiel auch auf die Zugehörigkeit zu radikalen Vereinigungen. Das sei auch von der Industrie- und Handelskammer so gefordert. Dazu kämen etwa die regelmäßigen Schulungen, auch zu Themen wie Eigensicherung oder Deeskalation. Ein solches Training habe man zuletzt im Dezember durchgeführt, sagte Wilde: „Und das ist dann auch praxisbezogen, nicht nur am Tisch.“

Pro Tag würden rund 2400 Fahrgäste kontrolliert, im Monat circa 70.000. Dies würde die Zahl der Beschwerden aus Wildes Sicht „etwas relativieren“. Gleichwohl nehme man die Vorwürfe ernst. „Denn wenn etwas schiefläuft, dann können wir uns nur entschuldigen.“ Denn man sei „darauf bedacht, dass wir hier formwahrend alles richtig machen“, so Wilde. Mitarbeiter seien auch angehalten, zum Beispiel Senioren aus der Bahn zu helfen. Es könne auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, wenn sich ein Kontrolleur falsch verhält: „Menschen zu beleidigen ist nicht unser Weg.“ Zugleich warb Wilde dafür, auch einmal die Perspektive dieses aus seiner Sicht durchaus anstrengenden Jobs zu sehen. „Manche Leute gehen in die verbale Debatte, wenn sie keinen Fahrschein dabei haben – und irgendwann endet eben jede Deeskalation.“

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