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Landeshauptstadt: Mit Holz, Pappe und Virtual Reality

Die Filmuniversität Konrad Wolf in Babelsberg forscht an Techniken für die Filme der Zukunft – und pflegt gleichsam das klassische Handwerk

Im Keller der Babelsberger Filmuniversität Konrad Wolf klebt Praktikantin Angelique Brandt den Straßenbelag des fiktiven Dorfs an der schottischen Küste. Das ist mühsam, Pflasterstein für Pflasterstein – allerdings nicht aus Stein, sondern aus Pappe. Es entsteht das Heimatdorf von Seefahrern – Matrosen, Piraten und des Tiefseetauchers Nemo. „Laika und Nemo“ heißt der geplante, 15-minütige Stop-Motion-Film. Produziert als Examensarbeit von Studenten aller Gewerke der Filmuniversität – vom Filmmusikkomponisten über Kulissenbauer bis zu Drehbuchschreiber Jan Gadermann und Regisseur Sebastian Grutza.

„Die Geschichte habe ich schon seit sechs Jahren im Kopf, nachdem ich mir auf einem Berliner Flohmarkt ein T-Shirt mit dem Aufdruck eines Tiefseetauchers und eines Astronauten gekauft habe“, erzählt Gadermann. In dem Küstendorf tragen alle Bewohner Berufskleidung, und Nemo wird wegen seines großen Taucherhelms schon in der Schule gemobbt. Er zieht sich als Wärter auf den Leuchtturm zurück, bis die Bruchlandung von Astronautin Laika sein Leben grundlegend verändert.

Noch bis zum 20. August dauern die Dreharbeiten im Kellerstudio der Universität, der Aufbau läuft sogar schon seit Anfang des Jahres. Die Hauptfiguren wurden als Gliederpuppen aus Metall mit Lötkolben und Bunsenbrenner gefertigt, Szenografiestudent Max Schönborn baute das Dorf aus Holz und Pappe auf. Die Filmmusik wurde von Student Jens Heuler komponiert und wird vom Filmorchester Babelsberg eingespielt. Und in einer eigenen Werkstatt fertigt der Hamburger Puppenbauer Martin Meuke Spielfiguren und Kostüme.

Der Film wird vom Medienboard Berlin-Brandenburg und vom Fernsehsender rbb gefördert – Gadermann schätzt die Kosten auf einen sechsstelligen Betrag. Im Jahr 2019 soll der Film dann auf verschiedenen Festivals laufen.

„Laika und Nemo“ ist ein klassisches Filmprojekt der Hochschule. Unterdessen forscht Professorin Lena Gieseke mit Virtual Reality (VR) an der Zukunft des Films. „Die Frage ist: Wie können wir unsere Kernkompetenz des Geschichtenerzählens neu aufarbeiten?“, sagt die 36-Jährige. „Bei VR fällt die Übersetzung weg: Im klassischen Film muss sich der Zuschauer in die Figuren hineinversetzen, mit der VR-Brille ist er selbst mitten im Film und erlebt dies hautnah.“

Dafür arbeiten die Studenten mit 360-Grad-Kameras, damit der Zuschauer wie in einer realen Situation in alle Richtungen blicken kann. „Das geht in Richtung Spiele programmieren“, erläutert Gieseke. „Aber die Technik steckt noch in den Kinderschuhen.“ Die Professorin hat im vergangenen Wintersemester mit einem Studenten angefangen, in diesem Jahr sollen schon bis zu zehn Studenten in den Masterstudiengang namens Audio Visual Application Design aufgenommen werden.

Im Oktober kommt in dem Studiengang noch eine Professur für Audio- und Medientechnologien hinzu. „Denn bei einem 360-Grad-Film brauchen Sie auch einen entsprechenden Sound“, erläutert die Sprecherin der Universität, Julia Diebel. „Die Computertechnik erlaubt es bereits, eine Musikquelle exakt an einen gewünschten Ort zu projizieren“, sagt Diebel. „Und wenn Sie sich darauf zu oder davon weg bewegen, nehmen Sie den Sound so wahr, als säße dort der Musiker.“

Die Hochschule ist seit 2014 die einzige Filmuniversität in Deutschland, daneben gibt es noch einige Filmhochschulen. „Bei uns liegt ein Schwerpunkt auf der Forschung“, erläutert Diebel. Dabei geht es etwa um Filmgeschichte, Filmtechnik oder Forschung über die Wahrnehmung der Filme. „Der Status der Universität ermöglicht es uns, entsprechende Forschungsförderungen zu beantragen. Auch das Promotionsrecht unterscheidet uns von anderen Filmhochschulen. “

Die Babelsberger Universität will auch bei der künstlerischen Forschung in Sachen Film neue Maßstäbe entwickeln. „Da lautet die Frage: Wie kann ich mit Kunst als Darstellungsform zum Erkenntnisgewinn beitragen“, sagt Diebel. „Die Herausforderung liegt darin, dabei den wissenschaftlichen Anspruch auf Objektivierung um die Erkenntnisse einer individuellen subjektiven Wahrnehmung oder Erfahrung zu ergänzen.“ Das 2008 gegründete Institut für künstlerische Forschung der Filmuniversität fördert entsprechende Forschungsvorhaben aller Studiengänge. (dpa)

Klaus Peters

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