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Preußen in Bayern. Die Goerkes sind seit 70 Jahren verheiratet.

© privat

Landeshauptstadt: Mantel unterm Kleid

Vor 70 Jahren heirateten die Goerkes in Potsdam

Tiefe Temperaturen erfordern warme Kleidung – selbst an einem Festtag: „Es war wahnsinnig kalt, der Pfarrer trug bei der Trauung seinen Wintermantel unter dem Talar und auch ich hatte einen Pelzmantel unter dem Hochzeitskleid – es musste extra dafür zugenäht werden“, erinnert sich Ilse Goerke. Exakt 70 Jahre ist es am heutigen Mittwoch her, dass sich Dr. Ilse Goerke und Prof. Dr. Dr. Heinz Goerke in der Nikolaikirche Potsdam das Ja-Wort gaben. Besonders ideal seien die Bedingungen an diesem Tag nicht gewesen, so Ilse Goerke. Ein schlechtes Omen kann es jedoch nicht gewesen sein, sonst könnte das Ehepaar heute wohl kaum sein 70. Jubiläum feiern.

Geboren wurde Heinz Goerke 1917 in Allenstein (heute Olsztyn in Polen), seine vier Jahre jüngere Frau stammt aus Potsdam. Ilse Goerkes Vater war Inhaber der „Apotheke zum Goldenen Hirsch“ in der Lindenstraße 48, wo die Familie auch wohnte. Die junge Ilse begann sich ebenfalls für Medizin zu interessieren und arbeitete nach dem Abitur, das sie zu Kriegsausbruch erhielt, als Zahnärztin. Zu diesem Zeitpunkt kannte sie ihren späteren Mann bereits. Kennengelernt hatten sie sich 1936 bei einer Tanzstunde. Als die beiden 1942 heirateten, konnten sie ihr Glück nur kurz genießen, denn der geplanten Hochzeitsreise nach Oberstdorf schob die Armee einen Riegel vor: „Mein Mann bekam eine Urlaubssperre, er durfte sich nur eine bestimmte Kilometerzahl von Potsdam entfernen – deshalb hat es für die Reise nur bis Fürstenwalde gereicht“, sagt Ilse Goerke. Kurz danach wurde Heinz Goerke als Truppenarzt an die Westfront geschickt.

Nach dem Krieg hielt es die Goerkes aus politischen Gründen nicht lange in der DDR: 1950 zogen sie nach Ostberlin, von wo sie per „Kopftausch“ in den Westen gelangten: Wenn es eine gleiche Anzahl von Personen gab, die vom Westen in den Osten ziehen wollten, konnte ein Tausch vollzogen werden. Da dies ganz legal geschah, blieben die Goerkes auch danach noch als Eigentümer der „Apotheke zum Goldenen Hirschen“ eingetragen, was es ihnen ermöglichte, nach dem Fall der Mauer die Häuser in der Lindenstraße 48 und 49 zu renovieren.

Dazwischen lag jedoch eine Zeit des Reisens, denn unmittelbar nach dem Umzug nach Westberlin ging das Ärzte-Paar nach Schweden: „Dort wurden Zahnärzte gesucht“, so Ilse Goerke. Nach der Geburt ihrer Tochter Brigitta zog es sie jedoch 1956 wieder nach Deutschland, wo Heinz Goerke als ärztlicher Direktor des Klinikums Steglitz in Westberlin (heute Benjamin-Franklin-Klinikum) und Professor für Medizingeschichte tätig war. Im Jahr 1969 zog das Paar dann nach München, wo Heinz Goerke ärztlicher Direktor des Klinikums Großhadern wurde. In den Siebziger Jahren eröffnete der medizinhistorisch interessierte Goerke zudem das Museum der Geschichte der Medizin in Ingolstadt. Neben wissenschaftlichen Artikeln verfasste Goerke die Bücher „Medizin im alten Potsdam“ und „Die Apotheke zum Goldenen Hirsch“.

Zusammen mit seiner Frau bereiste der Arzt die halbe Welt, teils wegen internationaler Kongresse, teils aus privatem Interesse: „China, Japan, Afrika, Ceylon, Türkei, Russland, die Seidenstraße, Sibirien“, zählt Ilse Goerke ihre Reiseziele auf. Ihre langlebige Ehe erklärt sie sich dadurch, dass die Erlebnisse während der Kriegwirren sie zusammengeschweißt hätten: „In den Hauptfragen waren wir uns immer einig.“

Auch sportlich hatte das Ärzte-Ehepaar gemeinsame Interessen: „Wir haben sehr gern Wassersport getrieben“, sagt Ilse Goerke. Getan haben sie das unter anderem auf den Seen und Flüssen Potsdams, wo die heute in München wohnenden Goerkes bis heute ihren Zweitwohnsitz in der Lindenstraße haben. Bis vor einigen Jahren waren sie dort immer wieder anzutreffen, doch mittlerweile sind weite Reisen nicht mehr möglich. Doch trotz ihrer Wohnung in München seien sie Potsdam verbunden geblieben, so Ilse Goerke: „Mein Mann ist schließlich ein alter Preuß’“, sagt sie lächelnd. „Wir werden ja nur wegen unseres Wohnsitzes nicht plötzlich zu Bayern.“ Erik Wenk

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