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LEUTE in Potsdam: Querdenker ohne Krawatte

Potsdamer Rechtswissenschaftler wird ausgezeichnet

Das Anderssein ist bei ihm nicht Programm. Aber schon auf den ersten Blick ist klar, dass hier nicht der durchschnittliche Juraabsolvent sitzt. Jeans und Sweatshirt statt Anzug und Krawatte – René Schorsch (25) wurde im März von Justizministerin Beate Blechinger als einer der Jahrgangsbesten im Ersten Staatsexamen ausgezeichnet.

Der gebürtige Mecklenburger aus Malchow kam vor fast sechs Jahren nach Potsdam zum Studieren. Die schöne Stadt in Berlinnähe hat gelockt. Anfänglich fand er die Menschen in Potsdam „irgendwie frech“, weiß das aber mittlerweile „als Ehrlichkeit und Offenheit“ zu schätzen.

Nach dem Examen promoviert er jetzt. Schreibt eine Biografie über Eberhard Freiherr von Künssberg, der sich vor 100 Jahren Gedanken über die Rechtssprache gemacht hat. „Ich hatte noch Lust auf was anderes, ehe es mit dem Üblichen weitergeht“, erklärt er. Das Übliche: Referendariat, Zweites Staatsexamen, Berufskarriere. „Irgendwie oberflächlich“ kommt Schorsch das vor. Lieber nimmt er sich die Zeit, um genauer hinzuschauen, „was dahinter steckt“. Paragrafen, Prozessordnungen und Kanzleialltag müssen vorerst warten. Bei scheinbaren Selbstverständlichkeiten fragt der sympathische Skeptiker sowieso lieber zweimal nach. Als es an den Abschluss des Studiums ging zum Beispiel. Der durchschnittliche Jurastudent nimmt dann das so genannte Repetitorium in Anspruch: „Da verlangen ausgebildete Juristen viel Geld von den Studenten, um sie aufs Examen vorzubereiten“, erläutert Schorsch. Gängige Praxis. Für den Querdenker eine Zumutung „Ich habe mir gesagt, nach sechs Semestern muss ich doch selbst zur Vorbereitung in der Lage sein!“ Zusammen mit zwei Freunden nahm er die Sache in die Hand. Mit Erfolg. „Aber es ist nicht so einfach, es anders zu machen als die anderen 90 Prozent“, weiß er. Nun unterstützt er Studenten, die es alleine schaffen wollen: Seit letztem Jahr organisiert er den Workshop „Examen ohne Repetitor“.

Noch ein Jahr wird er an seiner Doktorarbeit schreiben. Und dann? Referendariat, Zweites Staatsexamen – wie es weitergeht, weiß der Wahlpotsdamer noch nicht. „Eigentlich macht mir das Forschen gerade viel Spaß.“ Eine Zukunft als Anwalt kann er sich vorstellen, aber nur, wenn es um „bodenständige Probleme“ geht. Bloß kein Staranwalt!

Warum überhaupt Jura? „Dahinter steckte wohl der Wunsch, Leuten helfen zu können“, sagt der nachdenkliche Idealist. Gesetze seien „für den Laien ja kaum zu verstehen.“ Da brauche es jemanden, der sich nicht einschüchtern lässt. „Letztendlich geht es wohl um Gerechtigkeit“, überlegt er. „Obwohl: Das ist auch wieder so ein schillernder und komplizierter Begriff...“ Jana Haase

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