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Mehr als ein Dutzend Läden in der Brandenburger Straße stehen leer. 

© Andreas Klaer

Leerstand statt Shopping in Potsdams Einkaufsmeile: Flaute in der Brandenburger Straße

Mehr als ein Dutzend Läden stehen leer in Potsdams zentraler Einkaufsstraße. Die Gründe dafür sind vielfältig, Auswege nicht einfach. Eine Bestandsaufnahme. 

Potsdam -  Wer in der Brandenburger Straße einen Blick hat für das, was nicht da ist, wird schnell fündig. Denn es sind mehr als ein Dutzend Läden in der zentralen Potsdamer Einkaufsmeile, die leer stehen. Hausnummer 28: leer. Die Starbucks-Filiale hat schon vor anderthalb Jahren geschlossen, doch noch immer stehen die Tische und Stühle gestapelt im Raum, neues Leben ist seither nicht eingezogen. Im Haus links daneben war früher das Schweizer Wäschegeschäft Calida, jetzt steht dort ein Schild: „Exklusives Ladenlokal zu vermieten.“ Im Gebäude rechts daneben hat die Parfümerie Point rouge ebenfalls dicht gemacht, im Schaufenster stehen noch etwas angestaubte Plastikorchideen auf schwarzen Podesten. 

Hausnummer 45: leer. Bis vor kurzem hatte hier der Frisör Cutman mit dem blauen Superman-Logo eine Filiale. Warum sie geschlossen hat, darüber will man in der Berliner Zentrale keine Auskunft geben. Auch in den Hausnummern 11, 17, 20, 39 und 61 stehen Flächen leer, sind Schaufenster notdürftig abgeklebt oder offenbaren den Blick in die ausgeräumten Läden.

Manche Geschäfte stehen seit mehr als einem Jahr leer. 
Manche Geschäfte stehen seit mehr als einem Jahr leer. 

© Andreas Klaer

„Jeder Leerstand ist nicht schön anzusehen, ist nicht schön für die Menschen, die durch die Innenstadt gehen und auch nicht schön für die Vermieter“, sagt Götz Friederich, Vorsitzender der AG Innenstadt. Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass in Fußgängerzonen auch mal einige Geschäfte leer stehen, es gibt immer Läden, die schließen und neu vermietet werden. Auch in der Brandenburger Straße kommt das Thema regelmäßig auf den Tisch. „Ich gebe zu, es gibt aktuell etwas mehr Leerstand als sonst“, sagte Stefan Frerichs, Chef der Potsdamer Wirtschaftsförderung. „Ich sehe aber keinen Grund zur Panik.“ Die Pandemie war nach seiner Einschätzung zwar nicht der Auslöser für viele Geschäftsaufgaben. „Aber pandemiebedingt konnten viele nicht so schnell wieder vermieten“, so Frerichs.

Monatelanger Leerstand

In der Tat stehen viele Flächen schon lange leer. Der Küchenzubehöranbieter WMF hat seine Filiale in der Brandenburger Straße im Frühjahr 2020 geschlossen, bisher zog kein Nachmieter ein. Oder die Modeboutique Catherine D. Foster unweit der Kirche St. Peter und Paul, ebenfalls 2020 aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Sie wird noch immer per Aushang als zu vermieten angepriesen.

Vom Eltern-Kind-Café Krümelmonster ist nur noch das Schild übrig. 
Vom Eltern-Kind-Café Krümelmonster ist nur noch das Schild übrig. 

© Andreas Klaer

Die hohen Mieten nennen manche als Grund für Schließungen, die kleinen Flächen, die veränderten Gewohnheiten durch das Online-Shopping oder die Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu finden. Manchen hat tatsächlich die Corona-Zeit wirtschaftlich das Genick gebrochen. So dem Café Krümelmonster, Potsdams erstem Eltern-Kind-Café im Lindenhof. Anfang 2018 hatten Nadim und Rebekka Jovicic das Café mit Enthusiasmus eröffnet. Mit großer Spieleecke und Kinderwagenparkplatz war es unter Familien schnell beliebt. „Unser Café ist sehr gut gelaufen und wäre die Pandemie nicht eingetreten, hätten wir jetzt sicherlich noch weitere Filialen in Deutschland“, sagt Nadim Jovicic ernüchtert. Die drei Angestellten musste das Paar entlassen, vom Café bleibt nur das Schild. Die Jovicics haben geschäftlich umgeschwenkt, erst eine Online-Weihnachtsmann-Agentur und dann das Kosmetikstudio Dandelion gegründet. „Da wir nicht still rumsitzen können, den Lindenhof einfach lieben und es schade finden, wenn dort Stück für Stück das Leben verschwindet“, sagt Jovicic.

Der Lindenhof macht einen trostlosen Eindruck. 
Der Lindenhof macht einen trostlosen Eindruck. 

© Andreas Klaer

Der Lindenhof zeigt, wie schnell ein Ort durch Leerstand trostlos werden kann. Der versteckte Hinterhof, erreichbar durch ein Tor in der Brandenburger Straße, war noch 2019 beliebt bei Touristen und belebt durch ein Teegeschäft, eine Schmuck- und eine Modeboutique. Im Januar 2020 mussten alle ihre Läden räumen, weil ihre Mietverträge gekündigt wurden. Seither steht der Hof leer, es herrscht beinahe Endzeitstimmung. Die Spatzen haben das Areal erobert, zwitschern zu Dutzenden in den Kletterpflanzen. Sie ringen mit den Graffitischmierereien um Aufmerksamkeit, doch es verirrt sich kaum einer hierher, der sie ihnen schenken könnte.

Der hintere Hofteil ist „fast komplett vermietet“, wie die zuständige Verwaltung versichert, an eine Ballett- und eine Musikschule und verschiedene Firmen. Doch der vordere Teil kommt herunter. Die Besitzerin, so hört man, lebt größtenteils auf Mallorca. Verkaufsversuche sollen gescheitert sein, Bemühungen seitens der Stadt auch. „Manche Vermittlungsversuche sind schwieriger als andere“, sagt Frerichs von der Wirtschaftsförderung. Da könne die Stadt nicht viel tun.

Bänke und Bäume

Wo die Stadt ansetzen kann, ist bei der „konsumfreien Aufenthaltsqualität“, wie Frerichs es nennt. Sitzgelegenheiten, Begrünung, Gestaltung, die dazu beitragen, dass Potsdamer, Besucher und Touristen gern in die Innenstadt kommen und dort auch bleiben. „Ich sehe großes Potential für weitere Verbesserungen“, sagt Frerichs. Genauere Aufschlüsse verspricht er sich vom Leitbild für die Innenstadt, das die Stadt bei der Berliner Agentur Urbanizers in Auftrag gegeben hat. Auslöser war die 2020 drohende und im letzten Moment abgewendete Schließung des einzigen großen Kaufhauses Karstadt.

Die Agentur befragte Akteure, es gab mehrere Beteiligungsformate, auch Studenten wurden eingebunden. Das Ergebnis sollte eigentlich Ende August vorliegen, das hat sich verzögert. Doch nun steht der Abschlussbericht kurz vor der Fertigstellung. Vor Jahresende soll er in den politischen Gremien bestätigt werden, sagt Frerichs. Über die Inhalte will er vor der Veröffentlichung nicht reden, aber das Ergebnis soll mit einem Anschreiben des Oberbürgermeisters auch an die Immobilienbesitzer in der Innenstadt gehen. „Wenn die Innenstadt attraktiver wird, trägt das auch zum Werterhalt der Immobilien bei“, sagt Frerichs.

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Um genug Passanten anzulocken, da sind sich die meisten einig, braucht es die geeignete Mischung aus Gastronomie und Handel verschiedener Branchen. „Ich könnte sofort an den zehnten Asiaten vermieten“, sagt Wolf-Horst Sperling, Eigentümer mehrerer Immobilien in der Brandenburger Straße. Das will er aber nicht, denn nur Gastronomie bringe nicht den richtigen Mix. Frerichs bezeichnet die Anbieter aus dem Food-Bereich als Gewinner der Pandemie.

Das Restaurant Hako Ramen hat im Juni neu eröffnet. 
Das Restaurant Hako Ramen hat im Juni neu eröffnet. 

© Andreas Klaer

So gibt es in diesem Bereich auch mehrere neue Angebote in der Brandenburger Straße: Im ehemaligen Restaurant „Pfeffer & Salz“ hat im Juni das Restaurant „Hako Ramen“ eröffnet, schön gestaltet mit viel Holz und warmer Beleuchtung. Vor „Dean & David“, mitten in der Pandemie 2020 eröffnet, bilden sich selbst unter der Woche oft Schlangen. Und ein paar Schritte weiter, im Eckhaus von Friedrich-Ebert-Straße und Gutenbergstraße, wo früher die „Mecklenburger Backstuben“ eine Filiale hatten, soll Anfang November das Istanbul Grillhaus öffnen. Ein orientalisches Restaurant, wie die Betreiber erklären, mit vielen Sitzplätzen auf zwei Etagen.

Zugleich verschwinden andernorts Gastronomen. Das IV Amici, ein Italiener am NH Hotel zur Friedrich-Ebert-Straße, hat 2020 zugemacht. Doch bald soll wieder etwas einziehen in die Räume. „Etwas ganz Tolles, Einmaliges für Potsdam“, versichert die Dame an der Rezeption, mehr verrät sie nicht.

Ein Lösungsansatz gegen den Leerstand sind auch temporäre Angebote, Pop-up-Stores oder zeitlich begrenzte Kulturangebote. „Bunte Tupfer“ nennt Götz Friederich von der AG Innenstadt das. Vorgemacht hat es die Kammerakademie Potsdam (KAP) im Sommer. Für einige Wochen bezog sie ein Ladenlokal in der Brandenburger Straße, bot dort Musik und Mitmachangebote. Manchmal liegt im Vergänglichen die Langlebigkeit.

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