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So kann Unterricht mit iPads aussehen. (Symbolbild)

© picture alliance/dpa

Laptops statt Schulbücher: Digitaloffensive von drei Potsdamer Schulen ausgebremst

Potsdamer Gymnasien wollen ihre Schüler mit Rechnern ausstatten. Kaufen müssten die Geräte jedoch die Eltern. Die Mehrheit in der Stadtpolitik und auch das Rathaus reagieren skeptisch.

Potsdam - Personell unterbesetzt, zu langsam und wenig flexibel: Potsdams Schulen beschweren sich seit Jahren über die aus ihrer Sicht unzureichende Unterstützung aus dem Rathaus, wenn es um Voraussetzungen für die Digitalisierung des Schulbetriebs geht wie leistungsstarke Datenleitungen oder die Wartung der Computer und Laptops. Drei Gymnasien mit insgesamt rund 2000 Schülern wollen nun in Eigeninitiative neue Wege gehen. Sie forcieren ein möglichst papierloses Unterrichtskonzept, bei dem die Schüler ein eigenes iPad kaufen und damit lernen sollen. Doch die Stadtpolitik hat Zweifel, tritt auf den Bremsklotz. Das Bildungsdezernat kündigt stattdessen digitale Verbesserungen für alle Schulen an, allerdings erst ab 2023. 

Zusammengetan haben sich das Helmholtz-, das Humboldt- und das Hannah-Arendt-Gymnasium, ihr Digitalisierungsprojekt stellten sie jüngst im Bildungsausschuss vor. Der Kern: Für jeden Schüler zunächst zwei einzelner Klassenstufen (7. und 8.) sollen die Eltern ein iPad kaufen. Dafür stehe ein privater Vertriebspartner bereit, er bietet das Gerät für 542 Euro oder per Ratenzahlung für 36-mal monatlich 15 Euro an. 

Mit diesem Modellprojekt sei ein kreativer und zeitgemäßer Unterricht für die Förderung von Kommunikation, Kreativität und kritischem Denken möglich, sagte Humboldt-Schulleiter Lutz Blum. Wichtig sei die gleiche technische Ausstattung für alle Schülerinnen und Schüler, so Helmholtz-Rektorin Grit Steinbuch. Für Kinder, deren Eltern sich kein Apple-iPad leisten könnten oder wollten, wolle man auf Leih- oder gebrauchte Geräte setzen und sei auch mit Stiftungen für solche Fälle im Gespräch.

Keine Kosten mehr für Schulbücher

Allgemein könne sich das Projekt für Eltern aber finanziell durchaus auch lohnen, weil zum Beispiel zum Schuljahresanfang keine Kosten mehr für Bücher anfallen würden, wie Steinbuch warb. Angeschafft und gewartet würden die Geräte durch die private Gesellschaft für digitale Bildung (GFDB) aus Hamburg, die auch den Versicherungsschutz übernehme – und laut eigener Darstellung schon deutschlandweit Schulen mit Computertechnik ausgestattet hat. 

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„Wir möchten nicht auf Endgeräte der Stadt warten“, sagte Dörte Schubert, Vizerektorin des Arendt-Gymnasiums und machte deutlich, dass dies auch mit dem personell unterbesetzten IT-Bereich der Stadtverwaltung und somit deutlich zu langsamen Dienstleistungen zu tun habe. Schubert soll bald ebenso das neue Gymnasium im Potsdamer Norden führen, auch dort kann sie sich die Digitalinitiative gut vorstellen.

Ein Beispiel aus 2019, in Niedersachsen: Schüler einer 5. Klasse lernen mit iPads im Englischunterricht an einer Oberschule in der Region Hannover.
Ein Beispiel aus 2019, in Niedersachsen: Schüler einer 5. Klasse lernen mit iPads im Englischunterricht an einer Oberschule in der Region Hannover.

© dpa

Die Apple-Geräte hätten aus Sicht der Gymnasien mehrere Vorteile: Vor allem die lange Akkulauf- und kurze Startzeit, speziell entwickelte Apps für den Bildungsbereich und die Möglichkeit, dass zum Beispiel Spiele in der Schule für alle Schüler mit wenigen Klicks abgeschaltet werden könnten. Windows-Rechner hätten solche Features nicht, so die Rektor:innen. Die Geräte sollen die Kinder und Jugendlichen auch mit nach Hause nehmen können. Allerdings, so betonte Arendt-Vizerektorin Schubert, soll bei der Digitaloffensive für die Schüler kein Zwang bestehen, diese Rechner zu kaufen – das ganze Projekt sei freiwillig angelegt. 

Bedenkenträger melden sich zu Wort

Dieses war im Ausschuss einer der Punkte, an dem es die meisten Zweifel gab - vor allem bei den Stadtverordneten der rot-grün-roten Rathauskooperation. Wie solle denn dann wirklich für alle Kinder ein diskriminierungsfreier Zugang zur Bildung möglich sein, fragte die SPD-Stadtverordnete Grit Schkölziger. „Schon ein Kind, das nicht mitmachen kann, ist eins zu viel", sagte Wiebke Bartelt von den Grünen. Stefan Wollenberg (Linke) sagte, Eltern mit drei Kindern an einer der Schulen müssten dann dreimal für iPads zahlen. Das könne selbst für gut situierte Familien ein Problem sein. Dagegen sagten die sachkundigen Einwohner Christian Porath von der FDP und Ronald Sima von den Linken, sie könnten sich ein solches Pilotprojekt vorstellen – gerade mit Blick auf die bekannten IT-Probleme an Schulen

Auch prinzipielle Fragen wie die staatlich garantierte Lernmittelfreiheit kamen zur Sprache. So verwies Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) auf den Anspruch einer Kommune als Schulträger, die Ausstattung dieser Einrichtungen selbst zu übernehmen. Das wolle auch die Stadt Potsdam tun: Mit dem nächsten Doppelhaushalt 2023/ 2024 wolle man genügend Finanzmittel einplanen, damit jeder Schüler ein digitales Endgerät benutzen könne. Dafür müssten aber Ausschreibungen für die Geräte erfolgreich verlaufen. Derzeit warte das Rathaus noch auf hunderte iPads für Schulen, räumte Aubel ein.

Ein Antrag wurde beschlossen

Ferner müssten die Breitbandanbindungen der Schulen entsprechend ausgerüstet sein, so die Dezernentin. Hier hat das Rathaus mit seinem nächsten Haushalt weitere Investitionen angekündigt – und zwar zwischen 2022 und 2024 in mehr als 20 Schulen, die ein besseres Datennetz erhalten sollen. Das kostet mehr als 3,2 Millionen Euro. 

Die Rathauskooperation wiederum beschloss im Bildungsausschuss einen Antrag für einen kommunalen Medienentwicklungsplan, der zunächst einmal Mindeststandards für die Ausstattung der Potsdamer Schulen mit Informationstechnik definieren und bis Ende 2022 vorliegen soll.

Zumindest ein Übergangsmodell?

Und die drei Gymnasien? Sie warben im Ausschuss trotz der Skepsis in der Politik darum, zumindest test- und übergangsweise das Modell nutzen zu können. Nach PNN-Informationen ist das Vorhaben auch schon den Eltern vorgestellt worden. Vize-Rektorin Schubert sagte auf PNN-Anfrage, man bedaure den fehlenden Mut für das Pilotprojekt, das auch helfen könne, flächendeckende Fehler bei den Digitalisierungsbemühungen für Schulen zu vermeiden und Erfahrungen zu sammeln. Warte man auf die Stadt und ihre Pläne, werde das für viele Schüler mehrere Jahre zu spät kommen. Hier brauche es Übergangslösungen.

(Symbolbild)
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Die Schulen würden sich zeitnah zu weiteren Schritten beraten, "da unserer Ansicht nach die Chancen des Projekts die Herausforderungen deutlich überwiegen“. Ob ein Alleingang möglich wäre, blieb aber offen. In jedem Fall müssten die Schüler mit ihren Endgeräten in den Schulen das städtische Netz nutzen. Der Bereich IT-Sicherheit hatte aber Nutzungen nicht selbst eingerichteter Rechner zuletzt aus Sicherheitsgründen eher restriktiv gehandhabt - und vielfach dürfte auch das vorliegende Breitband dafür nicht ausreichen.

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