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Technische Lebensretter. Mathias Zöllner, Ingenieur für Fernerkundung am Deutsches Geoforschungszentrum (GFZ), präsentiert einen sogenannten Wingcopter. Solche Drohnen sind unter anderem ein wichtiges Instrument zur Analyse und Vorhersage von Hanglawinen, die jedes Jahr mehrere Tausend Menschen töten.

© Andreas Klaer

Lange Nacht der Wissenschaften Potsdam: Polareis, Drohnen und Planeten

Klimawandel, Polarforschung oder Hangrutsche: Die Forschungsinstitute auf dem Telegrafenberg stellen ihr Programm für die Lange Nacht der Wissenschaften am 9. Juni vor.

Von Birte Förster

Potsdam - Eine senkrecht startende Hybrid- Drohne, ein Zeltlager für Polarforscher oder Erbgutanalysen, die Aufschluss über ausgestorbene Tierarten geben – zur Langen Nacht der Wissenschaften am Samstag präsentieren sich die Forschungsinstitute auf dem Potsdamer Telegrafenberg mit einem vielseitigen Programm. Ziel ist es, Klimaforschung, Geoforschung und Astrophysik Laien anschaulich zu vermitteln und einen Einblick in die wissenschaftliche Arbeit zu gewähren.

Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ), das Leibniz-Institut für Astrophysik (AIP) sowie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) stellten am Dienstag ihr Programm vor. Mit über 60 Veranstaltungen seien es mehr als im vergangenen Jahr, sagte GFZ-Sprecher Ralf Nestler. Die Angebote richten sich an Kinder und Erwachsene.

Mit den beiden neuen Flügelbauten, die vergangenes Jahr fertiggestellt wurden, präsentiert sich das AWI bei der diesjährigen Wissenschaftsnacht von einer neuen Seite. Auf dem Hof vor dem Gebäudekomplex liegen große Steine in Form von Eisschollen. Am Samstag werden in deren Nähe mehrere Stände aufgebaut. „Wir wollen zeigen, dass Eis und Schnee vergänglich sind“, sagte Ulrike Herzschuh, Wissenschaftlerin am AWI. Das Besondere an dem Gebäude seien außerdem die drei neuen Labore. In dem DNA-Labor könne DNA extrahiert werden, um beispielsweise zu schauen, welche Arten in einer bestimmten Region ausgestorben seien und welche neu eingewandert sind, erklärte Herzschuh. Das Isotopen-Labor wiederum dient der Untersuchung des Klimawandels.

Klima rekostruktieren und DNA aus Seeschlamm

In Eisbohrkernen – Proben, die aus tiefen Eisschichten entnommen werden – analysieren die Wissenschaftler anhand von Wasserstoff und Sauerstoff die Isotope. „Daran kann man das Klima rekonstruieren“, so die Forscherin. Im bodenphysikalischen Labor könne untersucht werden, wie viel Wärme vom Boden aufgenommen werde und wie lange die Tauprozesse dauern.

Grund für die Neubauten sei vor allem, dass das Institut inzwischen stark gewachsen ist, erklärte Bernhard Diekmann, ebenfalls Wissenschaftler am AWI. 1992 hätten sie mit 37 Mitarbeitern angefangen, inzwischen seien an dem Institut 111 Mitarbeiter beschäftigt. Dazu kommen Stipendiaten, studentische Hilfskräfte und Praktikanten. 13 Millionen Euro haben die beiden Flügelbauten laut Diekmann insgesamt gekostet.

Bei der Langen Nacht der Wissenschaften haben die Besucher nicht nur Gelegenheit, das neue Gebäude zu besichtigen. Ziel sei es auch zu zeigen, wo AWI-Mitarbeiter in der Welt im Einsatz sind, so Herzschuh. Anhand von Eisschollen wollen sie zeigen, wie Wissenschaftler in der Arktis, vor allem in Sibirien, arbeiten. Gezeigt wird Besuchern, wie aus Seeschlamm DNA extrahiert wird. „Wir können darauf schließen, welche Tiere früher gelebt haben“, erklärte die Wissenschaftlerin. Auch Klima-Umschwünge können die Forscher über Erbgutanalysen sowie anhand von Fossilien in Seeablagerungen erkennen.

Hybrid-Drohne kann Leben retten

Die Besucher erfahren zudem, wie Permafrost, riesige Schichten unterirdischen Eises, entsteht. Und warum große Mengen Treibhausgas in die Atmosphäre gelangen, wenn der Permafrost taut. In einem kleinen Zeltlager auf dem Gelände können sich Wissenschaftsinteressierte anschauen, wie Polarforscher in den eisigen Regionen leben und welche Utensilien sie dabeihaben.

Eines der Highlights am Samstag wird auch die große, weiße Hybrid-Drohne sein, die Mathias Zöllner vom GFZ am Dienstag vorstellte. Diese sei wie ein Multicopter in der Lage, senkrecht zu starten, so Zöllner. Das Institut beschäftigt sich vordergründig mit dem Einsatz von Drohnen in der Geoforschung. Insgesamt 60 Wissenschaftler seien an dem Institut mit Drohnen-Projekten befasst, sagte der Ingenieur. Drohnen seien auch ein wichtiges Instrument zur Analyse und Vorhersage von Hangrutschungen. „Jedes Jahr sterben dadurch mehrere Tausend Menschen“, sagte Zöllner.

Leben auf anderen Planeten?

Ganze Dörfer würden dabei verschüttet. Die Forschungen des Instituts laufen vorwiegend in einigen Regionen Zentralasiens sowie in Sibirien. Mitarbeiter des GFZ und des AWI führen zusammen Messungen vor Ort durch und untersuchen die Entwicklung des Permafrostes. Wie auch das AWI ist das GFZ in der Klimaforschung aktiv. Am Samstag wird das GFZ in verschiedenen Veranstaltungen einen Einblick in seine wissenschaftliche Arbeit gewähren.

Das PIK betrachtet das Thema Klimaforschung aus soziologischer Perspektive und stellt unter anderem ein Projekt vor, bei dem mehrere Familien über ein Jahr lang ihren CO2-Verbrauch um 40 Prozent reduzieren wollen. Am Samstag wird es auch darum gehen, wie jeder Einzelne im Alltag mit der Wahl eines Ökostrom-Anbieters oder durch plastikfreies Einkaufen etwas für die Umwelt tun kann. Das AIP wiederum wird aktuelle Missionen vorstellen, wie zur Untersuchung benachbarter Planeten und sich der Frage widmen, ob es Leben auf anderen Planeten gibt.

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PROGRAMM: Die Lange Nacht der Wissenschaften in Berlin

Viele wissenschaftliche Einrichtungen beteiligen sich auch in Berlin an der Langen Nacht der Wissenschaften. Die Technische Universität Berlin zeigt ab 17 Uhr Exponate aus dem 3D-Labor und erklärt, wie man aus Bildern digitale 3D-Modelle berechnen kann. Im Haus der Ideen, Straße des 17. Juni 135, können sich Besucher darüber informieren, wie komplexe Bauteile im 3D-Druck hergestellt werden. Die Molekulare Parasitologie der Humboldt-Universität, Philippstraße 13, Haus 14, bietet um 17 Uhr ein Mitmachexperiment zum Thema Malaria an. Dabei wird gezeigt, wie der Malaria-Parasit die beiden Wirte Moskito und Mensch durchläuft. Teilnehmer können dem Parasiten am Mikroskop durch seine verschiedenen Lebensstadien folgen.

Im Hauptgebäude der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6, erfahren die Besucher etwas über Berufsfelder der Vergangenheit wie den „Drachenjäger“. Beginn der Sciencetainment-Veranstaltung ist 17 Uhr. Drachenkämpfe sind in vielen alten Sagentexten überliefert. Besucher erfahren, was die englische Universitätsstadt Oxford mit Drachenfangen verbindet. An der Freien Universität Berlin (FU) können Besucher ab 17 Uhr testen, wie gut ihr Gehirn noch funktioniert – in einem „Gehirn-Parcours“, Silberlaube der FU, Fabeckstraße 25, können sie ihre eigene geistige Fitness einschätzen und danach in kurzen Aufmerksamkeits- und Gedächtnistests überprüfen lassen. In einer Podiumsdiskussion in der Philosophie der FU, Habelschwerdter Allee 30, geht es um das Thema Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Das 60-minütige Gespräch beginnt um 17 Uhr. Dabei werden neue Forschungsimpulse zu Sexismus, Hassrede und Familie präsentiert. Es steht außerdem die Frage im Zentrum, wie Beziehungen zwischen den Geschlechtern gerechtigkeitstheoretisch zu bewerten sind. 

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