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Landtagswahl 2019: Potsdam ist nach der Landtagswahl rot-grün

Analyse: Bei der Landtagswahl gewann die SPD 23 der 29 Stadtteile, in weiteren fünf triumphierten die Grünen, einer ging an die AfD. Die Dominanz der Linken in den Plattenbaugebieten ist passé.

Von Peer Straube

Potsdam hat gewählt und zwar durchaus überraschend. Nicht nur, dass die SPD den Innenstadt-Wahlkreis an die Grünen verlor und ein politischer Newcomer Linke-Urgestein Hans-Jürgen Scharfenberg aus dem Landtag kickte, auch manch Stadtteilergebnis scheint gegen den üblichen Potsdamer Strich gebürstet.

Wo die Parteien und Direktkandidaten ihre Hochburgen hatten, wo sie am schlechtesten abschnitten, welche Bedeutung die Briefwahl hatte und welche Unterschiede es zum landesweiten Wahlergebnis gab, verrät unser Überblick:

Welche Überraschungen gab es?

Dass die SPD die meisten Zweitstimmen auf sich vereinen würde, war zu erwarten. 26,0 Prozent holten die Sozialdemokraten, in etwa so viel wie auch im ganzen Land Brandenburg. Was aber kaum jemand auf dem Zettel hatte, war der Gewinn der beiden Direktmandate im Norden und im Süden der Stadt. Im nördlichen Wahlkreis 19 nahm der SPD-Stadtverordnete Uwe Adler der streitbaren CDU-Kreischefin von Potsdam-Mittelmark, Saskia Ludwig, überraschend das Direktmandat ab. Im südlichen Wahlkreis 22 entthronte SPD-Stadtfraktionschef Daniel Keller Dauergewinner Hans-Jürgen Scharfenberg von den Linken.

Im Gegenzug durchbrach die Grünen-Stadtverordnete Marie Schäffer im prestigeträchtigen Innenstadt-Wahlkreis, zu dem auch Babelsberg gehört, die seit der Wende bestehende Dominanz der SPD und warf Klara Geywitz, Kandidatin für den SPD-Bundesvorsitz, nach 15 Jahren aus dem Landtag.

02.09.2019, Brandenburg, Potsdam: Ein Wahlplakat der SPD mit Dietmar Woidke, Ministerpräsident von Brandenburg, wird abgebaut. Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
02.09.2019, Brandenburg, Potsdam: Ein Wahlplakat der SPD mit Dietmar Woidke, Ministerpräsident von Brandenburg, wird abgebaut. Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa

Wie ist die Stärke der SPD zu erklären?

Ganz einfach: Potsdam ist traditionell ein rotes Pflaster, trotz der Verluste bei den letzten Wahlen. Diesmal aber ging es den meisten darum, einen Wahlsieg der AfD zu verhindern, wozu angesichts der letzten Umfragen nur die Sozialdemokraten in der Lage schienen. Zur Sicherheit machten dann viele ihr Kreuz auch bei der Erststimme bei der SPD. Bei den Zweitstimmen gewann die SPD in 23 von 29 Stadtteilen, ihr stärkstes Ergebnis erreichte sie in der Waldstadt I mit 33,2 Prozent, das schwächste mit immerhin noch 22,8 Prozent in der Nauener Vorstadt. Keine andere Partei hat so wenig Schwankungen bei ihren Ergebnissen in den einzelnen Stadtteilen.

Wo triumphierten die Grünen?

Die Ökopartei konnte ihren Aufwärtstrend von der Kommunal- und Europawahl bestätigen und landete mit 22,2 Prozent der Zweitstimmen in Potsdam relativ knapp auf Platz zwei hinter der SPD. In fünf Stadtteilen landeten die Grünen sogar ganz vorn, nämlich in der Nauener und der Brandenburger Vorstadt, der Nördlichen Innenstadt sowie in Babelsberg Süd und Nord. In Letzterem erreichten sie mit 31,7 Prozent auch ihr bestes Ergebnis, am schlechtesten schnitten sie mit 8,7 Prozent in Drewitz ab. Generell gab es für die Grünen in den Plattenbaugebieten nicht viel zu holen, gleiches gilt für die nördlichen Ortsteile. Das starke Abschneiden in den bürgerlichen Vorstädten machte diese Durchhänger wett.

Wohin entwickelt sich die Linke?

Im Moment nur in eine Richtung: nach unten. Bei jeder weiteren Wahl, so scheint es, schwindet die einstige Dominanz der Partei in den Plattenbaugebieten. Die Zeiten, als die SED-Nachfolger der SPD auf Augenhöhe begegneten, sind vorbei. Konnten bei der Wahl vor fünf Jahren etwa Am Stern, in Drewitz und in der Waldstadt II bei den Zweitstimmen noch Werte jenseits der 30 Prozent eingefahren werden, waren es diesmal allein in den drei genannten Stadtteilen zwölf bis 15 Prozent weniger. In vier Stadtteilen hatte die Linke 2014 noch gewonnen, diesmal reichte es nirgendwo zum Sieg. Ihr bestes Ergebnis erreichte die Partei mit 20,2 Prozent Am Stern, die wenigsten Stimmen bekam sie mit 7,3 Prozent in Groß Glienicke. Insgesamt reichte es mit 14,6 Prozent gerade so für Platz drei.

Wo punktet die AfD?

Überall dort, wo die Unzufriedenen wohnen, die sozial Schwächeren. In allen Plattenbaugebieten haben die Rechtspopulisten den Linken den Rang als Protestpartei abgelaufen. Mit dem Schlaatz konnte die AfD einen Potsdamer Stadtteil sogar gewinnen: Mit 26,8 Prozent verwies sie die SPD bei den Zweitstimmen dort auf Platz zwei, erst dann folgt mit 18,3 Prozent die Linke. Zum Vergleich: 2014 hatte die AfD im Schlaatz 14,6 Prozent geholt, die Linken hatten den Stadtteil mit 32,4 Prozent damals gewonnen. In den Plattenbaugebieten im Süden fuhren die Rechtspopulisten diesmal durchweg Werte um die 20 Prozent ein, ebenso wie in den nördlichen Potsdamer Ortsteilen, wo sie bis auf Groß Glienicke ausnahmslos nach der SPD die zweitmeisten Stimmen bekamen.

Wie steht es um die CDU?

Nicht gut. Die Union, die sich im reichen Potsdam immer wieder weit unter Wert verkauft, ist neben den Linken der zweite große Verlierer der Wahl. Mit 12,0 Prozent der Zweitstimmen landeten die Christdemokraten lediglich auf Platz vier. 2014 hatte es mit 17,7 Prozent noch klar für Platz drei gereicht. Damals hatte man in einigen nördlichen Ortsteilen und in den Vorstädten Ergebnisse von mehr als 20 Prozent holen können, die noble Berliner Vorstadt wurde mit 32,9 Prozent mit haushohem Abstand vor der SPD gewonnen. Diesmal reichte es nirgends für einen Sieg, die einstige Hochburg fiel an die SPD, gefolgt von den Grünen. 20,6 Prozent bedeuten rund um den Heiligen See nur noch die Bronzemedaille. Die CDU litt ebenso wie die Linke am AfD-Verhinderungsgedanken bei den Wählern, doch angesichts des Klimawandels verliert die Union auch bei den Besserverdienenden zunehmend mehr Kreuzchen an die Grünen.

Und was macht die FDP?

Die Liberalen seien der Ordnung halber hier erwähnt, immerhin konnten sie ihr Ergebnis von 1,6 auf 4,6 Prozent steigern. Das ist etwas besser als das Landesergebnis, der erhoffte Teuteberg-Effekt blieb aber aus. Eigentlich hatte die Potsdamer FDP-Chefin Linda Teuteberg, die im Frühjahr Generalsekretärin der Bundes-FDP wurde, für Stimmen sorgen sollen. Stattdessen langte es nur für knapp zehn Prozent in der Berliner Vorstadt und teils weniger als zwei Prozent in der Platte. In die Bilanz passt folgendes Ergebnis: Als einziger aller Bewerber um ein Direktmandat ging FDP-Kandidat Kay Martin in einem Stadtteil komplett leer aus. In Grube bekam der 24-Jährige keine einzige Stimme, immerhin sieben Wähler machten ihr Kreuzchen aber bei der Zweitstimme für die FDP.

Welche Bedeutung hatte die Briefwahl?

Eine große. Seit Jahren steigt die Zahl der Briefwähler in Potsdam, diesmal lag sie bei etwa 27.500, rund 10.000 mehr als vor fünf Jahren. Gewonnen haben die Briefwahl die Grünen mit 24,4 Prozent, was zu einem guten Teil auch Ursache für ihr starkes Gesamtwahlergebnis in Potsdam ist. Knapp dahinter landete mit 23,5 Prozent die SPD, gefolgt von den Linken mit 15,2 und der CDU mit 14,8 Prozent. Bei den Erststimmen sah das Briefwahlergebnis etwas anders aus: Hier lag die SPD mit 23,8 Prozent vor den Grünen mit 22,0 und den Linken mit 19,1 Prozent. Vor fünf Jahren hatten die Grünen bei der Briefwahl bei den Zweitstimmen mit 12,6 Prozent lediglich den vierten Platz belegt, hinter SPD (28,7), Linken (24,5) und CDU (19,7), bei den Erststimmen gewann die Linke vor SPD und CDU. Die Zahl der Briefwahllokale hat sich seit der letzten Landtagswahl 2014 auf 44 genau verdoppelt.

Wie fiel die Wahlbeteiligung aus?

Sehr hoch, vor allem im Vergleich zu 2014, als mit 55,7 Prozent die wenigsten Wähler bei einer Landtagswahl in Potsdam an die Urne gingen. Diesmal lag der Wert bei 69,3 Prozent, das ist nach 2009 und 1990 der drittbeste Wert überhaupt.

Gab es besondere Vorkommnisse?

Nein, sagte Wahlleiter Michael Schrewe am Montag bei der Auswertung des Wahlergebnisses. Alles sei störungs- und pannenfrei und auch ohne Auseinandersetzungen verlaufen. Schrewe lobte zudem das große Engagement der 1100 ehrenamtlichen Wahlhelfer, die am Sonntag in Potsdams im Einsatz waren. Ungeachtet der Kürze des Abstands zur Europa- und Kommunalwahl habe man keine Probleme gehabt, genügend Helfer zu finden. Es hätten sich sogar so viele gemeldet, dass 50 Helfer als Reserve bereit gestanden hätten.

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