zum Hauptinhalt
Ein Teil des Rechenzentrums wird bald von Künstlern genutzt.

© Andreas Klaer

Künstlerräume im Rechenzentrum: „Ein Umzug lohnt sich nur auf Dauer“

Potsdams Künstler können sich bald in einem Teil des Rechenzentrums kreativ ausleben. Die Künstlerräume sind günstiger als erwartet. Allerdings verzögert sich der Einzug.

Potsdam - „Gesucht: Mülleimer, Holzregal, Staubsauger für das Rechenzentrum“, steht auf einem grünen Plakat an der Wand des „Entwicklungsbüros“ im Erdgeschoss des DDR-Baus. Seit Dienstagabend sucht der kommunale Sanierungsträger Pro Potsdam offiziell einen Betreiber für die Immobilie. Rund 80 Potsdamer Künstler und Kreative waren zu dem zweiten Plenum zur Erarbeitung eines neuen Nutzungskonzeptes erschienen. Erfreut nahmen sie die Nachricht zur Kenntnis, dass sie möglicherweise bald zu günstigeren Mieten das Rechenzentrum beziehen können als bislang angenommen. Bert Nicke, Geschäftsführer von Pro Potsdam, gab auf der Versammlung bekannt, dass sich die bisher veranschlagte Bruttowarmmiete von 10,85 Euro auf sieben Euro reduziere – allerdings müsse dies noch mit der Politik abgestimmt werden. Entsteht doch der Stadt einen Mietausfall von jährlich rund 210.000 Euro. Als Grund für die niedrigere Miete gab Nicke die „begrenzte Restnutzungsdauer von drei Jahren“ an. „Cool“, raunte es durch den Raum, in dem sich ein vom Alter her bunt gemischtes Publikum – die potentiellen Mieter – versammelt hatte.

Start ab dem 1. September

Allerdings werden die Künstler und kreativen Gewerbeschaffenden nicht wie geplant zum 1. Juli in die mehr als 200 Räume an der Dortu-, Ecke Breite Straße einziehen können. Ein Teil der Räume im Verwaltungstrakt des Rechenzentrums wird noch von einem kleinen Teil der Mitarbeiter genutzt, weil sich der Abschluss des Umzugs in die Steinstraße wegen „erhöhter Sicherheitsanforderungen“ verzögert, wie das Landesinnen- und das Finanzministerium am Dienstag den PNN mitteilten. Eine Etage könne zum 1. Juli für die vorgesehene künstlerische Nutzung an die Stadt Potsdam übergeben werden. Doch Bert Nicke von der städtischen Pro Potsdam sprach sich vor den Künstlern dafür aus, zunächst das Gespräch mit der Politik zu suchen, um dann in einem Interessensbekundungsverfahren einen Betreiber zu suchen. „Bis Mitte Juli wollen wir einen Vertrag mit dem Betreiber festzurren. Ab 1. September können wir starten, wahrscheinlich mit der zweiten und vierten Etage.“ Das oberste Stockwerk stehe bereits leer, das zweite sei nahezu geräumt – das wären schon einmal bis zu 120 Räume.

Als Betreibermodell komme ein einfacher Konzessionsvertrag infrage, hieß es bei der Veranstaltung. Der Betreiber wirtschafte auf eigenes Risiko und komme ohne städtische Mittel aus. „Das muss jemand sein, der sehr erfahren ist im Betrieb solcher Kunsthäuser mit vielen Einzelnutzern“, sagte Nicke. „Unter den Mietern sind Musiker, die mehr Lärm machen und Maler, die Publikum empfangen.“ So habe sich die „Stiftung Sozialpädagogisches Institut Berlin“ bereits „durchaus interessiert“ gezeigt. Denkbar sei aber auch eine Einrichtung wie das Potsdamer Kulturzentrum „freiland“. Sollte das Rechenzentrum mit seinen mehr als 5000 Quadratmetern Nutzfläche über die drei Jahre hinaus bestehen bleiben, müsse nach einem langfristigen Modell gesucht werden. Die Künstler könnten eine Genossenschaft gründen und diese selbst verwalten. Beim Bürgerdialog zur Zukunft der Garnisonkirche hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) von einem Erhalt des Verwaltungsgebäudes von bis zu 25 Jahren gesprochen.

Hoher Bedarf an Künstlerräumen

Dass viele Künstler und Kreative sich für die Nutzung der Räume im Rechenzentrum interessieren, hat eine Bedarfsanalyse der städtischen Wirtschaftsförderung ergeben. 153 potentielle Nutzer füllten einen Online-Fragebogen aus, berichtete Oliver Latt, Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Darunter seien großteils Kulturschaffende, aber auch kreative Gründer und Vereine. Die meisten von ihnen benötigen nur einen Raum, wünschen sich einen von ihnen mitfinanzierten Gemeinschaftsbereich und würden am liebsten noch in diesem Jahr einziehen.

Anders das „Theater Poetenpack“, das viel Platz benötigt. Ohne feste Bühne führt es im Sommer im „Q-Hof“ am Park Sanssouci Stücke für Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf. Die Suche nach geeigneten Proberäumen gestalte sich jedes Jahr als „große Katastrophe“, erzählt Sprecherin Constanze Henning. So habe man bereits auf Räume in Restaurants zurückgreifen müssen. Dass derzeit die „Mittsommer-Sexkomödie“ von Woody Allen im Yachthafen neben dem Babelsberger Bad geprobt werde, sei ein Glücksfall. „Wir brauchen aber dringend einen Probenraum an zentraler Stelle in der Stadt – auch für die Schauspieler, die aus Berlin anreisen.“ Zwar seien die Räume im Rechenzentrum zu niedrig und klein. „Laut Architekt ist es aber kein Problem, die dünnen Zwischenwände herauszureißen und Räume zusammen zu legen.“ Das Theater möchte dort außerdem seine Kostüm- und Bühnenbilder-Werkstatt und ein Lager unterbringen – und perspektivisch auch das derzeitige Büro in Potsdam-West. „Ein Umzug lohnt sich allerdings nur, wenn wir dort dauerhaft und nicht nur auf drei Jahre begrenzt bleiben können.“

Lesen Sie weiter:

Kleine Bürozimmer werden zu kreativen Räumen. Wir haben uns vor Ort umgeschaut >>

Isabel Fannrich-Lautenschläger

Zur Startseite