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Künstlerhaus ins Rechenzentrum: Kleine Bürozimmer werden zu kreativen Räumen

Bald sollen Künstler den Verwaltungsteil des Rechenzentrums nutzen dürfen. Doch unter welchen Konditionen? Und wie sieht es eigentlich derzeit im Rechenzentrum aus? Die PNN haben sich vor Ort umgeschaut.

Innenstadt - Das erste was auffällt ist die Hitze. Selbst in den leerstehenden Büros des Rechenzentrums ist es sommerlich warm. Schuld ist die Heizungsanlage, die noch auf DDR-Standard ist: Heiztruhen hängen unter den Fenstern, eine Möglichkeit zur Temperaturregelung gibt es bei der Zentralheizung nicht. Das erklärt auch die vielen angekippten Fenster - und die üppigen Betriebskosten.

Das Rechenzentrum wird zur Rechenaufgabe: Potsdams Künstlerszene soll das Gebäude an der Ecke Breite Straße und Dortustraße auf keinen Fall kostenlos nutzen können. „Diesem Eindruck möchte ich widersprechen“, betonte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am Mittwochabend im Hauptausschuss. Im nächsten Monat sollen demnach die Verhandlungen darüber beginnen, zu welchen Konditionen der Verwaltungsteil des Rechenzentrums befristet als Kunst- und Kulturhaus genutzt werden kann. Nach PNN-Informationen müssen Mieter im Rechenzentrum derzeit durchschnittlich knapp fünf Euro pro Quadratmeter kalt zahlen. Jakobs sagte, die Stadt kalkuliere mit den Einnahmen aus dem Gebäude, etwa um noch die einstigen Kosten für dessen Kauf zu finanzieren. Zuletzt hatte die Stadtverwaltung auf Anfrage der Fraktion Die Andere von jährlichen Mieteinnahmen 112 000 Euro gesprochen. Jakobs verwies zudem auf die Betriebskosten und machte eine Gesamtrechnung von 300 000 Euro pro Jahr auf, die eingespielt werden müssten. Das Gebäude selbst verfügt bei mehr als 200 Räumen über eine Nutzfläche von 5300 Quadratmetern.

Fünf Euro pro Quadratmeter

Es handelt sich praktisch ausschließlich um kleine Bürozimmer, zur Breiten Straße hin rund 20 Quadratmeter groß, zur Rückseite hin etwas kleiner, aber teils mit Panoramablick über die Innenstadt. Von den insgesamt vier Etagen stehen etwa anderthalb bereits jetzt leer, wie Andreas Wagner von der Hausverwaltung den PNN bei einem Rundgang durch das Gebäude sagte. Das Gebäude, an dessen Außenseite Fritz Eisels Mosaik „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ ein Blickfang ist, sei zuletzt in den 1990er Jahren rundumerneuert worden. Der Fahrstuhl ist mit dem DDR-Holzersatz Sprelacart verkleidet, die Wände der Flure mit unempfindlicher Strukturfarbe in Eierschalen-Optik gestaltet. Die Büros, die zuletzt von der Universität Potsdam genutzt wurden, machen mit frisch gestrichener Raufasertapete einen gepflegten Eindruck.

Am Mittwoch vergangener Woche hatte Oberbürgermeister Jakobs überraschend erklärt, das Haus könne für Potsdams Künstlerszene zur Verfügung gestellt werden. Damit reagiere er auf die Dauerdebatte über fehlende Räume für Künstler in Potsdam. Nach PNN-Informationen war der Beschluss ein Alleingang von Jakobs, selbst für seine Dezernenten war die Nachricht ein Paukenschlag. Insofern stehen die Planungen noch am Anfang. Im Hauptausschuss sagte Jakobs nun, über den künftigen Nutzungsmix in dem Haus müsse noch gesprochen werden. Es solle nicht nur Atelierräume, sondern auch Flächen für die Kreativwirtschaft geben. Ausgeschlossen seien öffentliche Veranstaltungen – dafür wären aus Brandschutzgründen Umbauten nötig, für die es kein Geld geben werde.

Künstler sollen Betrieb selbst organisieren

Teil der Verhandlungen mit der Künstlerszene wird die Verwaltung des Hauses sein. Jakobs sagte, er erwarte, dass der Betrieb von den Nutzern selbst organisiert werde. „Dafür müssen wir noch eine Struktur finden.“ Potentielle Nutzer haben sich schon zu Wort gemeldet: unter anderem das wissenschaftliche Mitmachmuseum „Extavium“, dass zum 12. April seinen Standort in der Caligari-Halle am Filmpark aufgeben und in ein deutlich kleineres Domizil in der Straße Am Kanal ziehen muss. „Wir könnten uns vorstellen, mittelfristig einen Teil des Rechenzentrums zu nutzen“, teilte Sprecherin Natalie Lühdorff mit. Denn mit einer Ausstellungsfläche zwischen 1500 und 2000 Quadratmetern könne das vor allem für Kinder gedachte Museum sein volles Potential entfalten, so Lühdorff weiter.

Derzeit sind in dem Gebäude unter anderem die Mitarbeiter des IT-Dienstleisters des Landes untergebracht. Ihr Mietvertrag endet am 30. Juni – dann ziehen sie in den Behördencampus in der Steinstraße. Nach dem Auszug hätte das Gebäude eigentlich leerstehen und spätestens 2017 abgerissen werden sollen. Denn das Rechenzentrum steht dem originalgetreuen Wiederaufbau der Garnisonkirche im Weg – allerdings nur dem Kirchenschiff, nicht aber dem zunächst geplanten Turm der Kirche. Jakobs hatte extra betont, es müsse klar sein, dass das Gebäude wieder freigeräumt wird, wenn der Abriss „tatsächlich erforderlich werden sollte“.

Der Turm, dessen Bau möglichst 2017 beginnen soll, ist laut der Stiftung für den Wiederaufbau derzeit etwa erst zur Hälfte finanziert. Wann das Kirchenschiff errichtet werden kann, ist unklar. Jakobs Parteifreund Manfred Stolpe (SPD) hatte vorgeschlagen, als Kompromiss für den Streit um die Kirche nur deren Turm als Versöhnungszentrum wiederzuerrichten.

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