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Mit Stimme und Getränk. Der Potsdamer Kneipenchor probt für sein Geburtstagskonzert im Lindenpark. Gesungen wird ohne Dirigent, der Gitarrist gibt den Rhythmus vor.

© Andreas Klaer

Konzert am Samstag: Der Potsdamer Kneipenchor feiert Geburtstag

Bloß kein Stress: Im Potsdamer Kneipenchor soll es vor allem gesellig zugehen, Noten muss man auch nicht lesen können. Zum zweiten Chor-Geburtstag gibt es ein Konzert.

Der Potsdamer Kneipenchor hat ein Problem: Zwei Jahre nach seiner Gründung ist er so groß, dass er nicht mehr in eine Kneipe passt. Jedenfalls nicht für ein spontanes Konzert, wie sie das in den ersten Monaten getan haben: einfach reingehen und singen. „Die Leute fanden das immer gut und haben meistens mitgesungen“, sagt Chormitglied Sarah Hammerschmidt. „Und dann wollten viele auch gleich Mitglied werden.“

50 Sänger sind sie mittlerweile, die meisten etwa 30 Jahre plus-minus, gemischte Berufe, Schüler und Studenten. Am heutigen Samstagabend feiern sie im Lindenpark ihren zweiten Geburtstag - natürlich mit einem Konzert. Wer von den Zuhörern sich anschließend für eine Mitgliedschaft interessiert, muss auf eine Warteliste, denn es gibt einen Aufnahmestopp. Sogar für die begehrten Männerstimmen, die ein Viertel bis ein Drittel des Chores ausmachen, eine gute Quote. „Wir sind außerdem disziplinierter in der Probenteilnahme als die Frauen, die sich auch mal auf ihre Nachbarinnen verlassen“, sagt Rico Struck mit einem Augenzwinkern.

Angefangen hat alles sehr klein – in Sana Kaisers Küche in Potsdam-West. „Wir hatten uns zum Musizieren getroffen, ein paar Freundinnen bei einem Glas Wein in der Küche. Später am Abend entschieden wir uns, beim lebendigen Adventskalender mitzumachen,“ sagt die Mitbegründerin. Und so gaben sie am 10. Dezember ein kleines Kalenderkonzert, klassische Weihnachtslieder, zweistimmig. Der Zuspruch war groß und sie trafen sich im Januar erneut zum Singen. Das sprach sich rum und bald war klar: Es wird ein Chor und er braucht einen Namen.

Küchenchor und Katzenchor waren in der engeren Auswahl – Kneipenchor setzte sich durch. „Es gab damals schon viele Kneipenchöre in ganz Deutschland und uns gefiel das Konzept“, sagt Sarah Hammerschmidt. „Wir wollen Spaß haben und Erfolgs- oder Teilnahmedruck rausnehmen“, sagt Rico Struck. „In der Kneipe ist man locker, entspannt, und genauso soll es bei uns im Chor sein. Es geht um gute Unterhaltung für uns selbst.“

Jeder durfte – bis zum Aufnahmestopp jedenfalls – mitmachen. Selbst wenn man meinte, nicht singen zu können. „Wer alleine unter der Dusche singt, der kann das auch hier“, sagt Sarah Eichwald. Man muss keine Noten lesen können. Es gibt nämlich keine. Gesungen wird nach Struktur. Leadstimmen und Begleitstimmen werden beim Proben entwickelt und können sich auch mal verändern, wenn jemand spontan eine Idee hat.

Es gibt auch keinen Dirigenten und Chorleiter. Takt und Tempo geben die Instrumentalisten vor, drei Gitarristen, ein Keyboarder und ein Cajon-Spieler. Was gesungen wird, entscheiden sie gemeinsam, jeder kann Vorschläge machen. Im Programm sind vor allem Lieder, die man kennt, Populäres aus mehreren Jahrzehnten und Volkstümliches. Stücke von Nina Hagen, Toto, Cold Play, aber auch „Drunken Sailor“. Das Trinken von Alkohol oder anderem vor, während oder nach dem Singen ist übrigens nicht verpflichtend. Beliebt sind Kneipenbesuche kleinerer Grüppchen im Anschluss an die Probe.

Die findet wöchentlich im Freiland statt. Die Sänger sind dankbar, dort unentgeltlich einen Raum nutzen zu können. Offene Proben zum Mitmachen gab es im vergangenen Jahr im Café 11-line und in der Bar Rückholz. Mittlerweile bekommen sie Anfragen, ob sie nicht mal hier oder da auf Feiern singen wollen. Das machen sie jetzt nur noch für Chormitglieder, etwa wenn jemand heiratet. Denn es soll nicht zu stressig oder professionell werden. Kein straffer Zeitplan, sondern Spaß und Geselligkeit.

Die finden sie auch in der großen Gemeinschaft deutscher Kneipenchöre. Sie fuhren zum ersten deutschen Kneipenchorfestival nach Erlangen und bekommen heute Abend Besuch von Mitgliedern des Dresdner Kneipenchors.

Es ist ihr erstes Mal im Lindenpark. Der Probenbeginn Mittwochabend zieht sich, Instrumente werden hereingetragen und aufgebaut, das Licht eingestellt, und mitten drin kniet jemand auf dem Fußboden und schreibt auf großen Papierbahnen das Programm. Eilig hat es keiner. Nach und nach trudeln die Sänger ein, auch ein Baby ist dabei und ein Hund. Dann bildet sich im Saal ein Kreis zum Einsingen. Ganz ohne Dirigat geht das dabei doch nicht, eine Frau gibt Anweisungen zum Schultern Kreisen und Arme Ausschütteln. Es folgt eine Rhythmusübung, Klatschen und Schnipsen. Anschließend geht es auf „Mom“ erst zur Terz, dann zur Quinte. „Bruder Jakob“ im Kanon füllt zart den Saal.

Das erste Lied auf der Bühne stammt von den 4 Non Blondes - „What’s Up“: „And I say, hey yeah yeah, hey yeah yeah, said hey, what’s going on“ – mit Hüftschwung direkt ins Ohr.

Konzert und Party am Samstagabend, 12. Oktober 2019, ab 21 Uhr im Lindenpark, Stahnsdorfer Str. 76. Der Eintritt kostet 5 Euro

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