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Ein Bild aus der Karl-Hagemeister-Ausstellung im Potsdam Museum, das vor den Corona-Bestimmungen entstanden ist.

© Andreas Klaer

Kolumne | PYAnissimo: Ein bisschen Groll macht's echter

Manchmal kann ein wenig Strenge und Knorrigkeit Dinge ja auch sehr authentisch machen, wie derzeit in der Hagemeister-Ausstellung im Potsdam-Museum, meint unsere Kolumnistin. 

Potsdam - Mein Glück der vergangenen Woche: Ich habe Monet und Hagemeister gesehen. Aber es war hart: Das Barberini ist quasi ausverkauft. Man kann jeden Morgen in einem winzigen Zeitfenster versuchen, Karten für exakt den zehnten Tag im Voraus – aber nur für den – zu ergattern. Wenn man einen Computer hat, weiß, wie man ein Kundenkonto anlegt und mit Kreditkarte oder Paypal bezahlen kann. Und wenn einem, sofern man es bis hierhin schafft, vorher nicht die Tickets wie seinerzeit zum Shutdown das Klopapier aus dem Einkaufswagen gemopst werden.

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Meine Ausstellungsbegleitung war Ü70, kunstaffin, gebildet und willens, ordentlich Geld im Souvenirshop zu lassen, hatte aber noch nie via Internet bezahlt. Es schien hoffnungslos. Monet, dachte ich, wenn du wüsstest… Letztlich standen wir doch eines Tages, jeder mit einer Eintrittskarte in der zittrigen Hand, in den heiligen Hallen. Und es war zauberhaft. Monet wäre der Grund gewesen, eine Jahreskarte zu kaufen und jede Mittagspause vor Blumengärten und Weizenfeldern zu verbringen.

Steffi Pyanoe ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.
Steffi Pyanoe ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

© Sebastian Gabsch

Ein bisschen wie auf Klassenfahrt

Große Überraschung bei Hagemeister: Einfach ohne Ticket kommen, hieß es, man sei gut vorbereitet. Das stimmte. Wir hatten die Haustür kaum eine Handbreit geöffnet, da erfolgte die erste Ansprache: ‚Bitte erst Masken aufsetzen, dann eintreten‘. Einen Meter weiter, Flucht unmöglich, wurden Adressen aufgenommen. Anschließend dirigierte man uns in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete, zum Bezahltresen.

Hier gab es eine Quittung für alle. Der Quittungshalter musste diese an jeder Tür vorzeigen, damit alle Mitglieder der Gruppe hineinkamen. Wir begannen, uns wie eine Klassenfahrt zu fühlen. Neue Ansagen: Garderobe hier, Rundgang da. Auf Pfeile und Punkte ist zu achten. Aaaachtung!

Sehnsucht und Vertrautes

Nein, natürlich nicht, aber die Kunst schien plötzlich verschüchtert zu schweigen. Trotzdem: Hagemeister war toll. Und es war gut, seine Bilder nach Monet zu sehen, es war wie ein Nachhausekommen von einer schönen Frankreichreise. Monet war die Sehnsucht, Hagemeister das Vertraute, Bachläufe, Birken, die herbe Rauheit der Ostseeküste. Wenn es nur nicht immer tönte, „Maske über Mund und Nase“, und im Flur roch es plötzlich streng nach Krankenhaus. Ostseebrise, Sommerwind, wo seid ihr? Der Ausgang lockte, nein, falsche Tür, neue Anweisung, noch ein Pfeil, hier entlang, drei Meter Umweg im leeren Raum, dann endlich, Himmel, Luft! Hagemeister, dachte ich, wenn du wüsstest…

Sehr authentisch gelungen

Zuhause las ich in dem wunderbaren Buch der Kuratorin aus Erinnerungen eines Galeristen, der den alten Maler zu Hause besuchte. Die Wirtschafterin sagte zur Begrüßung: „Sie werden erwartet, aber der Herr Professor hat heute keinen guten Tag.“ Mein Groll verflog und ich dachte: Die Ausstellung ist eben besonders authentisch gelungen.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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