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Kolumne PYAnissimo: Diskussion um Frauennamen ist entwürdigend

Gegen die Diskussion um Frauennamen für Straßen in Potsdams Mitte ist nichts einzuwenden, meint unsere Kolumnistin. Aber: Kommt es nicht eigentlich auf ganz andere Dinge an? 

Potsdam - Was haben Berlin, München, Ulm und Münster, was Potsdam nicht hat? Eine Frauenstraße. Mal wurde sie nach einer Liebfrauenkirche benannt, mal nach einem Frauenheim. Vermutlich denkt dort aber keiner mehr darüber nach. Schade jedenfalls, dass Potsdam keine Frauenstraße hat. Sollten wir unbedingt nachholen. Oder lieber nicht – sonst würde es heißen, die Frauen werden im Kollektiv abgefrühstückt und die Männer als Individualisten gefeiert.

Es ist aber auch schwer. Seit bald fünf Jahren diskutiert man in den zuständigen Gremien zur Frauenquote auf Blechschildern. Im Februar 2015 machte ein Antrag der Grünen im Kulturausschuss die Runde. Seitdem ist nicht viel passiert – bis jetzt die Aktivistinnen kamen. Gegen ihren Wunsch, an drei verdienstvolle Potsdamerinnen zu erinnern, indem Straßen nach ihnen benannt werden, ist nichts einzuwenden. Ich finde es nur entwürdigend, wie diese Diskussion geführt wird. Dass sie überhaupt an dieser Stelle geführt wird. Da gehört sie nämlich nicht hin. Es gibt Werkzeuge und Regeln zur Benennung neuer Straßen, und die könnte man einfach nutzen. Hier aber geht es um Stadtgeschichte. Zum weitgehend einmütig beschlossenen Wiederaufbau der Mitte gehören auch die historischen Namen. Ende.

Liebe Stadtverordnete und sonstige politisch Aktive: Es gibt genug zu tun in Potsdam und Sitzungszeit ist kostbar. Da müssen wir nicht wie auf dem Basar aushandeln, ob eine Person zur angemessenen Erinnerung eine prächtige Allee oder einen Stummel mit Sackgasse braucht. Wird es demnächst einen Algorithmus aus Mietenspiegel, Himmelsrichtung, Zentrumsnähe, Ausbaustufe, Fahrbahnqualität, Parkgebühren und Straßenpläne sowie Geschlecht, Lebensleistung und Anzahl der Buchstaben im Namen geben? Hauptsache was Eigenes, Hauptsache Jodeldiplom?

Ich wette, die Frauen in Potsdam wünschen sich mehr Kitaplätze und mehr Erzieherinnen und Erzieher und diese besser bezahlt. Sie wünschen sich Straßenbahnen und Busse, in die auch um halb fünf nachmittags noch drei Kinderwagen passen. Sie wünschen sich Arbeitgeber, die nicht zusammenzucken, wenn der Vater Elternzeit beantragt; mehr Sportplätze, damit auch die Mädchenfußballmannschaft Trainingszeiten bekommt. Ich wünsche mir vor allem, dass wir mehr miteinander reden und nicht nur chatten und twittern. Geschichten und Lebenswege jetzt erzählen und einander zuhören, damit Namen eben nicht erst später auf einem Straßenschild erklärt werden müssen.

Im Übrigen gibt es in Babelsberg Straßen, bei denen hat man die Vornamen einfach weggelassen. Fontanestraße, Lessingstraße, Goethe, Heine, Uhland, Reuter, Uhland, Klopstock… Kann sich jeder aussuchen, ob er dabei an Theodor denkt oder Emilie, die dem Dichter alles recht machte, lecker kochte, Kinder gebar und zeitweise alleine erzog, Reisen und Umzüge organisierte und nebenher dem immer berühmter werdenden Schriftsteller die Manuskripte korrigierte – darunter viele Texte über Frauen. Am 14. November hat sie Geburtstag.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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