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Kleingärten in Potsdam: Enteignungen in „Klein Sanssouci“

Die Stadt Potsdam will die Rechte von Kleingärtnern der Anlage "Klein Sanssouci" gegen den Eigentümer durchsetzen, damit sie dauerhaft dort bleiben können – ein bundesweiter Präzedenzfall.

Von Peer Straube

Potsdam - Nach den Konflikten um die Uferwege am Griebnitzsee und am Groß Glienicker See zieht die Stadt abermals vor die Enteignungsbehörde des Landesinnenministeriums: Dieses Mal, um von Räumung bedrohten Kleingärtnern zu helfen. Mit dem Schritt soll der Eigentümer eines Grundstücks in der Lennéstraße, auf dem sich 19 Kleingärten befinden, zur Einhaltung des gültigen Bebauungsplans gezwungen und damit den Pächtern ein dauerhaftes Bleiberecht auf ihren Parzellen gesichert werden – ein bundesweit bislang einmaliges Vorgehen.

Die betreffende Sparte „Klein Sanssouci“, die direkt an den Welterbepark Sanssouci grenzt, ist im B-Plan als Dauerkleingartenanlage festgeschrieben. Der Eigentümer hatte das Areal vor zehn Jahren bei einer Zwangsversteigerung erworben – kurz nachdem der B-Plan in Kraft trat. Seitdem klagte er sich durch die Instanzen. 2009 scheiterte er schließlich vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit dem Versuch, den B-Plan für unwirksam erklären zu lassen. Pläne, auf dem Areal Wohnungen zu bauen, waren damit gescheitert.

Eigentümer strebt Räumung an

Dass die Stadt jetzt tätig wird, ist die Folge eines weiteren Urteils. 2013 habe der Eigentümer höchstrichterlich feststellen lassen, dass die Pachtverträge, die die Nutzer der Parzellen mit dem Potsdamer Verband der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) geschlossen haben, nichtig sind, erklärte Stadtplanungschef Andreas Goetzmann am Mittwoch vor Journalisten. Der VGS sei nicht Rechtsnachfolger des DDR-Kleingartenverbandes, daher seien auch die aus dieser Zeit übernommenen Verträge unwirksam. Auf der Basis dieses Urteils habe der Eigentümer versucht, eine höhere Pacht durchzusetzen: Statt der für Kleingärten üblichen zehn Cent pro Quadratmeter sollten die Nutzer künftig 1,70 Euro zahlen, die Pacht für Erholungsgärten. Weil diese die Forderung ablehnen, strebe der Eigentümer nun die Räumung an. Die Umwandlung des Areals in Erholungsgärten aber sei rechtswidrig, so Goetzmann. Die Enteignungsbehörde solle daher auf der Grundlage des Bundeskleingartengesetzes die Pächter wieder in ihre Rechte einsetzen – zu den alten Konditionen.

Bundesweit betritt Potsdam mit einem solchen Verfahren Neuland. Bislang habe es erst einmal einen ähnlichen Fall gegeben – in Bayern, sagte Erik Wolfram, Bereichsleiter Stadterneuerung. Dort habe der betreffende Eigentümer aber vor Verfahrensbeginn freiwillig eingelenkt. Das könnte auch der Besitzer des Potsdamer Grundstücks tun, so Goetzmann. Das Ergebnis bliebe aber dasselbe. Denn enteignet würde nicht das Grundstück, sondern nur das Recht darüber, mit dem Areal nach eigenem Gutdünken zu verfahren. Die Enteignungsbehörde würde dem Eigentümer diktieren, mit welchen Pächtern er zu welchen Bedingungen einen Vertrag schließen muss.

Weitere Klagen befürchtet

Obwohl dieser Fall juristisch klar zu sein scheint, sieht man im Rathaus die Entwicklung mit Sorge. Denn auch im Fall der Babelsberger Kleingartensparte „Glienicker Winkel“ haben klagende Eigentümer jetzt Recht bekommen: Auch dort seien die Pachtverträge mit dem VGS nichtig, weil das Gericht die Übernahme der aus DDR-Zeiten stammenden Verträge nicht anerkannte. Im Rathaus befürchtet man weitere Klagen solcher Art. „Mit diesem Problem werden wir uns auseinandersetzen müssen.“ Ob nun womöglich Hunderte Kleingartenpächter um ihre Parzellen fürchten müssen, ist unklar. Rund 242 Hektar Kleingartenland gibt es in Potsdam. Bei mehr als der Hälfte – 55 Prozent – gibt es mehr als einen Eigentümer, etwa die Stadt und einen oder mehrere Private. 15 Prozent gehören allein der Stadt. Doch 30 Prozent, das entspricht 72 Hektar, sind in rein privater Hand.

Beim VGS wiegelt man ab. Zwar halte er weitere Verfahren für möglich, sagte VGS-Geschäftsführer Friedrich Niehaus den PNN. Die meisten Verträge habe der Verband nach der Wende aber mit den jeweiligen Eigentümern neu geschlossen und nicht als Übernahme alter DDR-Verträge weitergeführt. Sorgen macht sich Niehaus dennoch: Der Druck auf dem Wohnungsmarkt wecke Begehrlichkeiten bei Grundstückseigentümern. Als Beispiel nannte er die Sparten „Angergrund“ und „Süd-West“ am Horstweg, für die neue Eigentümer wie berichtet Pläne für Wohnungsbau hegen. Um solche Flächen dauerhaft als Kleingartenanlagen zu sichern, bedürfe es klarer Beschlüsse der Stadtpolitik, forderte Niehaus.

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