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Kinderbetreuung in Potsdam: Wechsel in den "eingeschränkten Regelbetrieb"

Ab Montag sollen in Potsdam wieder deutlich mehr Kinder in den Kitas betreut werden. Doch einen echten Plan für die Ausweitung des Betriebs gibt es nicht.

Potsdam - Am Montag wechseln die Kindertagesstätten in Potsdam in den „eingeschränkten Regelbetrieb”. Das bedeutet, dass alle Kinder mit Anspruch auf einen Betreuungsplatz nun wieder betreut werden sollen. Gleichzeitig sollen aber die bestehenden Hygieneregeln weiter eingehalten. Wie das in der Praxis funktionieren könnte, weiß noch niemand so genau. Die Stadt lässt den Trägern im Prinzip freie Hand. Allerdings wurde die neue Regelung unmittelbar vor Himmelfahrt verkündet. Durch Brückentag und Wochenende war also kaum Gelegenheit zur Vorbereitung. Kann das klappen?

„Wir sind jetzt schon über dem Limit”, sagt die Erzieherin Karla Röttgen, die in einer Potsdamer Kita arbeitet. Eigentlich heißt sie anders, möchte aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Mehr als die Hälfte der Kinder werde schon jetzt wieder in ihrer Einrichtung betreut, im Rahmen der Notbetreuung. Wenn nun der Rest auch zurückkomme, sei es gar nicht möglich, die Verordnungen einzuhalten.

Waschräume versetzt nutzen

Laut aktuellem Hygieneplan müssen die Kinder auch weiterhin in streng voneinander getrennten Gruppen betreut werden. In einem Raum darf sich nur eine Gruppe aufhalten. Gemeinsame Waschräume dürfen nur zeitlich versetzt genutzt werden. Damit sei das Personal schon jetzt voll ausgelastet, sagt Röttgen. Wie sie da noch weitere Kinder unterbringen soll, weiß sie nicht. Sie hoffe, dass am Montag nicht zu viele Eltern und Kinder vor der Tür stehen werden. Denn im Zweifelsfall müsse sie die wegschicken und auf den Träger verweisen. „Die Ideen, die von oben kommen, sind in der Praxis überhaupt nicht umsetzbar.”

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Annett Backhaus wird ihre Tochter am Montag nicht in die Kita bringen. Die Kitaleitung habe ihr bereits gesagt, dass sie sich nicht allzu große Hoffnungen zu machen brauche, sagt sie. Backhaus kann aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten, betreut ihr Kind allein zu Haus. „Ich weiß schon nicht mehr, wie ich meiner Tochter gerecht werden kann. Wir sind rund um die Uhr zusammen. Das nagt natürlich an der Substanz.” In der Situation fühlt sie sich zwar allein gelassen, aber die Kita trifft ihrer Ansicht nach keine Schuld. „Ich glaub, die wissen selbst nicht so richtig, was los ist.”

"Eingegangen wie eine Primel"

Auch Holger Höftmann betreut eine sechsjährige Tochter zu Hause. Anfangs habe es ihre noch Spaß gemacht, aber mittlerweile sei sie oft traurig. „Sie ist eingegangen wie eine Primel”, sagt Höftmann. Die Spielgefährten fehlten, und die Abwechslung. Die Kita könne jedoch momentan keine weiteren Plätze anbieten. Dafür hat Höftmann sogar Verständnis. „Ich hätte mir aber etwas mehr Flexibilität gewünscht”, sagt er, zum Beispiel eine Betreuung wenigstens an einem Wochentag „für ein paar Stunden”.

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Wissen die Kitas denn überhaupt, wie sie den neuen Betrieb organisieren sollen? „Unsere Einrichtungen haben einen ungefähren Plan”, sagt Angela Schweers, Chefin des Bezirksverband Potsdam der Arbeiterwohlfahrt (Awo). „Wir versuchen, die bestehenden Gruppen zusammenzuhalten und für die neu hinzukommenden Kinder neue Gruppen zu bilden.” Denn jede Einrichtung habe unterschiedliche Raumgrößen und Kapazitäten. Es müsse also vor Ort im Einzelnen geplant werden, welches Kind wie lange in der Einrichtung bleibe. Das könne aber nur mit Hilfe der Eltern gelingen.

Robert Witzschke vom Kita-Elternbeirat ist optimistisch und glaubt, dass das klappen kann. „Wir sollten den Trägern ein bis zwei Tage Zeit geben”, sagt er. Antworten auf die komplizierte Situation könne man nur vor Ort mit Einzellösungen finden, weil die Einrichtungen so unterschiedlich seien. Deshalb werde die Praxis entscheiden. „Wir werden wahrscheinlich einen Flickenteppich haben, mit guten und eher schlechten Lösungen.” Mitte der Woche möchte Witzschke Feedback einholen von den Eltern, Einrichtungen und der Verwaltung. Er hofft, dass dann die besten Vorschläge als Vorbild für die weniger gelungenen genutzt werden. „Wichtig ist, dass alle Hand in Hand arbeiten.”

Nach und nach praktikable Lösungen

Auch Potsdams Bildungsbeigeordnete Noosha Aubel sieht die Sache sportlich. „Man setzt darauf, dass die jeweiligen Akteure das verantwortungsbewusst umsetzen.” Das sei ähnlich wie im Einzelhandel, wo sich auch nach und nach praktikable Lösungen aus dem Betriebe ergeben hätten, ohne dass das Gesundheitsamt genaue Maßnahmen vorgeschrieben habe. „Uns allen ist ohnehin bewusst, dass sich die Regelungen auch ganz schnell wieder ändern können.” Schließlich könne niemand den weiteren Verlauf der Pandemie vorhersehen.

Potsdams Bildungsbeigeordnete Noosha Aubel.
Potsdams Bildungsbeigeordnete Noosha Aubel.

© Andreas Klaer

„Wir sind hier im Spagat”, sagt Aubel. Einerseits wolle man so viele Kindern wie möglich wieder mit ihren Spielkameraden zusammenbringen und die Eltern entlasten. Andererseits müssten weiterhin Infektionen vermieden werden. „Inzwischen hatten wir aber auch den Erkenntnisgewinn: Das Infektionsgeschehen spielt sich nicht unbedingt in Kitas ab.” Da müsse man nun den „Versuch” einer schrittweisen Öffnung wagen. Doch dieser Versuch beginnt nicht überall gleichzeitig. In der Mittelmark startet der eingeschränkte Regelbetrieb erst nach Pfingsten.

„Auch wir als Kita-Team möchten gern wieder normal arbeiten können“, sagt die Erzieherin Röttgen. Im Moment plane man nun einmal von einer Minute zur nächsten, damit habe sie sich bereits abgefunden. „Bloß nicht irre machen“, sei das Motto der Stunde an ihrem Arbeitsplatz. Röttgen wünscht sich aber auch, dass die Erzieher bei der Öffnungsdebatte nicht vergessen werden – und wünscht sich Anerkennung. „Wir werden, wie immer, als selbstverständlich angesehen.“

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