zum Hauptinhalt
In Potsdam fehlen Sozialwohnungen. Die Suche nach wirkungsvollen Gegenmaßnahmen ist mühsam. 

© A. Klaer (Symbolfoto)

Kampf gegen steigende Mieten: Zu wenig Sozialwohnungen in Potsdam: Politik will Baulandmodell verschärfen

Die Stadtpolitik will das Potsdamer Baulandmodell verschärfen, damit mehr Sozialwohnungen gebaut werden. Ein Wahlkampfschlager mit kleiner Wirkung. 

Ein verbindlicher Anteil von 30 Prozent Sozialwohnungen für neue Bauprojekte in Potsdam: Diese Forderung erheben gleich mehrere Kandidaten im aktuellen Oberbürgermeisterwahlkampf. Und die Fraktionen von SPD und CDU/ANW haben bereits für die heutige Sitzung der Stadtverordnetenversammlung einen gemeinsamen Antrag eingebracht, dass sogenannte Potsdamer Baulandmodell entsprechend zu verschärfen – bisher soll ein Anteil von 20 Prozent gelten.

Doch nach PNN-Recherchen ist diese Regel bisher vergleichsweise wirkungsarm geblieben. Denn der 20-Prozent-Anteil wird schon jetzt bis auf Einzelfälle nicht erreicht. Stadtsprecherin Christine Homann räumte auf PNN-Anfrage ein, bei allen bisherigen privaten Planverfahren sei nur ein Anteil von zehn Prozent Sozialwohnungen oder weniger erreicht worden. Nur bei einem Bauprojekt der kommunalen Bauholding Pro Potsdam sei der erhoffte Anteil erreicht worden, hieß es. Im Klartext: Die geplante Erhöhung auf die 30-Prozent-Wunschquote würde wirkungslos bleiben.

Zurück zum Anfang: Die „Richtlinie zur sozialgerechten Baulandentwicklung in der Landeshauptstadt Potsdam“, das sogenannte Potsdamer Baulandmodell, findet seit Januar 2017 in allen Planverfahren Anwendung, die neuen Wohnungsbau ermöglichen. Sozialdezernent Mike Schubert stellte es damals der Presse vor und Oberbürgermeister Jann Jakobs (beide SPD) warb: „Die Richtlinie kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Versorgung der Potsdamer Haushalte mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum zu sichern.“ Schon zuvor waren Investoren verpflichtet worden, sich an Kita- und Grundschulplätzen finanziell zu beteiligen. Knapp drei Millionen Euro hat die Stadt so schon einnehmen können, eine Million Euro mehr ist in Aussicht gestellt – Geld für mehr als 100 Kita- und Grundschulplätze.

Die Bilanz fällt zwiespältig aus

Doch die Bilanz für die Sozialwohnungen fällt zwiespältig aus. In einem gerade abgeschlossenen Planverfahren sei laut Stadtsprecherin Homann etwa eine Verpflichtung zum sozialen Wohnungsbau im Umfang von etwa zehn Prozent der Wohnfläche des Vorhabens vertraglich vereinbart worden – de facto bedeutet das 13 Wohnungen bei einem finanziellen Gegenwert von 1,5 Millionen Euro. In Anlehnung an das Baulandmodell seien in zwei weiteren Planverfahren jeweils acht Prozent und – bei besagtem Projekt der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Pro Potsdam – sogar die erhofften 20 Prozent sozialer Wohnungsbau ermöglicht worden, was insgesamt 147 Wohnungen entspricht. „Erhebliche Mengen mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraums“ würden aktuell nur bei einem weiteren, sich noch in der Frühphase befindlichen Verfahren erwartet. Dabei aber ebenfalls nur bei acht Prozent der Wohnfläche, was rund 30 Sozialwohnungen entspricht.

Doch warum werden die erhofften 20 Prozent Sozialwohnungen in der Praxis kaum erreicht? Rathaussprecherin Homann sagte, der limitierende Faktor bei der Umsetzung des Baulandmodells sei die im Potsdamer Stadtgebiet noch relativ geringe Bodenwertentwicklung durch den sogenannten „Planungsgewinn“. Dieser ergibt sich für die Investoren aus der Differenz des Bodenwerts vor und nach einer Bauplanung und wird als Maßstab für die Wertentwicklung eines Vorhabens betrachtet. Über diese festgestellte Wertsteigerung darf die Stadt nach geltender Rechtsprechung nur in einem wirtschaftlich „angemessenem Umfang“ die Investoren für Verpflichtungen wie Zahlungen für Infrastruktur oder den Bau von Sozialwohnungen in die Pflicht nehmen. Die Geldgeber müssen demnach mindestens ein Drittel Gewinn machen dürfen. Potsdam orientiert sich bei seinem Vorgehen an München. Dort und auch im benachbarten Berlin sei die Bodenwertentwicklung aber deutlich höher, hieß es weiter.

Was unterschätzt wird

Die Stadtsprecherin erklärte, dass in der öffentlichen Diskussion für mehr Mietpreis- und Belegungsbindung regelmäßig unterschätzt werde, dass die Stadt die finanzielle Belastung der Investoren durch 20 Jahre reduzierte Mieteinnahmen in Sozialwohnungen berücksichtigen müsse. Selbst bei Inanspruchnahme der Landeswohnungsbauförderung würden sich nach überschlägiger Ermittlung die Einbußen je mittlerer Sozialwohnung auf etwa 67 000 Euro belaufen.

Ferner sagte Homann, ein Zugriff auf die Erlöse der Investoren aus dem Abverkauf von Eigentumswohnungen oder künftigen Mieteinnahmen sei mit dem derzeit vorhandenen Instrumentarium des Baulandmodells nicht möglich – „wenngleich uns natürlich bewusst ist, dass die Bodenentwicklung nicht die volle Wertentwicklung eines Vorhabens abbildet“. In vielen Städten, Potsdam eingeschlossen, werde derzeit nach einer rechtlich tragfähigen Antwort auf diese Beobachtung gesucht.

In Summe führe dies dazu, dass bei der Angemessenheitsprüfung für Bauprojekte in „nahezu allen Fällen“ die Forderungen des Potsdamer Baulandmodells – also etwa die Kostenbeteiligung an der sozialen Infrastruktur oder der Planung sowie eben die Verpflichtung zum sozialen Wohnungsbau – in verschiedenem Umfang „auf ein verträgliches Maß gekappt“ werden müssten, so Homann – bis hin zum Wegfall des sozialen Wohnungsbaus. Kurz gesagt: Selbst wenn heute der SPD/CDU-Antrag für 30 Prozent Sozialwohnungen beschlossen würde – mehr Sozialwohnungen könnten dadurch nicht entstehen, obgleich sie dringend nötig wären.

Zur Startseite