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Im Zivildienst entdeckte Thomas Dahl seine Leidenschaft für alte Puppen. Später gründete er eine Puppenklinik.

© Andreas Klaer

Käthe Kruse Puppen: Bonner Puppendoktor zu Gast in Potsdam

Der Bonner Thomas Dahl hat sich auf Käthe-Kruse-Puppen spezialisiert. Jetzt kam er nach Potsdam und begutachtete in der Urania, welche Schätze Besucher mitbrachten. 

Potsdam - Das Handwerkszeug von Thomas Dahl passt auf Reisen in eine Kiste, die etwas größer ist als ein Aktenordner. Vielleicht das wichtigste Utensil darin ist eine Blaulicht-Taschenlampe, wie sie auch Restauratoren verwenden, denn damit kann man sehen, ob die feinen Gesichter übermalt wurden. Damit leuchtet der Bonner Puppendoktor „Ilsebill“ ins Gesicht, die ihm eine ältere Dame am Sonntagmittag vorlegt. 

Er soll schätzen, welchen Wert die Puppe hat. Eingeladen hat ihn die Traditions-Spielzeugfirma Käthe Kruse, die am Wochenende eine Verkaufsausstellung in der Urania aufbaute. Dahl gratuliert zum glänzenden Zustand des Exemplars aus dem Jahr 1927. Der Wert von Ilsebill: rund 1000 Euro.

"Aber verkaufen würde ich sie nie"

Rosemarie Schmiedgen und ihr Mann sind früh aufgestanden, um ihre beiden Schätze dem Fachmann vorzulegen. Sie kommen aus Freital bei Dresden. Die elegante Dame erzählt, ihre Schwester habe ihr eine Puppe, einen kleinen Jungen, die aus dem gemeinsamen Erbe stammt, zu Weihnachten geschenkt. „Aber verkaufen würde ich sie nie! Wir haben schon ausgemacht, dass sie meine Nichte zurückbekommt, wenn ich einmal nicht mehr bin“, sagt sie ernsthaft. Denn mit kostbarem Spielzeug sei sie aufgewachsen, „dafür haben meine Großeltern gesorgt.“

Vor allem ältere Damen ließen ihre wertvollen Puppen schätzen.
Vor allem ältere Damen ließen ihre wertvollen Puppen schätzen.

© Andreas Klaer

Der Junge mit dem Trachtenanzug und dem typisch-ernsthaften Gesicht stammt aus dem Jahr 1929. Käthe Kruse hat ihn ihrem eigenen Sohn Friedemann nachempfunden; er heißt auch so. Und „Ilsebill“, die Rosemarie Schmiedgen über E-Bay dazu gekauft hat, war von Anfang an seine Freundin. Die Reihe hieß „Das deutsche Kind“.

Eigentlich wollte Käthe Kruse keine Spielzeugmacherin werden

Wenn Thomas Dahl, ein schwerer, freundlicher Mann in seinen Fünfzigern, die Geschichte streift, die hinter diesen Puppen und ihrer Produktion steckt, wird es kulturwissenschaftlich hochinteressant. „Käthe Kruse wollte eigentlich keine Spielzeugmacherin werden“, sagt er. Eigentlich wollte sie nur in Ruhe mit ihrem Mann, dem berühmten Künstler Max Kruse, zusammenleben und ihre Kinder aufziehen. Sie selbst war Schauspielerin. Und die hässlichen Puppen mochte der Vater den Kindern nicht kaufen; so griff die Schneiderstochter Käthe selbst, nach einigen Versuchen mit Kartoffelköpfen und sandgefüllten Stoffkörpern, zu Nadel und Faden. Mit einigem Erfolg: Das Kaufhaus Tietze in Berlin schrieb einen Preis aus für das schönste Spielzeug, den sie gewann. So begann Anfang der 1920er Jahre ihr weltweiter Siegeszug. Stetig wuchs die Manufaktur, doch erst die Armut im Thüringer Raum ermöglichte die bezahlbare Produktion der Künstlerpuppen: sie wurden dort für wenig Geld in Heimarbeit hergestellt.

Die Puppen waren einst Unikate

Bis in die 1950er-Jahre hinein waren die Puppen aus dem Haus Käthe Kruse Unikate, von Künstlerhand bemalt, wie Käthe Kruse es einst eingeführt hatte. Zu Beginn reisten Kunststudenten aus Berlin in den Ferien in die Werkstätten, um dort zu arbeiten. Ilsebills (wohl in Bad Kösen) fein gezeichnete Augen sprechen Bände.

Dahl kam während seines Zivildienstes per Zufall zu seiner Puppenprofession. Eine ältere Dame schenkte ihm mehrere alte Puppen - viel zu kostbar, um sie dem Neffen zu überlassen, fand er. Damit begann seine Sammelleidenschaft. Er brach sein Sozialarbeitsstudium, stieg in den Puppenhandel ein und gründete seine eigene Puppenklinik.

Doch nicht nur das Spielzeug, auch die Spielgeschichte interessiert ihn. Wie die der Potsdamerin Ingrid Lenzen. Die 67jährige hat die Puppe ihrer Mutter mitgebracht. „Schöne Kleider“, sagt Dahl. Das Mädchen mit dem Kopf aus zwei Mal gebranntem Porzellan stammt aus dem Jahr 1922. „Ich durfte immer damit spielen“, sagt die Besitzerin. „Aber Ihre Mutter wahrscheinlich nicht“, vermutet Dahl. „Das durften die Kinder üblicherweise nur unter Aufsicht am Sonntagmittag, weil sie so kostbar und zerbrechlich waren. Und Sie selbst durften damit spielen, weil Ihre Mutter das nicht durfte.“

Restauratorische Meisterleistungen

Die Kleider hat übrigens eine Dame detailverliebt nachgeschneidert, die bis zur Wende auf dem Bassinplatz regelmäßig ihre Dienste als Puppendoktorin anbot. Wie Dahl, der in seinem Geschäft in Bonn restauratorische Meisterleistungen vollbringt, „die sonst eher unter dem Handtuch gehalten werden“, etwa das Kleben von Porzellanköpfen.

Doch nicht nur die Puppenkinder stehen bei der Firma Käthe Kruse im Fokus: Bei einer Verkaufsausstellung gibt es auch immer Lose für einen guten Zweck zu kaufen; Hauptgewinn ist eine Sammlerpuppe im Wert von 500 Euro. Den Erlös erhält jeweils die Kinderkrebshilfe des Ortes. Die Leiterin des Potsdamer Vereins Kinderkrebshilfe, Karin Lübben, freut sich darüber. Derzeit wird Geld gebraucht für ein Zirkusprojekt mit trauernden Geschwisterkindern.

Stefanie Schuster

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