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Vor der Kirche St. Peter und Paul wurde den Verstorbenen gedacht.

© Andreas Klaer

„Jetzt also auch bei uns in Potsdam?“: Gedenkort für Opfer der Pandemie eingeweiht

Am Mittwoch wurde in Potsdam im Beisein von Oberbürgermeister Mike Schubert der neue Gedenkort an der St. Peter- und Paul-Kirche eingeweiht. Pfarrer Elmer-Herzig legte ein Schuldbekenntnis ab.

Von Carsten Holm

Potsdam - Es war ein Moment des Innehaltens: Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), aber auch Konrad Elmer-Herzig, bis 2014 Pfarrer der Erlöserkirche, haben sich während der Einweihung des neuen Gedenkorts für die Corona-Toten selbstkritisch mit ihrer Rolle während der Pandemie auseinandergesetzt. Bisher wurde der Verstorbenen sonntags auf dem Alten Markt gedacht, nun soll es an jedem Sonntag vor und in der katholischen Kirche am Bassinplatz stattfinden

Die Potsdamer Linguistik-Professoren Gisbert Fanselow und Manfred Stede hatten das Gedenken gemeinsam mit dem Chefarzt der Havelland-Kliniken, Matthias Ingenlath, initiiert und nun, wie berichtet, an den neuen Ort verlegt. Die Kirchengemeinden der Stadt unterstützen dies, das Gedenken soll überkonfessionell und offen für alle Bürger sein. Das Treffen fand unter Polizeischutz statt, es tauchte aber nur ein bekennender Corona-Leugner mit einem Schild auf, auf dem „Corona – Das Thema 2020 – ein Fake” zu lesen war. Er verschwand nach ein paar Minuten. 

Schubert: „Jetzt also auch bei uns in Potsdam?“

Schubert erzählte vom Abend des 26. März, als der erste Potsdamer an Corona gestorben war: „Meine Gedanken waren bei den Angehörigen, aber auch bei der bangen Frage: Jetzt also auch bei uns in Potsdam?” Bis heute frage er sich: „Was hätten wir, was hätte ich noch besser machen müssen, um den Tod von Menschen zu verhindern?” Schubert zog einen Bogen vom Ausbruch im Klinikum „Ernst von Bergmann“ mit mehr als 40 Corona- Toten bis zu den mehr als 200 bisherigen weiteren Potsdamer Opfern der Pandemie. 

Auch Oberbürgermeister Mike Schubert verlieh seiner Trauer Ausdruck.
Auch Oberbürgermeister Mike Schubert verlieh seiner Trauer Ausdruck.

© Andreas Klaer

Irgendwann, so der Oberbürgermeister, sei „der Tod für die Familien und Angehörigen real” gewesen, „für die Gesellschaft aber abstrakter” geworden. Diesen Prozess „halten wir heute gemeinsam auf, die Zahl der Toten muss ein menschliches Antlitz behalten”. 

Bemerkenswert offener Eintrag

In der Kirche lag ein Buch aus, in dem sich Besucher eintragen können. „Jahre länger hätte jeder Corona-Tote noch leben können”, schrieb etwa Pete Heuer (SPD), Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung. „Ihr wart wichtig bis zum Tod und bleibt es darüber hinaus”, hielt Beate Kruczek vom Hospiz-und Palliativberatungsdienst der Hoffbauerstiftung fest. 

Im Gedenken an die Verstorbenen stellten Trauernde Kerzen auf.
Im Gedenken an die Verstorbenen stellten Trauernde Kerzen auf.

© Andreas Klaer

Bemerkenswert offen war der Eintrag von Konrad Elmer-Herzig: „Als Vorsitzender der Hasenheyer-Stiftung bekenne ich meine Schuld, die jährlich zu vergebenden Mittel aus dem Stiftungsvermögen nicht früher für Vorsichtsmaßnahmen gegen Corona-Infektionen eingesetzt zu haben.” Er bezog sich auf einen Corona-Ausbruch im Januar, bei dem im Seniorenheim Hasenheyer-Stift, das von der Lafim-Diakonie betrieben wird, mehr als ein Dutzend Bewohner verstarben. 

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Was den Pfarrer belastet

Im Gespräch mit den PNN erzählte er, was ihn belastet. Von den Zinsen des Stiftungsvermögens, so Elmer-Herzig, würden während der sonst im Frühjahr stattfindenden jährlichen Sitzung der Stiftung stets Investitionswünsche der Heimleitung erfüllt. Wegen Corona sei sie mehrfach verschoben worden. Er sei im Oktober gerade zum Vorsitzenden gewählt gewesen und habe gefragt, welche Anschaffungen wegen der Pandemie anzuraten seien. 

Man habe umgehend beschlossen, „alles zu kaufen, was sinnvoll ist”: CO2-Ampeln und Klimageräte, die auch Viren filtern. Das Problem: Die Geräte seien erst im Januar lieferbar gewesen. „Und da hatten wir dann schon diesen furchtbaren Ausbruch mit so vielen Toten”, sagte der Seelsorger. Er werfe sich „bis heute vor, dass ich erst im Herbst auf die Idee kam, danach zu fragen, was die Infektionssicherheit verbessern könnte. Hätte ich das eher getan, wären Menschenleben vielleicht gerettet worden.”

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