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Philipp Oswalt.

© picture alliance/dpa

Interview zur Garnisonkirche: „Wir wollen dem etwas entgegensetzen“

Der Architekt Philipp Oswalt spricht im Interview über die Absicht von Garnisonkirchen-Kritikern, neben dem Turm einen eigenen Lernort zu etablieren.

Potsdam - Herr Oswalt, zusammen mit der Martin-Niemöller-Stiftung und der Universität Kassel wollen Sie nun einen eigenen Lernort zum Thema Garnisonkirche etablieren, hatten dazu in den vergangenen Tagen einen Workshop in Potsdam. Was kann man sich unter so einem Lernort vorstellen?
 

Uns geht es darum, sachlich fundiert und kritisch über die verschiedenen Aspekte der Gebäudegeschichte zu informieren. Daran mangelt es leider bislang. Viele Fakten sind unbekannt, andere werden verzerrt oder falsch dargestellt.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Nun, die Problematik der Kirche begrenzt sich nicht auf den Tag von Potsdam, der natürlich immer benannt wird. Grundlegend ist hier die Verbindung von absolutistischem Staat, Kirche und Militär fatal: Dazu gehört etwa die Segnung der Kolonialkriege wie die Niederschlagung des Boxeraufstands. Die Problematik spitzt sich in der Weimarer Republik zu, da ist die Kirche das Sammelbecken und der Symbolort der rechtsradikalen, antirepublikanischen Kräfte. All dies wird nicht wahrgenommen.

Wo soll der Lernort rein räumlich stehen?

In unmittelbarer Nähe zum Standort der Garnisonkirche, im Rechenzentrum und im öffentlichen Raum. Hierfür müssen wir die Zustimmung der jeweiligen Eigentümer gewinnen. Dies wollen wir im neuen Jahr angehen.

Geht es noch genauer?

Ich meine auch den Bürgersteig vor dem Rechenzentrum. Hier steht seit vielen Jahren der Nachbau der Turmspitze der Garnisonkirche. Dem würden wir gerne etwas entgegensetzen.

Und wie soll das aussehen?

Das entwickeln wir gerade. Im Frühjahr sollen die Ideen umgesetzt werden, eine kleine Startfinanzierung gibt es von der Niemöller-Stiftung.

Die Garnisonkirchturm-Baustelle.
Die Garnisonkirchturm-Baustelle.

© Varvara Smirnova

Was ist im Internet geplant?

Wir haben die Domain www.lernort-garnisonkirche.de gekauft und wollen diese zu einem Informationsportal entwickeln, wo man sich zu den verschiedenen Aspekten der Geschichte des Ortes sachlich fundiert informieren kann.

Warum ist so ein Lernort nötig – die Stiftung Garnisonkirche will doch einen Lernort in ihrem künftigen Turm etablieren?

Die Stiftung verfügt über 35 Millionen Euro, aber diese werden nahezu ausschließlich dazu verwendet, ein Symbol zu bauen. Das Thema Lernort ist dabei leider eine Nebensache. Die inhaltliche Arbeit ist zudem stark davon geprägt, das eigene Vorgehen zu legitimieren und ist daher nicht unvoreingenommen, sondern sehr tendenziös. Die Situation hat sich seit der Gründung des wissenschaftlichen Beirats inzwischen verbessert. Aber zum Beispiel die Ausstellung in der Nagelkreuzkapelle entspricht bis heute nicht dem Forschungsstand, blendet vieles Wichtige aus und ist zum Teil auch irreführend und sachlich falsch.

Haben Sie bei der Stiftung nachgefragt, ob diese mit Ihnen zusammenarbeiten will?

Vor drei Jahren haben Stiftung und Kirche meinen Bemühungen um Dialog und Gespräch noch eine Absage erteilt. Seit einem offenen Brief vom August letzten Jahres gibt es eine Gesprächsbereitschaft, es gab schon gute Gespräche. Unsere Sichten auf die Kirchengeschichte sind jedoch recht unterschiedlich. Insofern versteht sich unser Lernort komplementär zum Angebot der Stiftung.

Sie lassen auch zwei Lehrveranstaltungen an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und der Universität Potsdam stattfinden: Was genau passiert dort?

Diese laufen seit Oktober. Die Designstudierenden aus Berlin-Weißensee entwickeln gestalterische Ideen für den besagten Lernort, während hier Studierende inhaltlich zur Garnisonkirche recherchieren – etwa zur Barockarchitektur.

Derzeit ist die gesamte Debatte in einer besonders wichtigen Phase. Wie beurteilen Sie die aktuellen Bemühungen von Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zur Lösung des Konflikts?

Der Bau des Kirchturms ist bislang nicht ausfinanziert, weder im Bau, noch im Betrieb. Auch inhaltlich sind viele Fragen noch ungeklärt und in Diskussion. In einer solcher Situation das Projekt mit der Idee einer Jugendbegegnungsstätte zu erweitern und zu beschleunigen, erscheint mir wenig ratsam. Bislang sollte ein Bau im Bereich des Kirchenschiffs künftigen Generationen vorbehalten bleiben. Ich finde es keine gute Idee, dies zum jetzigen Zeitpunkt infrage zu stellen. Eine historische Rekonstruktion in diesem Bereich schließen die Beschlüsse der evangelischen Kirche ohnehin aus.

Wäre für Sie denn eine Kompromisslösung denkbar – mit historischem Turm und einem Rechenzentrum als Quasi-Kirchenschiff, wie es zum Beispiel der Potsdamer Historiker Martin Sabrow vorschlägt?

Wenn es darum geht, Geschichte erlebbar zu machen, ist dies für mich der einzig sinnvolle Vorschlag. Eine solche Gegenüberstellung würde etwas Signifikantes zum Ausdruck bringen und auch verschiedene Lesarten erlauben. Was die Garnisonkirche betrifft, habe ich mich mit dem Umstand abgefunden, dass der Turmbau als solcher entsteht. Zugleich ist es mir wesentlich, über seine äußere Gestalt und seine Nutzung zu ringen. Mir ist nicht nachvollziehbar, warum wir den Waffenschmuck an dem Bauwerk heute wieder anbringen sollten. Hier bestünde die Chance, einer Geste der Versöhnung einen gestalterischen Ausdruck zu geben, der auch von außen sichtbar ist.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Mein Kollege Steffen Schuhmann …

… Professor für Visuelle Kommunikation der Kunsthochschule Berlin-Weißensee …

… hat beim Workshop vorgeschlagen, die von uns einst bekämpften Länder und Völker – Franzosen, Chinesen, Herero, Nama und viele andere – einzuladen, einen neuen Bauschmuck für die Garnisonkirche zu gestalten. Dies ist meines Erachtens eine sehr gute Idee.

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