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Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD)

© Ottmar Winter

Interview | Mike Schubert: „Ich will Politik im Dialog, kein Basta“

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert über sein erstes Jahr im Amt, die Verzögerungen beim Vorzeigeprojekt Krampnitz, den schwierigen Verwaltungsumbau und das Dauerstreitthema Garnisonkirche.

Von
  • Matthias Matern
  • Peer Straube

Herr Schubert, das erste Jahr als Oberbürgermeister von Potsdam liegt hinter Ihnen. Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie zufrieden sind Sie mit sich?
Oh ... in einer solchen Zahlenskala habe ich das Jahr gar nicht betrachtet. Wenn ich sehe, was wir in dieser Zeit schon alles geschafft und angeschoben haben, dann war es ein solider Start.

In der Tat schien es zunächst ja, als gelänge Ihnen alles. Sie konnten sich als Retter des Minsk feiern, das Sie Hasso Plattner als Sitz für seine DDR-Kunstsammlung schmackhaft gemacht haben, Sie haben die Bürgerbeteiligung spürbar verbessert, selbst der politische Gegner zollte Ihrem Anspruch, sich kompromissbereit und offen gegenüber anderen Meinungen zu zeigen, Respekt. Doch inzwischen weht der Wind rauer.
Ich habe von Beginn an gesagt, dass ich etwas anpacken will, aber man für dieses Amt die Demut braucht, dass nicht alles sofort und gleich funktioniert. Manche Dinge müssen ausdiskutiert werden und das braucht auch mal Zeit. Das ist aber ganz normal. Auseinandersetzungen gehören zu einer lebendigen Demokratie dazu. Ich hatte nicht die Erwartung, dass alle meine Vorschläge widerspruchslos durchgewinkt werden, sondern ich verstehe sie als Diskussionsgrundlage. Dennoch hat mich die eine oder andere Reaktion auch nach 20 Jahren Politik in Potsdam überrascht.

Welche zum Beispiel?
Ich meine das ganz generell. Wenn ich einen Vorschlag gemacht habe, wurde der von vielen bereits als Endergebnis gewertet. Ein Vorschlag, auch wenn er von einem Amtsträger kommt, ist für mich in der Demokratie naturgemäß der Beginn einer Diskussion, an deren Ende aber erst eine Entscheidung durch die Mehrheit steht. Ich will Politik im Dialog und kein Basta.

Man darf aber schon davon ausgehen, dass ein Oberbürgermeister nicht irgendetwas anregt, um anschließend damit krachend zu scheitern.
Scheitern will ich genauso wenig wie nur anregen, sondern ich arbeite das Programm und die Inhalte ab, für die ich gewählt wurde. Früher sind aber auch nicht alle Ideen des Oberbürgermeisters realisiert worden, sonst gäbe zum Beispiel das Mercure nicht mehr und ein Schwimmbad im Norden statt am Brauhausberg. Es wird ja über die Unterschiede in der Amtsführung zwischen mir und meinem Vorgänger Jann Jakobs diskutiert. Einer ist vielleicht, dass ich glaube, dass gerade die Verwaltung und ich an ihrer Spitze in der Diskussion eigener Anträge und Vorschläge zu Kompromissen bereit sein muss. Wir sollten an einem mehrheitsfähigen Konsens aktiv mitarbeiten. Man muss sich manche Änderungen nicht von den Stadtverordneten abringen lassen.

Mike Schubert (SPD) im Gespräch mit den PNN-Redakteuren Peer Straube und Matthias Matern (vorne, v.l.).PNN
Mike Schubert (SPD) im Gespräch mit den PNN-Redakteuren Peer Straube und Matthias Matern (vorne, v.l.).PNN

© Ottmar Winter

Im Moment hat man das Gefühl, Ihre Vorschläge heizten die Streitlust der Stadtpolitik und der Stadtgesellschaft eher noch an. Und die Probleme prasseln gerade von allen Seiten auf Sie ein: Verzögerungen in Krampnitz, der wieder heftiger gewordene Streit um die Garnisonkirche, anhaltende Personalnot im Rathaus, unzufriedene Mitarbeiter … die Liste ist lang. Was macht Ihnen am meisten Kummer?
Kummer ist zu viel gesagt. Wir sind bei vielem auf einem guten Weg. Schwer bis unmöglich erfüllbar ist eigentlich nur die Erwartungshaltung mancher, dass alle Aufgaben im ersten Jahr gelöst sind, obwohl jeder weiß, dass dies nicht geht. Bei vielen Dingen ging es aber zunächst um eine Bestandsaufnahme. Krampnitz ist dafür ein gutes Beispiel.

Unter Ihrem Vorgänger war Krampnitz stets ein Vorzeigeprojekt. Zunächst sollten 3500 Menschen dort wohnen, dann 6000, schließlich sogar 10.000.
Krampnitz kann ein Vorzeigeprojekt werden. Aber ein Projekt wird nicht dadurch zum Vorzeigeprojekt, dass es immer größer wird – sondern dadurch, dass es die Erwartungen erfüllt und gut gemacht ist. Seit dem früheren Baubeigeordneten Matthias Klipp wurden aber alle kritischen Stimmen insbesondere zur Verkehrserschließung so gewertet, als ob man gegen das Projekt sei. Ich stehe hinter Krampnitz, habe aber schon vor meiner Wahl klar und deutlich gesagt, dass erst die Verkehrserschließung geklärt sein muss, bevor dort Menschen in so großer Zahl leben können.

So war es ja auch geplant und so wurde es von den Verantwortlichen stets kommuniziert. Krampnitz soll ein autoarmes Viertel werden, was angesichts der bislang eher schlechten Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ambitioniert genug ist. Daher sollte die Straßenbahn ja auch 2025 fertig werden …
was sie nach Prüfung des Planungsstandes nicht wird. Ich habe aber einen Planungsstand vorgefunden, der dies nicht ermöglicht hat. In fünf Jahren eine Straßenbahnstrecke mit zwei Brücken, noch ohne Planfeststellungsverfahren und noch ungeklärten Eigentumsfragen bauen, schien mir als Laie zu optimistisch. Dann waren Verantwortlichkeiten nicht klar geregelt, zum Beispiel waren Planungskosten und Baukosten nicht vollständig im Haushalt geplant. Deshalb war es nötig zuerst klare Strukturen und Verantwortlichkeiten zu schaffen und nun muss gearbeitet werden. Der Beigeordnete Bernd Rubelt, der jetzt die Projektverantwortung für alle Maßnahmen in Krampnitz trägt, geht davon aus, dass sich das ganze Tram-Projekt um vier Jahre verzögert.

Wir arbeiten beim Wohnungsbau erst einmal ab, was ohnehin angeschoben ist.

Mike Schubert

Wie konnte es dazu kommen?
Die Gründe sind vielschichtig. Hauptgrund war, dass es in der Vergangenheit den Wunsch gab, Potsdam mit hohem Tempo weiter wachsen zu lassen ohne kritisch zu hinterfragen, welches Tempo die Stadt leisten kann. Nicht die Projekte oder das Wachstum sind falsch, sondern das Tempo, mit dem wir es realisieren wollten, passte nicht zu den Rahmenbedingungen.

Die Kehrseite ist, dass damit einer der wichtigsten Standorte für den Wohnungsneubau in Potsdam auf Jahre hinaus teilweise blockiert wird. Und nicht nur dort. Wenn Sie, wie angekündigt, auf dem ehemaligen Tramdepot in der Heinrich-Mann-Allee einen neuen Verwaltungscampus errichten lassen, kann die Pro Potsdam nicht wie geplant 750 Wohnungen bauen.
Das ist eine sehr holzschnittartige Sicht der Dinge. In Krampnitz soll bis Mitte des nächsten Jahrzehnts noch immer bezahlbarer Wohnraum für 5000 Menschen, mit Kitas und Schulen und einer guten Busanbindung entstehen. Die Wohnungen für die anderen 5000 Menschen sollen dann zu Start der Tramlinie fertig sein. Und wenn am Ende der Prüfung der Verwaltungscampus in der Heinrich-Mann-Allee entsteht, würde dieser zum großen Teil auf der dort geplanten Fläche für Bürogebäude entstehen und statt der Verwaltungsplattenbauten in der Jäger- und Hegelallee könnte zusätzlicher Wohnraum als Kompensation errichtet werden.

Diese Wohnungen könnten aber erst viele Jahre später gebaut werden, weil ja der neue Campus erst fertig sein müsste, bevor die Verwaltung den alten Standort verlassen kann. Und dann müsste man ja noch die alten Gebäude abreißen.
Wer sagt das?

Das liegt doch auf der Hand.
Man kann zum Beispiel auch Zug um Zug arbeiten. Aber ganz ehrlich: Wir diskutieren jetzt gerade mögliche Auswirkungen sehr einseitig und ohne, dass Fachleute die Machbarkeit geprüft haben. Wir brauchen aber dringend eine sachliche Debatte, die Wohnraum und gute Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung nicht gegeneinander ausspielt. Ansonsten können wir keines der Probleme lösen.

Wir können eben nicht so schnell wachsen, wie wir bislang vielleicht geglaubt und propagiert haben

Mike Schubert

Dass auch andere Standorte für einen Verwaltungscampus geprüft werden, wurde aber vom Rathaus nicht so klar kommuniziert.
In der Pressemitteilung der Stadt haben wir von der Prüfung mehrerer Standorte gesprochen, ohne einen direkt zu nennen. Das habe ich auch bei Ihnen in der Zeitung lesen können. Der Standort Heinrich-Mann-Allee ist einer der Standorte, weitere werde ich nicht nennen.

Unterm Strich bleibt als mögliche Konsequenz dennoch eine Verzögerung für die Wohnungsbaupläne. Und auch an einem dritten Standort, nämlich am Bahnhof Pirschheide, sind Sie der Pro Potsdam in die Parade gefahren. Auch dort sollte ein neues Quartier mit Hunderten Wohnungen, Schulen und Gewerbeflächen entstehen. Der Druck auf den Wohnungsmarkt wird so nicht geringer.
Ich habe Anfang des Jahres gesagt, dass die Studie, bei der der gesamte Wald zwischen MBS und Bahnhof Pirschheide gerodet wird, die Tram verlegt und das Gelände inklusive des Ruderzentrums am Seekrug mit 1000 Wohnungen bebaut wird, überdimensioniert ist. In der Pirschheide, wo uns nicht mal die Grundstücke gehören, …

... sondern hauptsächlich dem Land ...
… wollen wir gemeinsam mit den Bürgern so planen, dass es verträglich für Potsdam-West und auch den Sportpark im Luftschiffhafen wird. Es geht nicht darum, dort gar nichts zu bauen. Fest steht: Wenn das Land uns die Flächen für bezahlbaren Wohnraum veräußert, wird am Bahnhof Pirschheide entwickelt, beim Tramdepot könnten wir wegfallende Wohnungen kompensieren und in Krampnitz wollen wir Tempo aufnehmen, sobald wir eine vernünftige Nahverkehrsanbindung garantieren können. Auch hier gilt: Wir brauchen Projekte die realistisch und gut gemacht sind.

Neue Wohnungen werden jedoch langsamer gebaut und fertig als bisher.
Keines der von Ihnen angesprochenen Projekte wäre in diesem Jahr realisiert worden. In Krampnitz entstehen bis Mitte des kommenden Jahrzehnts Wohnungen für 5000 Menschen, beim Tramdepot diskutieren wir immer noch über den Bebauungsplan und in der Pirschheide sind wir nicht Eigentümer der Flächen. Wir arbeiten beim Wohnungsbau also erst einmal ab, was ohnehin angeschoben ist. Wir haben aktuell Baurecht für 8000 Wohnungen sowie Projekte wie das Bündnis Am Schlaatz von der Pro Potsdam und den Genossenschaften und den geplanten Bau von etwa 500 neuen Wohnungen durch einen Investor am Stern-Center.

Die Tramtrasse nach Krampnitz soll eine Strecke von 4,6 Kilometern umfassen.
Die Tramtrasse nach Krampnitz soll eine Strecke von 4,6 Kilometern umfassen.

© Verkehrsbetrieb Potsdam

Sie wollten zur Linderung des Drucks auf dem Wohnungsmarkt, aber auch zur Lösung von Verkehrsproblemen enger mit den Umlandgemeinden zusammenarbeiten. Wie weit sind Sie vorangekommen?
Wir sind kontinuierlich im Austausch, es gibt eine Reihe von gemeinsamen Arbeitskreisen. Wir diskutieren im kommenden Jahr gemeinsam mit den Nachbarn von Potsdam unser Stadtentwicklungskonzept. Die neu gegründete AG Berliner Umland, zu einem derer Sprecher ich gewählt wurde, will sich bei Entwicklungsfragen abstimmen und ich setze meine Hoffnungen dabei auch auf die neue Landesregierung, was die Förderung von Regionen angeht. Dann müssen wir in der Tat über die Verteilung von Flächen anders reden.

Das ist ein gutes Stichwort. Viel politischen Beifall haben Sie für Ihre Ankündigung erhalten, städtische Grundstücke nicht mehr nach Höchstgebot zu verkaufen, sondern danach, wer das beste Konzept dafür vorlegt. Dafür sollte die Bauverwaltung ein Regelwerk erarbeiten. Wann ist es fertig?
Ich hoffe, Anfang nächsten Jahres. Daran haben die Kollegen der Bauverwaltung gemeinsam mit der Sozialverwaltung mit Hochdruck gearbeitet. Nicht nur dabei ist im Übrigen unsere neue Sozialbeigeordnete Brigitte Meier mit ihren Erfahrungen aus der bisherigen Arbeit in München eine echte Bereicherung. Wir werden im ersten Quartal in die öffentliche Diskussion der Vorschläge einsteigen. Dann können wir erst über Details reden.

Sprechen wir über eines Ihrer größten Probleme: den Personalmangel im Rathaus. Trotz zusätzlich bewilligter Stellen und einer erkennbar gesteigerten Zahl von Stellenausschreibungen hat die Verwaltung jetzt kaum mehr Mitarbeiter als vor einem Jahr. Woran liegt das?
Wir mussten ja für dieses Paket einen Nachtragshaushalt beschließen, der seit fünf Monaten gilt. Erst danach konnten wir tätig werden. Inzwischen ist aber von den zusätzlichen 120 Stellen die Hälfte besetzt, weitere 20 sind aktuell ausgeschrieben. Ich finde, das sind Zahlen, die sich sehen lassen können. Natürlich sind wir da nicht am Ende. Auch im Zuge der aktuellen Haushaltsdebatte geht es um zusätzliche Stellen. Zwei Dinge müssen wir aber dringend verbessern.

Nämlich?
Wir müssen unsere Personalabteilung ebenfalls aufstocken, damit wir die Ausschreibungen auch bewältigen können. Und wir ergreifen mit dem neuen Haushalt Maßnahmen, um die Attraktivität der Stadtverwaltung als Arbeitgeber zu verbessern, beispielsweise durch das Angebot von Jobtickets für den Nahverkehr oder die Schaffung eines modernen und freundlichen Arbeitsumfelds durch Sanierungsmaßnahmen, Anschaffung neuer Büromöbel und der entsprechenden Technik. Nicht wenige Bewerber haben die Nase gerümpft, als sie die Räume im Stadthaus gesehen haben.

Wo ist denn der Personalbedarf aktuell am größten?
Sicher müssen wir im Jugendbereich nachsteuern, auch in der Ausländerbehörde und anderen Bereichen haben wir Bedarf. Ich bin froh, dass wir endlich wieder einen IT-Chef haben. Gerade in diesem Bereich, wo man auch in Potsdam überall gut bezahlte Jobs findet, hat man es als öffentlicher Arbeitgeber schwer.

Sie sprechen das Jugendamt an. Dort ist der Unmut groß, weil im neuen Jahr eine 24-Stunden-Bereitschaft für den Kinderschutz eingeführt werden soll.
Der 24-Stunden-Dienst ist eine gesetzlich geforderte und hoheitliche Aufgabe. Die Diskussionen darüber habe ich in meinen letzten Wochen als Sozialbeigeordneter noch selbst erlebt. Aber eine Kommune muss in Kinderschutzfragen rund um die Uhr erreichbar sein. Wir wollen im Jugendamt personell aufrüsten, aber 24-Stunden-Erreichbarkeit bedeuten nicht automatisch, dass man mehr Personal braucht, sondern dass man Rufbereitschaften einführt. Das bedeutet, dass fachlich zuständige Mitarbeiter reihum alle paar Monate einmal telefonisch rund um die Uhr erreichbar sind.

Die Stadt plant einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst für die Mitarbeiter im Bereich Kinderschutz.
Die Stadt plant einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst für die Mitarbeiter im Bereich Kinderschutz.

© Andreas Klaer

Die Probleme im Bildungsbereich sind groß. Seit anderthalb Jahren wird bei den Kitas mit einer illegalen Satzung gearbeitet, weil die Kosten für Gebäude und Grundstücke auf die Eltern umlegt werden – was man aber nicht darf, wie ein Gericht festgestellt hat.
Ich muss Ihrer Behauptung widersprechen, dass die Satzung illegal sei. Es gibt unterschiedliche Gerichtsurteile zu dem Thema. Zudem verfahren alle brandenburgischen Kommunen nach dem gleichen System. Handeln dann alle Kommune seit Jahren illegal, ohne dass die Fachaufsicht einschreitet? So lange das Landesinnenministerium als Aufsichtsbehörde nicht per Bescheid feststellt, dass das nicht rechtskonform ist, oder letztinstanzlich vor Gericht entschieden wurde, werden wir daran auch nichts ändern. Gut wäre, wenn das zugesagte neue Kitagesetz schnell kommt.

Gibt es Klagen betroffener Eltern gegen die geltende Satzung?
Mir sind keine bekannt. Aber noch einmal: Die Kommunen in Brandenburg handeln auch in Abstimmung mit der Rechtsauffassung im Städte- und Gemeindebund gleich und dies ist auf Landesebene lange bekannt. Wenn die Praxis der Gesetzesauslegung seit Jahren rechtswidrig wäre, hätte das Land die Möglichkeit, sie bei allen betroffenen Kommunen zu beenden. Das ist nicht geschehen, daher müssen wir in den Kommunen davon ausgehen, dass diese Satzungsteile rechtskonform sind.

Bildungsdezernentin Noosha Aubel leitet mit der Übernahme des Jugendbereichs eine Super-Behörde. Nun sollen das Dezernat evaluiert und die Organisationsstrukturen untersucht werden. Sind es womöglich zu viele Aufgaben?
Noosha Aubel leistet bei der Aufgabe, den Bildungs- und Jugendbereich zusammenzuführen gute Arbeit. Es sind auch nicht zu viele Aufgaben. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemand von einer Super-Behörde gesprochen hat, als Elona Müller-Preinesberger und danach ich den seinerzeit deutlich größeren Bereich aus Sozialem, Jugend, Ordnung und Feuerwehr mit 850 Mitarbeitenden geleitet haben. Jugend und Bildung zusammenzuführen, war lange politisch gefordert und ich finde es richtig. Ziel war, Jugend- und Bildungsarbeit, die vorher getrennt waren, besser zu verzahnen, damit die Arbeit effektiver werden kann.

Sie sprachen das große Ziel bereits an: Die Kitabedarfs- und die Schulentwicklungsplanung endlich auf einen Stand zu bringen, bei dem die Stadt dem Bevölkerungswachstum nicht immer hinterher hinkt. Wie weit sind Sie damit?
Wir kommen da gut voran. Das Planungsbüro, das die Arbeit besser verzahnen soll, hat mit dem neuen Planungschef Harald Kümmel in diesem Jahr seine Arbeit aufgenommen. Im nächsten Jahr wollen wir als Stadt bekanntlich wieder als Träger in der Kitalandschaft tätig werden – was wir laut Gesetz auch müssen, um eine Gebührensatzung erlassen zu können.

Und doch dauert es von der Planung bis zur Fertigstellung beispielsweise einer neuen Schule ewig.
Das klingt, als würde in Potsdam alles langsamer gehen, was nicht der Fall ist. Es ist der Wachstumsdruck, den wir uns zum Teil selber gemacht haben, mit dem wir nicht Schritt halten konnten – trotz gewaltiger Investitionen auch in die Bildungsinfrastruktur. Was nützen uns die ganzen neuen Wohngebiete, wenn uns das, was dazugehört – nämlich Schulen, Kitas, Nahverkehrsanbindung – nicht nur personell, sondern auch finanziell überfordert? Denn jede neue Schule, Straße, Kita, Tram bezahlt nicht der Bauinvestor, sondern die Stadt. Finanziell fahren wir seit Jahren mit unseren Investitionen am Anschlag, wie Finanzdezernent Burkhard Exner zu Recht sagt. Noch mehr noch schneller geht nicht. Und daher sage ich immer wieder: Wir können eben nicht so schnell wachsen, wie wir das bislang vielleicht geglaubt und propagiert haben, aber wir können behutsam weiterwachsen.

Sie wollen die Spaltung der Stadt überwinden. Doch nach anfänglichen Erfolgen, etwa durch die Rettung des Minsk durch Hasso Plattner, scheinen nun wieder alle in ihren Gräben zu verharren, wie das Beispiel Garnisonkirche zeigt.
So sehe ich das nicht. Bei der Garnisonkirche führen wir nun, nach vielen, vielen Jahren, die Diskussion in einer Intensität und in Richtung einer klaren Positionierung der Stadt, wie wir das längst hätten tun sollen.

Doch Ihr Vorschlag, anstelle eines Kirchenschiffs ein Jugendbildungszentrum zu bauen, scheint auch nicht geeignet, die widerstreitenden Meinungen in der Stadtpolitik zu einen.
Mein Vorschlag eines Internationalen Jugendbildungs- und Begegnungszentrums hat das Ziel, eine mehrheitliche Entscheidung herbeizuführen, von der ich glaube, dass sie eine Chance für uns wäre. Wir haben uns ein vergleichbares Zentrum in Weimar angeschaut und ich denke, dass ein solcher Lern- und Begegnungsort, an dem man über Geschichte und unsere Demokratie diskutieren kann, gut funktionieren könnte. Darüber wird nun seit sechs Monaten diskutiert, im Januar gibt es die große Anhörung aller Interessengruppen, und ich glaube, dass am Ende ein Konsens entstehen kann, wenn sich alle ein Stück bewegen.

Danach sieht es aber nicht aus.
Diese Hoffnung habe ich, auch wenn es nicht einfach wird. Ich habe ja vorab mit vielen Organisationen einzeln gesprochen und sehe trotz der Unterschiede die Chance auf einen Kompromiss. Und zumindest eine Schnittmenge gibt es: Niemand will, dass die Garnisonkirche zu einem Wallfahrtsort für Rechte wird. Es gibt aber noch eine zweite Gemeinsamkeit.

Der Turm der Garnisonkirche wächst in die Höhe. Rechts ist das Rechenzentrum zu sehen, das zu einem kleinen Teil auf dem Gelände eines möglichen Kirchenschiffs steht.
Der Turm der Garnisonkirche wächst in die Höhe. Rechts ist das Rechenzentrum zu sehen, das zu einem kleinen Teil auf dem Gelände eines möglichen Kirchenschiffs steht.

© Varvara Smirnova

Welche?
Die Frage, wie wir mit dem Grundstück umgehen, auf dem laut Satzung der Stiftung das Kirchenschiff entstehen soll. Mehrere, auch Aufbaubefürworter, waren der Meinung, dass wir gemeinsam, also Kirche und Potsdamer Zivilgesellschaft, darüber sprechen sollten, was inhaltlich dort geschehen soll.

Die aktuelle Debatte hängt aber unmittelbar mit dem Streit um den Kirchturm zusammen, der sich seit zwei Jahren im Bau befindet.
Ja. Da gibt es die Seite der Garnisonkirchen-Stiftung mit ihrer geplanten kirchlichen Versöhnungsarbeit, von der einige in der Stadt sagen, sie sei eher konservativ geprägt. Und dann gibt es nebenan im Künstlerhaus Rechenzentrum eine andere Gruppe, die einen eigenen Versöhnungsgedanken pflegt, der eher progressiv geprägt ist. Das an sich ist kein Problem, bildet eher die Breite der Diskussion in der Gesellschaft ab.

Sie meinen den von dem Architekten und Garnisonkirchen-Kritiker Philipp Oswalt gemeinsam mit der Martin-Niemöller-Stiftung gehegten Plan, neben dem Kirchturm einen alternativen Lernort zu schaffen, in dem die militaristische Vergangenheit der Kirche thematisiert wird.
Genau. Ich will mit meinem Vorschlag vermeiden, dass wir dort zwei benachbarte Lernorte haben, die sich womöglich noch gegenseitig abgrenzen. Es drängt sich förmlich die Frage auf, an welchem Ort wir noch miteinander über diese wichtigen Themen reden. Ein solcher Ort könnte die von mir vorgeschlagene Begegnungsstätte sein.

Wäre es, anstatt einen Vorschlag für die Nutzung eines Grundstücks zu machen, dessen Bebauung noch in weiter Ferne liegt, nicht sinnvoller gewesen, als Kuratoriumsmitglied der Garnisonkirchen-Stiftung darauf zu drängen, dass klar wird, wie die inhaltliche Arbeit im Kirchturm aussehen soll? Die wird ja immerhin vom Bund als so bedeutend angesehen, dass sie mit inzwischen mehr als 20 Millionen Euro gefördert wird.
Wenn wir erst anfangen, über das Grundstück des Kirchenschiffs zu sprechen, wenn dessen Bau konkret wird, stehen wir vor denselben Problemen, wie wir sie beim Streit um den Turm erlebt haben. Die Satzung der Stiftung geht nicht nur vom Bau eines Turms, sondern der ganzen Kirche aus. Als Vertreter der Stadt will ich deshalb von den Stadtverordneten eine Positionierung, die sich auf beide Gebäudeteile bezieht.

Nun mehren sich die Stimmen, die sich anstelle eines Schiffs auch den Erhalt des Rechenzentrums vorstellen können. Mit dem Chef des Zentrums für Zeithistorische Forschung, Martin Sabrow, gibt es dafür einen gewichtigen Fürsprecher – gerade weil dies auch den oft geforderten architektonischen Bruch neben dem barocken Turm bedeuten würde.
Sicher ist es eine spannende Frage, wie wir mit dem Rechenzentrum umgehen. Aber ganz so einfach ist es eben nicht. Der Garnisonkirchen-Stiftung wurde die Baufreiheit für ein Kirchenschiff vertraglich zugesichert. Und Fakt ist, dass ein Teil des Rechenzentrums auf dem Grundstück des Kirchenschiffs steht.

Ich befürworte es nicht, dass das Rechenzentrum in seiner derzeitigen Größe stehen bleibt.

Mike Schubert

Aber es ist nur ein relativ kleiner Teil.
Ja, aber trotzdem ist das die Situation. Daher befürworte ich es nicht, dass das Rechenzentrum in seiner derzeitigen Größe stehen bleibt. Denn das würde keinen Beitrag zur Befriedung des Konflikts leisten. Weiter kommen wir in der Frage nur, wenn sich beide Seiten aufeinander zu bewegen – inhaltlich, aber auch, was architektonische Fragen angeht. Ich finde den Vorschlag von Prof. Sabrow sehr interessant, mir fehlt aber noch das verbindende Element. Nicht unbedingt architektonisch, sondern als Dialogforum über deutsche Geschichte, die sich mit Garnisonkirchturm, dem DDR-Rechenzentrum, dem Dortu-Geburtshaus, aber auch mit dem Militärwaisenhaus in einem ganz engen Radius befindet. Anhand dieser Gebäude mit Brüchen in Inhalt und Aussehen deutsche Geschichte und die Lehren daraus für unsere Demokratie zu diskutieren, wäre etwas Besonderes. Für Interessierte aus aller Welt, aber auch für Lehrerweiterbildung und Schulklassen würde so ein Ort geschaffen, wie er sich sonst vielleicht nur noch in Weimar findet. Daher würde ich es auch spannend finden, wenn später beide internationalen Begegnungsprojekte zusammenarbeiten würden.

Bleiben wir einen Moment in der Potsdamer Mitte. Bei Ihrem erklärten Herzensprojekt, dem Stadtkanal, geht es bislang nicht so recht voran. Auch, wenn Sie das als Generationenprojekt für 30 Jahre sehen – ein bisschen konkreter hätten sich das manche schon gewünscht.
Wir sind da schon vorangekommen, haben uns vergleichbare Projekte in anderen Städten angeschaut und eine Arbeitsgruppe gebildet, nachdem das Thema jahrelang überhaupt keine Rolle mehr gespielt hat. Ich weiß, in Potsdam soll immer alles schnell gehen. Aber überlegen Sie mal, welche Probleme wir allein in diesem Gespräch thematisiert haben: bezahlbaren Wohnraum, wachsende Stadt, Verkehr, Krampnitz, Garnisonkirche ...

Trotzdem hat allein die Gründung der Arbeitsgruppe schon bis zum Herbst gedauert. Man munkelt, Baudezernent Bernd Rubelt sei kein Freund des Vorhabens.
Ich war mit ihm in Kiel, wo wir uns das Projekt Kleiner Kiel-Kanal angesehen haben – die Reise hat er übrigens organisiert. Worauf Herr Rubelt zu Recht immer hinweist: Wir brauchen womöglich einen Zwischenschritt, wo wir vielleicht an dem einen oder anderen Abschnitt erstmal eine Grünfläche anlegen und für wasserführende Teilstücke brauchen wir eine neue Planung, denn die bestehende ist veraltet.

Wie geht es denn nun weiter?
Im nächsten Jahr wird es Schritt für Schritt konkreter. Die Arbeitsgruppe wird einen Vorschlag ausarbeiten – mit Projekten, über die man diskutieren kann. Insbesondere soll es dabei um den Bereich in der Straße Am Kanal zwischen Kellertorbrücke und Bildungsforum gehen. In diesem Zuge werden wir auch öffentlich darüber debattieren, wie wir mit den wegfallenden Parkplätzen umgehen. Und dann werden wir uns an die Umsetzung machen.

In Kiel wurde ein Modell ausgestellt, das die Bürger betrachten und anfassen konnten. Anhand dessen wurden dann Vorschläge gemacht. Ist das für Potsdam auch so vorstellbar?
Kiel ist bei der Beteiligung eine gute Blaupause, die man für Potsdam umschreiben muss. Aber diesen Weg könnte man gehen, ja. Und ich glaube, dass wir diese Diskussion in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres bereits führen werden.

Hier könnte der wiederhergestellte Stadtkanal verlaufen. An welchen Stellen Brücken oder gar Unterführungen gebaut werden müssten, ist noch völlig offen.
Hier könnte der wiederhergestellte Stadtkanal verlaufen. An welchen Stellen Brücken oder gar Unterführungen gebaut werden müssten, ist noch völlig offen.

© GRAFIK: PNN/KLÖPFEL

Wo wir beim Thema Wasser sind: Zum zweiten Mal hat die Stadt im Kampf um einen freien Uferweg am Griebnitzsee eine herbe Schlappe erlitten. Nachdem das Oberverwaltungsgericht nun auch den zweiten Bebauungsplan gekippt hat: Wird die Stadt das Thema endgültig zu den Akten legen?
Wir feiern in diesem Jahr das 30-jährige Jubiläum des Mauerfalls, und dieser Weg hat eine historische Bedeutung. Von dem Ziel eines freien Uferwegs gehe ich nicht ab. Auf welchem Weg das zu erreichen ist, müssen wir sehen. Ich werde versuchen, mit den sperrenden Anrainern ins Gespräch zu kommen. Und wir werden uns in der Urteilsbegründung genau anschauen, welche Fehler beim B-Plan gemacht wurden. Man darf nicht vergessen, dass dieser Uferweg durch die friedliche Revolution erkämpft wurde. Zudem hat der freie Zugang zu Seeufern in Brandenburg Verfassungsrang.

Sie haben in Ihrem ersten Jahr vieles angeschoben, viele Vorschläge gemacht, kurz – viele Bälle in der Luft. Manche sagen: zu viele.
Ich habe so viele Bälle in der Luft, wie es wichtige Themen in Potsdam gibt. Potsdam ist eine Stadt mit vielen Herausforderungen. Ich frage mich, wie die Diskussion wäre, wenn ich einen der Bälle einfach ignoriert hätte.

Nun, manches wirkt überambitioniert, vielleicht unausgegoren. Nehmen wir Ihren Schlichtungsversuch im Streit um den Abriss des Kopfs der Nutheschlange. Sie haben den Abrissgegnern eine Übernahme der Terrassenhäuser per Erbbaupachtmodell angeboten. Müsste das Objekt aber in einem solchen Fall nicht ausgeschrieben werden? Es handelt sich ja um kommunales Eigentum.
Wenn Sie sowohl in mein Wahlprogramm als auch in das der rot-grün-roten Rathauskooperation schauen, finden Sie dort den Punkt ,Suche nach alternativen Wohnformen’. Dabei geht es ganz explizit um neue, bislang nicht beschrittene Wege. Bei den Terrassenhäusern probieren wir das nun zum allerersten Mal konkret aus. Es heißt aber auch nicht, dass es überambitioniert ist. Wenn wir neue Wege beschreiten wollen, dann gehört dazu auch, einen Veränderungsprozess schrittweise zu beginnen. Eine vergleichbare Situation haben wir im Bergmann-Klinikum.

Dort haben Sie den Vorschlag gemacht, bei der Bezahlung der Mitarbeiter zum Tarif zurückzukehren.
Genau. Diese Forderung gibt es seit Langem und wir prüfen nun, ob und unter welchen Bedingungen das wirtschaftlich darstellbar ist. Auch wenn es ein schwieriger Spagat ist, bin ich dafür, die Mitarbeitenden im Klinikum so gut zu bezahlen wie wir es leisten können, ohne wie andere Häuser in wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Am Ende entscheiden dann die Stadtverordneten.

"Ich hatte nicht die Erwartung, dass alle meine Vorschläge widerspruchslos durchgewinkt werden, sondern ich verstehe sie als Diskussionsgrundlage", sagt Mike Schubert.
"Ich hatte nicht die Erwartung, dass alle meine Vorschläge widerspruchslos durchgewinkt werden, sondern ich verstehe sie als Diskussionsgrundlage", sagt Mike Schubert.

© Ottmar Winter

Ihr Vorgänger wäre nicht im Traum auf eine solche Idee gekommen. Ihr Kurswechsel in Richtung linkerer Politik in Potsdam ist ziemlich radikal. Laufen Sie nicht Gefahr, die bürgerliche, konservativere Mitte der Stadtgesellschaft zu verprellen?
Ich denke, auch die konservativen Kräfte der Stadtgesellschaft wollen gute Arbeitsbedingungen im Rathaus. Die Mitte der Stadt ist vielschichtig. Bei der Kommunalwahl haben zwei Drittel der Potsdamer progressiv oder, wie Sie sagen, links gewählt. Deshalb gibt es jetzt eine rot-grün-rote Kooperation im Rathaus und mit Die Andere sogar eine Fraktion und noch einen weiteren Stadtverordneten von Die Partei, die sich als noch linker bezeichnen würde. Das muss sich ein Stück weit auch in der Politik abbilden, so wie dies früher mit anderen Mehrheiten war. Das halte ich für legitim.

Meinen Sie, dass die Potsdamer mit Ihrem Kurs zufrieden sind?
Zumindest habe ich bei den zahlreichen Bürgerdialogen, -versammlungen und -sprechstunden diesen Eindruck gewonnen. Da habe ich viele positive Reaktionen bekommen.

Sie gelten als einer der Brandenburger Hoffnungsträger der SPD und werden auch als ein möglicher Nachfolger von Ministerpräsident Dietmar Woidke gehandelt. Wenn er Sie nach zwei oder drei Jahren Kenia fragen würde, ob Sie übernehmen: Was antworten Sie ihm?
Der Oberbürgermeister ist letztes Jahr gewählt worden, der Ministerpräsident gerade eben erst – und zwar für fünf Jahre. Ich glaube, eine solche hypothetische Diskussion verbietet sich schon deswegen, weil es gegenüber Dietmar Woidke respektlos wäre.

Das war weder ein klares Ja, noch ein klares Nein. Werden Sie also Ihr Oberbürgermeisteramt die vollen acht Jahre lang ausüben?
Ich schiele nach keinem anderen Job und ich liebe mein Amt.

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