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Für den Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche gibt der Bund 4,5 Millionen Euro extra. 

© Ottmar Winter

Interne Unterlagen zum Turmbau: So prekär war die finanzielle Lage der Stiftung Garnisonkirche

Erstmals zeigen Dokumente, wie kritisch es um die Stiftung Garnisonkirche stand, bevor der Bund nun weitere Fördermillionen ausreichte. 

Potsdam - Bis zur Bewilligung der neuen 4,5 Millionen Euro Bundesmittel war die finanzielle Lage der Stiftung Garnisonkirche prekärer als bekannt. Sie war so schlecht, dass zur Bezahlungen von Rechnungen für den Weiterbau Geld verwendet werden musste, das für den laufenden Betrieb vorgesehen war. Das geht aus internen Schriftwechseln zwischen Stiftungsvorstand Peter Leinemann und der Bundesbehörde für Kultur und Medien (BKM) aus der Zeit von Herbst 2021 bis März 2022 hervor, die den PNN vorliegen und über die zunächst in der "Märkischen Allgemeinen" berichtet worden war. Damit ist auch unklar, ob das neue Geld vom Bund angesichts massiver Baukostensteigerungen wirklich ausreicht.

Der Architekt und Publizist Philipp Oswalt
Der Architekt und Publizist Philipp Oswalt

© Andreas Klaer

Kritiker Oswalt war einmal mehr aktiv

Angefordert vom BKM hatte die Schreiben einer der wichtigsten Kritiker des Wiederaufbaus, der Publizist und Architekturprofessor Philipp Oswalt, der sich dazu auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen hat. Die Unterlagen geben erstmals einen Einblick, wie die finanziell nur schlecht ausgestattete Stiftung hinter den Kulissen um neues Geld kämpft.

Ein Beispiel unter vielen ist eine E-Mail von Leinemann vom 1. Februar an das BKM. Darin bittet er einmal mehr um die Auszahlung der 4,5 Millionen Euro – denn „mangels anderer finanzieller Mittel nehmen wir gerade Liquidität auf unserem Bankkonto in Anspruch, die eigentlich für die Vorhaltung der Kosten von sechs Monaten Stiftungsarbeit nötig ist. Daran wird deutlich, wie dringend die Auszahlung der angeforderten Mittel ist.“

Auch ein BKM-Mann spricht in einem Vermerk von Anfang Februar vom Problem, dass die Stiftung „finanziell schlecht ausgestattet“ sei und den Betrieb nur über Spenden finanziere, von Liquiditätsnöten ist die Rede – aber auch zum wiederholten Mal von einem inhaltlich unvollständigen Fördermittelantrag. Auch weitere Mehrkosten seien „nicht auszuschließen“, gerade angesichts steigender Baukosten von 17 Prozent pro Jahr. All dies – Fragen nach Geld und der Verweis aus dem BKM auf noch offene Fragen zu Belegen, Mehrkosten und Spendenprognosen – ziehen sich durch die nun offen gelegte Kommunikation.

Bitte um Geld "so schnell als möglich"

So heißt es einmal Ende Januar 2022 von Leinemann: „Könnten Sie mir ein Zeichen geben, wie es um den Mittelabruf steht?“ Leider benötige man das Geld „so schnell als möglich“. Doch gebe es immer noch „Unklarheiten und Lücken beim Nachweis der gesicherten Gesamtfinanzierung“, heißt es wiederum in einer BKM-Mail an Leinemann vom 8. Februar.

Drei Tage später bittet das BKM um exakte Angaben, bis wann weitere Mittel benötigt werden, ohne dass ein Baustopp droht. Die Unterlagen seien noch nicht vollständig, der Antrag nicht bewilligungsfähig. Ähnlich heißt es dann Ende Februar, man müsse verbindlich klären, inwiefern eine Finanzierungslücke bestehe: „Die hinreichende Liquidität der Stiftung ist für das weitere Vorgehen erforderlich.“ 

Bald noch mehr Unterlagen?

Bis in den März hinein reicht der Mailwechsel – wie es dann konkret zur jetzigen Förderung kam, bleibt unklar. Hier will Kritiker Oswalt weitere Unterlagen anfordern und auswerten. Aus seiner Sicht zeige sich bereits, dass das Projekt so unterfinanziert sei, das es eigentlich nicht gefördert werden dürfe.

So habe einzig eine im Frühjahr beschlossene und für zwei Jahre angelegte Förderung durch die Landeskirche in Höhe von 980.000 Euro für die Stiftung eine finanzielle Entlastung gebracht. Auch erhaltene Kirchendarlehen müssten erst ab 2024 zurückgezahlt werden, heißt es in den Unterlagen. Bekanntlich hatte bereits ein Bericht des Bundesrechnungshofs aus dem Februar ausgewiesen, dass die Millionengelder für die Stiftung als unzulässige Anschubfinanzierung zu werten seien und die Stiftung widersprüchliche Angaben zu ihrer Finanzlage mache. 

Angespannte Finanzlage schon seit Monaten

So war die Lage schon monatelang ernst. Auch nach einer Videokonferenz im Oktober 2021 ist in den veröffentlichten Protokollen von einer angespannter finanziellen Lage die Rede, ausgelöst auch durch einen Rückgang der Spendenbereitschaft und die andauernde Niedrigzinspolitik. Daher solle sich die Stiftung bei Stadt und Kirche um eine finanzielle Absicherung ihres Betriebs bemühen, so das BKM.

Leinemann wiederum bittet schon Ende Oktober 2021 um dringliche Auszahlung der Zuschüsse: Es gingen gerade mehr Rechnungen ein als prognostiziert. Die Eigenmittel könnten bald aufgebraucht sein, heißt es in einer weiteren E-Mail aus jener Zeit, in der die Stiftung gerade mit Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) über den bekanntermaßen auch umstrittenen so genannten Garnisonkirchen-Kompromiss verhandelte: Statt eines Kirchenschiffs könnte ein kommunales „Haus der Demokratie“ gebaut werden. In der Ursprungsidee war dabei noch der Vorschlag enthalten, dass die Stiftung für die Überlassung ihres Grundstücks von der Stadt Erbpachtzinsen erhalten solle. Letzteres hat die Stadtpolitik verhindert.

Die Stiftung erklärt sich

Nach dem Bekanntwerden der Mailwechsel betonte Stiftungssprecherin Maria Zach am Donnerstag auf PNN-Anfrage, zu keinem Zeitpunkt sei die Stiftung insolvent gewesen. Die Stiftung habe schon mehrfach erklärt, dass in Corona-Zeiten die Werbung um Spender nur eingeschränkt möglich gewesen sei. Trotz der schwierigen Lage habe die Stiftung den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten, den Bau fortgeführt, die Bildungsarbeit und die Ausstellung im Turm konzipiert sowie die Angebote der Nagelkreuzkapelle unterstützt, den Bau fortgeführt, die Bildungs- und Ausstellungsarbeit im Turm konzipiert und die geistlichen Angebote der Nagelkreuzkapelle unterstützt.

Zu der Frage, ob mit den 4,5 Millionen Euro noch die Haube des Turms  finanziert werden könne, sagte Leinemann: „Die steigenden Energiekosten schlagen auf Herstellung, Transport und Verarbeitung von Baumaterialien durch.“ Anstehende Bauaufträge müssten schrittweise umgesetzt werden. Ziel sei es weiter, den Turm mit Haube Anfang 2024 zu eröffnen.

Dauerhafter Zuschussbetrieb?

Kritiker warnen schon lange vor einem dauerhaften Defizit, auch beim Betrieb des Turms, sollte er einmal fertig sein. Am Donnerstag teilte die Initiative „Stadt für alle“ mit, die Unterlagen zeigten aus ihrer Sicht auch, dass beim BKM weder die vom Bundesrechnungshof geforderte Überprüfung und Sicherung der Gesamtfinanzierung noch der Nachweis zur finanziellen Absicherung des Turmbetriebes erfolgt seien. Mit dem Förderbescheid würde die BKM „den eigenen Verlautbarungen und Aktennotizen“ widersprechen, so das Fazit der Initiative.
Bemerkenswert an den Unterlagen findet Kritiker Oswalt auch, dass offenbar 3900 Euro aus dem Stiftungsvermögen entnommen worden sind – „aus dringenden Gründen“. Dabei dieses das laut Satzung ungeschmälert zu erhalten. Nach Aufforderung durch BKM-Mitarbeiter wird die Entnahme einige Monate später wieder ausgeglichen. Hierzu sagte Stiftungssprecherin Zach, dass Stiftungskapital von 635.000 Euro sei "zu jedem Zeitpunkt nachgewiesen“ gewesen.


Klar wird nun auch, dass auch das BKM selbst um die Brisanz der Förderung weiß. So heißt es im Februar in einem Protokoll: „Mit Blick auf das ohnehin höchst umstrittene Vorhaben dürfte eine steuerfinanzierte Umsetzung gerade solcher Bestandteile, die den militärhistorischen Charakter der Garnisonkirche unterstreichen (so etwa der steinerne Adler, der mit gespreizten Flügeln gen Himmel fliegt), kaum vertretbar sein.“ Auch nach der jüngsten Förderentscheidung hatte das BKM betont, dass Schmuck und andere Insignien an dem Turm nicht gefördert würden. 

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