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HINTERGRUND: 14 500 Schüler, 137 Schulen – Fatma Bläser findet Gehör

FATMA BLÄSERFatma Bläser erlebte als Kind in ihrem anatolischen Heimatdorf, wie eine schwangere Frau gesteinigt wurde, weil sie angeblich die Ehre ihrer Familie beschmutzt hätte. Als ihre Eltern nach Deutschland gingen, kam sie zusammen mit ihrem Bruder zu einem Onkel, der die Kinder wie Sklaven behandelte, auf dem Acker ohne Verpflegung schuften ließ und auspeitschte, wenn sie ihr Pensum nicht geschafft hatten.

FATMA BLÄSER

Fatma Bläser erlebte als Kind in ihrem anatolischen Heimatdorf, wie eine schwangere Frau gesteinigt wurde, weil sie angeblich die Ehre ihrer Familie beschmutzt hätte. Als ihre Eltern nach Deutschland gingen, kam sie zusammen mit ihrem Bruder zu einem Onkel, der die Kinder wie Sklaven behandelte, auf dem Acker ohne Verpflegung schuften ließ und auspeitschte, wenn sie ihr Pensum nicht geschafft hatten.

NACH DEUTSCHLAND

Die Ausreise nach Deutschland in den 70er Jahren war für Fatma zunächst wie eine Befreiung, doch bald fing der Vater an, sie wegen Nichtigkeiten zu schlagen und zu Hause festzuhalten. Als sie die Schule beendet hatte, wurde sie in der Türkei zwangsverheiratet, doch zurück in Deutschland weigerte sie sich, ihren türkischen Ehemann anzuerkennen. Stadttdessen heiratete sie einen Deutschen. Es kam zum Bruch mit der Familie, ein Mordkommando wurde auf sie angesetzt. Als es aufflog, sollten ihre Brüder sie töten. Zwei weigerten sich, einer kam mit einer Pistole zu ihr, ließ sich aber von seinem Vorsatz abbringen. Erst nach zehn Jahren kam es zu einer Aussöhnung mit ihren Eltern.

DAS BUCH „HENNAMOND“

Ihre Geschichte hat Fatma Bläser aufgeschrieben. Seitdem reist die 44-Jährige mit ihrem Buch „Hennamond?“ (Peter Hammer Verlag&Ullstein) und mit Dokumentarfilmen durch Deutschland. Inzwischen hat sie auch einen gleichnamigen Verein gegründet, der sich mit dem Thema „Zwangsehe und Unterdrückung“ befasst. Weitere Informationen unter www.hennamond.de.

ARBEIT AN SCHULEN

Im vergangenen Jahr hat Fatma Bläser an 137 Schulen in allen Bundesländern mit Jungen und Mädchen über ihre Erfahrungen berichtet. Schwerpunkt ist Rheinland-Pfalz, wo ihre Aufklärungsarbeit von der Landesregierung offensiv unterstützt wird. In anderen Bundesländern bekommt sie seitens der Gleichstellungsbeauftragten Hilfe. Auf diese Weise hat sie inzwischen nach eigenen Angaben über 14 500 Schüler erreicht. Sie bietet auch Fortbildungsseminare an und arbeitet eng mit denEltern der Migranten zusammen.

DAS PROBLEM

In der Türkei ist es vor allem in der Provinz noch immer üblich, dass die Familien die Ehepartner aussuchen. Die Grenzen zwischen diesen arrangierten Ehen und Zwangsehen sind fließend – je nachdem, ob die Tochter die Wahl der Eltern akzeptiert. Nach Schätzungen handelt es sich bei rund 40 Prozent dieser Ehen um Verwandtenehen. Meist werden Cousins oder Cousinen geheiratet. „Trinke nur aus einem Brunnen, den du kennst“, lautet das passende türkische Sprichwort zu dieser Tradition, innerhalb der Familien zu heiraten und dabei auch das erhöhte Risiko von genetisch bedingten Krankheiten hinzunehmen.

DIE GRÜNDE

Von den arrangierten Ehen erhoffen sich die Eltern vielerlei. In erster Linie wird sichergestellt, dass der Partner zur selben Religion und zur selben Kultur gehört. Ein weiterer Grund: Die Kinder der in der Türkei verbliebenen Verwandten sollen durch eine Heirat in Deutschland wirtschaftlich abgesichert werden. loy/sve

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