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Potsdams Grüne haben Annalena Baerbock zur Bundestagswahl-Direktkandidatin für den Wahlkreis 61 bestimmt.

© Andreas Klaer

Update

Grüne wählen Parteichefin zur Direktkandidatin: 100 Prozent für Annalena Baerbock

Potsdams Grüne wählen ihre Bundesvorsitzende Annalena Baerbock einstimmig zur Direktkandidatin im Wahlkreis 61.

Von Carsten Holm

Potsdam - Das Ergebnis war keine Überraschung - auch wenn Annalena Baerbock nach dem Mitgliederentscheid am gestrigen Sonntag sagte, 100 Prozent der Stimmen seien „bei den Grünen kein Automatismus”: Mit 64 gültigen bei zwei ungültigen Stimmen und ohne Enthaltung haben  Potsdams Grüne ihre Bundesvorsitzende zur Direktkandidatin im Bundestagswahlkreis 61 (Potsdam, Potsdam-Mittelmark II und Teltow-Fläming II) gewählt. Einen Gegenkandidaten gab es nicht.

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Die 39-jährige Baerbock, die seit Jahren in Potsdam wohnt, war in einem roten Mantel mit ihrem Ehemann und ihren beiden Töchtern in den Volkspark geradelt. Bei nasskaltem Herbstwetter hatten sich wegen der Corona-Pandemie nur 66 von 617 Wahlberechtigten unter dem Dach des Basketballfeldes zur wohl zugigsten Versammlung der Potsdamer Grünen-Geschichte eingefunden.

Bei der letzten Wahl holte sie 8 Prozent der Erststimmen

Baerbock kandidiert nun zum dritten Mal im Wahlkreis 61. Bei der Bundestagswahl 2017 war sie, damals bundespolitisch noch kaum bekannt, auf 8 Prozent der Erststimmen gekommen. Durchgesetzt hatte sich die jetzige brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle (SPD) mit 26,1 Prozent vor der CDU-Bewerberin Saskia Ludwig (24,9). Seit dem Januar 2018 aber, als Baerbock  gemeinsam mit Robert Habeck als Bundesvorsitzenden-Tandem der Grünen gewählt wurde, entwickelte sich die Zustimmung zu ihr rasant. „Gerade in diesem Jahr ist alles offen und alles drin”, sagte sie mit Blick auf das Wahljahr 2021 denn auch. Sieben Minuten hatte Baerbock Zeit, um für sich zu werben, gute acht wurden ihr erlaubt. In einer kämpferisch vorgetragenen Rede resümierte sie unter anderem die Corona-Politik der CDU/SPD-geführten Bundesregierung. „Es brennt in unserem Land”, sagte sie, weil sich „die Ungleichheit verschärft” habe. Sie wies darauf hin, dass „diejenigen, die am meisten Unterstützung brauchen, im Regen stehengelassen” worden seien.

Auch ihren Wahlkreis vergaß die Kandidatin nicht: Verstärkt werden müsse der ÖPNV, verstärkt werden müsse auch der Ausbau von Glasfaserkabeln. Als fatal bewertete sie, dass in Potsdam „vor ein, zwei, drei Jahren Schulen modernisiert” worden seien, ohne WLAN-Anschlüsse einzurichten. Nachdrücklich forderte Baerbock auch eine wirksame Klimaschutzpolitik. Es sei keine Zeit mehr für eine Politik der Bundesregierung nach dem Grundsatz: „Im Prinzip ja, aber im Konkreten dagegen”. Denn die mitunter beschworene Apokalypse sei „weltweit in Teilen schon da”.

Keine Positionierung zur Kanzlerkandidaten-Frage

Auf die spannendsten Fragen nach der Kür zur Direktkandidatin blieb Baerbock aber die Antworten schuldig. Sowohl zur sicherlich schon hundertfach gestellten K-Frage  - „Möchten Sie Kanzlerkandidatin der Grünen werden oder schließen Sie das aus?“ - als auch auf die Frage, welches Ministeramt sie im Falle einer Regierungsbeteiligung anstrebe, gab sie, ebenso freundlich lächelnd wie bestimmt, keine Antwort. Es scheint eine spezielle Form von Schweigegelübde, der sich die Grünen-Spitze offenbar unterworfen hat, das auch Baerbock am Sonntag offensichtlich nicht brechen wollte. 

Potsdams Kreisvorstand neu bestimmt

Nach der Wahl ihrer Direktkandidatin hatten es die Grünen trotz der Kälte auferlegt, ihren Kreisvorstand neu zu wählen. Die bisherige Sprecherin, die 33 Jahre alte Politik-Wissenschaftlerin Carolin Herrmann wurde mit 77,5 Prozent im Amt bestätigt. Der bisherige Co-Sprecher Lars Gindele kandidierte nicht erneut, für ihn wurde der 34-jährige Ken Gericke, bislang schon Beisitzer und beim Land Brandenburg beschäftigt, mit 76,9 Prozent Zustimmung gewählt. Auf den 29 Jahre alten Thomas Jaeschke, Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung, entfielen bei der Wahl zum Schatzmeister 100 Prozent der Stimmen. Begonnen hatte das Treffen am Morgen kurz nach 10 Uhr, am Abend war die Arbeit gegen 19.30 Uhr erledigt. „Wir waren nach neuneinhalb Stunden draußen im Volkspark ziemlich durchgefroren”, sagte Kreisvorsitzende Herrmann den PNN.

Potsdamer Wahlkreis mit Spitzenpolitikern 

Spannend wird die Entscheidung im Wahlkreis 61, weil es von schillernden Politikpersönlichkeiten nur so wimmelt: So steht neben Baerbock als Direktkandiatin für die Grünen seit Samstag bei der CDU die Bundes- und Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig fest. Die Linken in Potsdam haben sich mit Norbert Müller auf einen Vertreter des linken Flügels seiner Partei geeinigt. Die Liberalen in Potsdam müssen den Direktkandidaten oder die Direktkandidatin noch bestimmen. Die erst jüngst als Bundes-Generalsekretärin abgelöste Linda Teuteberg hatte bereits deutlich gemacht, sich wieder um eine Spitzenkandidatur der brandenburgischen FDP bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu bewerben.  

Bei der SPD ist der Direktkandidat offiziell noch nicht nominiert, auch wenn der Bundesfinanzminister und derzeitige Vizekanzler Olaf Scholz bereits als Kanzlerkandidat der Bundespartei feststeht. Allein die Wahl zum Direktkandidaten in Scholz' hiesigem Wahlkreis hat noch nicht stattgefunden. Er hat parteiintern bislang 4 Kontrahenten, die überregional allerdings unbekannt sind. Die Grünen haben sich hingegen noch nicht beim Kanzlerkandidaten festgelegt. Galt Habeck laut Umfragen vor Monaten noch als aussichtsreichster Kandidat dafür, hat sich das Blatt zuletzt zugunsten Baerbocks gewendet. Womöglich bewerben sich im Herbst 2021 also gleich zwei Potsdamer um die Kanzlerschaft.

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