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Glockenspiel der Garnisonkirche abgeschaltet: "Wir müssen über den Umgang mit dem Ort diskutieren"

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) über die Abschaltung des Glockenspiels der Garnisonkirche.

Von Peer Straube

Herr Schubert, nach 28 Jahren wird das Glockenspiel der Garnisonkirche nun abgeschaltet. 28 Jahre haben die Inschriften auf den Glocken kaum jemanden interessiert. Warum also jetzt?
Ich glaube, es hat auch in den vergangenen 28 Jahren die Menschen in Potsdam interessiert – und zwar im Für und Wider. Was zu der neuen Situation geführt hat, war die Frage, was wir mit dem Glockenspiel künftig machen, schließlich soll es nicht in den Kirchturm eingebaut werden. Es handelt sich aber um ein Geschenk an die Stadt, also müssen wir uns Gedanken machen. Und dann gab es jetzt dankenswerterweise das Angebot der Garnisonkirchen-Stiftung und des wissenschaftlichen Beirats, eine Untersuchung zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieses Glockenspiels durchzuführen.

Für Ihren Schritt haben Sie in den sozialen Netzwerken nicht nur Beifall bekommen.
Sicher, es gibt Menschen in der Stadt, für die das Glockenspiel vertraut, selbstverständlich und beliebt ist und es gibt andere, die sich kritisch damit auseinandersetzen und sagen, auf den Glocken gibt es revanchistische Widmungen.

Dass die Inschriften auf den Glocken mindestens zum Teil militaristisch sind und rechtsextreme Soldatenverbände würdigen, ist ein Vorwurf, der nicht neu ist.
Für mich ist das Angebot, die Inschriften wissenschaftlich zu untersuchen, ein Schritt des Aufeinander-zu-gehens. Dabei darf es aber nicht bleiben. Danach müssen wir darüber diskutieren, wie wir mit diesem Ort künftig umgehen wollen. Auch das ist ein Signal an die Kritiker.

Angesichts der rechtsnationalen Gesinnung von Max Klaar, dessen Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel der Stadt Potsdam das Carillon 1991 zum Geschenk machte, ist es unwahrscheinlich, dass die Widmungen harmlos sind.
Es geht uns um Fakten und nicht um Vermutungen. Deshalb ist eine Untersuchung wichtig, gerade in heutiger Zeit, wie die von Ihnen bereits angesprochenen Reaktionen in den sozialen Netzwerken zeigen. Mit dem Ergebnis sollte man kritisch-konstruktiv umgehen, man sollte ihm aber auch nicht vorgreifen.

Was passiert jetzt mit dem Glockenspiel? Namhafte Kritiker, darunter Künstler, Wissenschaftler und Architekten hatten wegen der Inschriften erst kürzlich in einem offenen Brief den Abriss des Geläuts gefordert.
Wenn das Ergebnis der Untersuchung vorliegt, muss die ganze Stadtgesellschaft eine Entscheidung treffen, nicht die Kirche oder das Rathaus. Das gilt umso mehr, wenn man die inzwischen 30-jährige Debatte über die Garnisonkirche betrachtet. Wir brauchen einen Neuanfang, Befürworter und Kritiker des Wiederaufbaus müssen an einen Tisch. Ob man das Glockenspiel dann wieder einschaltet, ob man vor Ort über die Entstehungsgeschichte informiert, das ist alles noch offen. Der Standort an der Plantage ist ein stadtgeschichtlich ganz wichtiger Platz. Nur ein paar Meter weiter steht das Geburtshaus von Max Dortu...

...der Potsdamer Revolutionär, der 1848/49 für eine deutsche Republik gekämpft hat und dafür hingerichtet wurde.
Genau. Das Haus Dortus auf der einen und die Garnisonkirche auf der anderen Seite bieten ein Spannungsfeld, einen Ort, wo man sich mit deutscher Geschichte geradezu auseinandersetzen muss. Und darüber müssen wir reden.

Sollte die Geschichte des Glockenspielnachbaus Teil der künftigen Ausstellung im Garnisonkirchturm werden?
Die Dokumentation wird sicherlich in der Ausstellung eine Rolle spielen, davon gehe ich aus. Es obliegt aber nicht mir, da irgendwelche Vorgaben zu machen.

Die Abschaltung des Glockenspiels ist ein Entgegenkommen gegenüber den Kritikern des Wiederaufbaus der Kirche. Sind weitere Schritte zur Deeskalation geplant?
Mir ist wichtig, dass es wieder um Inhalte geht. Nicht umsonst lasse ich den Sitz der Stadt im Kuratorium der Stiftung derzeit ruhen. Aber eben nur ruhen, ich habe mich nicht zurückgezogen. Das Glockenspiel vorübergehend abzuschalten, ist ein weiterer Schritt. Es geht mir nicht darum, mich auf die eine oder andere Seite zu stellen, das ist von Gegnern wie auch Befürwortern zum Teil gleichermaßen fehlinterpretiert worden. Ich finde, der Stadt kommt bei diesem Projekt eine vermittelnde Rolle zu.

Sie wollen in der nächsten Woche mit den Stadtfraktionschefs über einen Vorschlag zum künftigen Umgang mit der Garnisonkirche machen. Wie soll der aussehen?
Darüber werde ich zunächst mit den Fraktionschefs sprechen. Mein Wunsch wäre, dass wir – gerade zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit, der im nächsten Jahr gefeiert wird –, eine einheitliche Haltung zu dem Projekt zu entwickeln.

Werden Sie Ihren Platz im Kuratorium wieder einnehmen?
Das hängt von den Stadtverordneten ab. Wenn es eine klare Positionierung, einen klaren Auftrag gibt, werde ich auch meine Verantwortung im Kuratorium der Stiftung wahrnehmen.

Anm. d. Red.: Das Glockenspiel sollte am Samstag abgeschaltet werden, ist aber bereits seit Donnerstagvormittag stumm. Bei einer Prüfung der Abschaltung habe es einen technischen Defekt gegeben, sagte Matthias Dombert, Chef der Garnisonkirchen-Fördergesellschaft, den PNN. Das Geläut bleibe jetzt aus.

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