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Wie bei den Hohenzollern. Stiftungs-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh darf so viel Geld ausgeben wie früher nur die Preußenkönige.

© Ronny Budweth

Generaldirektor der Schlösserstiftung im PNN-Interview: „Unsere Belange müssen ernst genommen werden“

Hartmut Dorgerloh, der Generaldirektor der Schlösserstiftung, über das Verhältnis zur Stadt Potsdam und zum Oberbürgermeister, das größte Sanierungsprogramm aller Zeiten und die Folgen des Klimawandels für das Welterbe.

Von Peer Straube

Herr Dorgerloh, im nächsten Jahr startet die Schlösserstiftung das größte Sanierungsprogramm ihrer Geschichte. 400 Millionen Euro dürfen Sie bis 2030 ausgeben. Die letzten, die mit solchen Summen hantierten, waren die Hohenzollern.

Uns wäre ja lieber, wenn wir so viel Geld – und auch noch in so kurzer Zeit – nicht aufwenden müssten. Letztlich ist das eine Folge davon, dass in der Vergangenheit, übrigens auch unter den Hohenzollern, zu wenig für die Erhaltung der Schlösser getan wurde. Darum ist nun diese Aufholjagd nötig. Ziel muss es sein, dass wir die Schlösser und Gärten nicht nur instand setzen, sondern auch für eine kontinuierliche Wartung und Pflege sorgen können. Die preußischen Welterbeanlagen sind schließlich das Beste, was die Hohenzollern hinterlassen haben.

Wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen?

Das erste Geld steht bereit, das Team ist gut aufgestellt und wird punktuell auch noch verstärkt.

Rund 20 Vorhaben haben es auf eine Prioritätenliste geschafft, die bereits in den nächsten fünf Jahren abgearbeitet werden soll. Welche Projekte stehen drauf?

Das Logierhaus in Caputh wird saniert, ebenso das Schloss auf der Pfaueninsel. Im Park Glienicke werden wir tätig, am Schloss Charlottenburg werden wir die Hüllensanierung abschließen, ein neues Besucherzentrum bauen und den Eingangsbereich neu gestalten.

Und in Potsdam?

Am Neuen Palais werden Dach und Balustrade fertig saniert, am Orangerieschloss geht die Fassadensanierung weiter. Ganz wichtig ist auch der lange geplante Neubau des Besucherzentrums an der Historischen Mühle, für den Landtagsarchitekt Peter Kulka einen modernen Entwurf in Anlehnung an das historische Schweizerhaus geliefert hat. Dort setzen wir auch die Nachbargebäude instand. Die Villa Liegnitz wird saniert, die Meierei am Kuhtor – und natürlich die Römischen Bäder. Wir bauen im Park Sanssouci ein neues Revier für die Gärtner. Im Neuen Garten sanieren wir endlich das Rote Haus, das Weiße Haus und das Damenhaus, die allesamt weniger im öffentlichen Fokus stehen. Und im Park Babelsberg machen wir mit der Instandsetzung des Leitungssystems für die Wasserversorgung weiter.

Bleiben wir in Babelsberg: Das Schloss steht nicht auf der Prioritätenliste, obwohl die Hülle saniert ist und mit großem Aufwand die prächtigen Wasserspiele rundherum wiederhergestellt wurden. Zudem haben Sie das Schloss durch die Pückler-Ausstellung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Warum nutzt man nicht den Schwung und macht jetzt auch gleich die Innenräume fertig?

Wir müssen erst die Voraussetzungen am und im Schloss schaffen, damit es dann für einen regulären Museumsbetrieb nutzbar wird. Daher wollen wir zunächst die sogenannte Blaue Terrasse wiederaufbauen, um dort die gesamte Haustechnik, die Sanitäranlagen und andere Funktionsbereiche unterzubringen.

Sie meinen jenes Gebäude an der Nordostseite des Schlosses, das 1906 abgerissen wurde.

Ja, damals sollte ein neuer Schlossflügel für den Kronprinzen angebaut werden. Diese Pläne wurden aber aufgegeben und stattdessen wurde Schloss Cecilienhof errichtet. Wir wollen die Terrasse nun wiederherstellen und damit auch die gesamte Terrassenanlage vervollständigen, sodass man darauf wieder rund ums Schloss laufen kann.

Und wann sollen die Schlossräume restauriert werden?

Nach 2022. Ein genauer Zeitpunkt steht noch nicht fest. Bis dahin werden wir das Schloss aber trotzdem immer mal wieder öffnen, denn wie die Pückler-Ausstellung gezeigt hat, lockt es auch in seinem derzeitigen, unrestaurierten Zustand Besucher an. Es wird also auch künftig Veranstaltungen dort geben, damit die Menschen weiterhin den tollen Ausblick in die Parkanlagen genießen können. Anfang Juni 2018 findet dort zum Beispiel der Welterbetag statt, den wir gemeinsam mit der Akademie der Wissenschaften ausrichten.

Der Park Babelsberg fristete unter den drei Potsdamer Welterbeparks stets ein Schattendasein. Hat sich das nach der Aufwertung des Schlossumfelds durch die Wasserspiele geändert?

Absolut. Wir haben noch nie eine solche Publikumsresonanz auf eine Baumaßnahme bekommen wie auf diese. Viele Besucher nehmen den Park jetzt erstmals als solchen wahr. Die Qualitäten der Anlage werden jetzt wieder erlebbar – die phänomenale Wassertechnik, die raffinierte Bodenmodulation, die Blickbeziehungen. Hinzu kommt, dass der Park Babelsberg für eine Epoche steht, die in den Stiftungsanlagen sonst wenig repräsentiert ist: die Zeit der Industrialisierung, der Reichseinigung, der beginnenden Moderne.

Wie wird sich das in einem künftigen Museumsschloss Babelsberg widerspiegeln?

Schloss Babelsberg soll das zentrale Haus für die Geschichte der Entwicklung Brandenburg-Preußens zum Deutschen Reich werden. Es steht für eine Zeit gravierender Umwälzungen – von den Sozialistengesetzen Bismarcks bis zum Deutsch- Französischen Krieg, der Reichseinigung und den Gründerjahren. Wilhelm I., der ja nicht gerade als Demokrat zu bezeichnen ist, hat es mehr als 50 Jahre, bis zu seinem Tod 1888, bewohnt und von dort aus Politik gemacht. All das wollen wir im Schloss den Besuchern nahebringen.

Babelsberg beschäftigt die Stiftung auch aus anderen, aus Ihrer Sicht weniger erfreulichen Gründen. So haben die Stadtverordneten gerade erst das auf der anderen Seite der Nuthestraße geplante Wohnquartier im Zentrum-Ost durchgewinkt, das Sie für zu groß halten. Werden Sie gegen die Bebauung klagen?

Das hängt vom Ergebnis des B-Plan-Verfahrens ab. Die Stadt muss abwägen und entscheiden, ob sie die letzte Verbindung des Parks Babelsberg mit der Innenstadt wirklich komplett zubauen will oder wenigstens im Uferbereich einen Freiraum lässt. Es ist für uns unverständlich, warum die Stadt ihren Bedarf an neuen Wohnungen ausgerechnet dort in diesem Umfang decken will. Daher behalten wir uns juristische Schritte ausdrücklich vor.

Was muss die Stadt tun, um das zu verhindern?

Wir fordern, dass die vorhandene Grünzone nicht bebaut wird, so wie es auch im jetzt gültigen Bebauungsplan festgelegt ist. Das war ein Kompromiss, den wir schon vor Jahren mit der Stadt ausgehandelt hatten. Daran sollte sie sich halten.

Auch um die Zukunft des Seesportclubs im Park Babelsberg haben Sie sich lange mit der Stadt gestritten. Der ausgehandelte Kompromiss lässt noch viele Fragen offen. Wie geht es dort jetzt weiter?

Das müssen wir nun in den nächsten sechs Monaten in einem Werkstattverfahren klären. Nach wie vor geht es darum, dass die Stadtwerke und die Stiftung Grundstücke tauschen. Das Strandbad wird dann auf das Seesportclub-Gelände verlagert. Wir glauben aber, dass es auch möglich ist, dort noch Möglichkeiten für sportliche Nutzungen zu schaffen. Ein Teil der Vereinsarbeit wird jedoch verlagert werden müssen, denn es ist klar, dass dort nur eine maßvolle, denkmalverträgliche Neubebauung möglich ist.

Beide Konflikte haben die anhaltende Eiszeit zwischen Stadt und Schlösserstiftung eher noch verschärft. Warum gelingt es Ihnen und Oberbürgermeister Jann Jakobs nicht, die Situation zu entspannen?

In vielen Bereichen arbeiten wir ja sehr gut zusammen. Die Konflikte entzünden sich immer wieder an den gleichen Fällen, nämlich bei baulichen Verdichtungen in der Pufferzone der Welterbes. Bei den von Ihnen angesprochenen Beispielen, der Bebauung im Zentrum-Ost und dem Seesportclub, hatten wir bereits Vereinbarungen mit der Stadt getroffen, die das Rathaus dann wieder – aus unserer Sicht nicht hinreichend begründet – infrage gestellt hat. Das führt dann natürlich zu Verhärtungen, die vermeidbar gewesen wären.

Der bislang letzte Streit mit der Stadtverwaltung dreht sich um die Villa Heydert neben dem Stadthaus. Die Stadt will sie gern kaufen, hat das aber öffentlich gemacht, bevor sie mit der Stiftung sprach. Könnten Sie sich denn eine Veräußerung noch vorstellen?

Wir haben die Wohnungen in dem Gebäude vermietet. Die Mieter sind natürlich sehr verunsichert, wenn sie so etwas aus der Zeitung erfahren. Dass die Villa perspektivisch saniert werden muss, ist unstrittig. Grundsätzlich sind wir aber gesprächsbereit.

Jakobs’ Amtsperiode endet 2018. Er ist im gleichen Jahr Rathauschef geworden wie Sie Generaldirektor der Schlösserstiftung, nämlich 2002. Trotz aller Differenzen – werden Sie ihn vermissen?

Mal ganz nüchtern und unabhängig von Personen betrachtet, haben in dieser Zeit sowohl die Stadt als auch die Schlösser und Gärten eine sehr positive Entwicklung genommen. Das Image Potsdams hat sich deutlich verbessert und wir haben in vielen Bereichen gut zusammengearbeitet. Für den Rathauschef ist es schwierig, in einer wachsenden und sehr diskussionsfreudigen Stadt immer die nötigen Mehrheiten zusammenzubekommen – da haben wir es in der Stiftung leichter, weil unsere Ziele klarer definiert sind. Persönlich haben wir kein Problem miteinander, weil wir die Aufgaben des jeweils anderen gut verstehen.

Welche Erwartungen haben Sie vom neuen Rathauschef?

Ich wünsche mir, dass die Belange der Schlösserstiftung künftig genauso ernst genommen werden wie beispielsweise die der Stadtwerke oder anderer für Potsdam wichtiger öffentlicher Einrichtungen. Meiner Meinung nach gibt es für Potsdams Dynamik zwei entscheidende Faktoren: die Nähe zu Berlin – und das Erbe der Hohenzollern. Darum müssen wir uns kümmern.

Am spannendsten ist der Kampf um Jakobs’ Nachfolge in der SPD. Mit Burkhard Exner und Mike Schubert treten zwei Dezernenten gegeneinander an. Wer das Rennen macht, hat wohl auch die größten Aussichten auf Jakobs’ Nachfolge. Wen sähen Sie lieber im Rathaus?

Da ich in Potsdam keinen Wohnsitz habe und wir eine Berlin-Brandenburger Stiftung sind...

...können Sie sich ganz unbefangen äußern.

Nein (lacht). In vielen Kommunen Brandenburgs und auch in den Berliner Bezirken sind die jeweiligen Bürgermeister für uns ganz wichtige Partner. Ich bin sicher, dass in Potsdam der Beste gewinnt und mit demjenigen werden wir dann gut zusammenarbeiten.

Auch Ihnen soll man eine Kandidatur angetragen haben. Warum haben Sie abgelehnt?

Man hat mir keine Kandidatur angetragen.

Zumindest vorläufig vom Tisch ist das Thema Parkeintritt. Die Stadt zahlt weitere fünf Jahre lang eine Million Euro per anno, um sich an der Parkpflege zu beteiligen, Sanssouci bleibt damit für die Besucher kostenlos. Sind Sie zufrieden?

Natürlich ist dank des städtischen Geldes eine spürbare Verbesserung des Pflegezustands in Sanssouci eingetreten, aber eben auch nur dort. In Rheinsberg oder anderswo haben wir aber die gleichen Probleme. Das Thema ist also nur vertagt, nicht gelöst.

Sie spielen damit auf die Probleme durch den Klimawandel an. In diesem Jahr hat vor allem das Sturmtief „Xavier“ enormen Schaden angerichtet.

So schlimm wie in diesem Jahr war es tatsächlich noch nie. 20 Mal gab es Unwetterwarnungen, mehrfach mussten wir die Parkanlagen schließen. Wir müssen uns auf diese Wetterextreme einstellen.

Und wie?

Wir werden die Parkpflege intensivieren müssen, das heißt, wir brauchen mehr Gärtner und damit mehr Geld. Es geht aber auch um technische Veränderungen. Beispielsweise sind für regenreiche Jahre in bestimmten Parkbereichen nicht nur neue Be-, sondern auch Entwässerungsanlagen nötig. Auch über die Änderung von Denkmalkonzepten werden wir nachdenken. Nicht alle Wege können künftig aus einer wassergebundenen Decke bestehen, manche werden wir auch pflastern oder anders befestigen müssen.

Hinzu kommen die von den Besuchern verursachten Probleme, etwa durch die Badegäste am Heiligen See im Neuen Garten. Vor fast einem Jahr hatten Sie mit der Stadt ein gemeinsames Vorgehen gegen die immer weitere Ausdehnung des wilden Badens angekündigt. Hat’s geholfen?

Nun hatten wir ja einen nassen Sommer und daher weniger Badetage – das hat geholfen. Nach wie vor haben wir im Neuen Garten ein Problem. Wir können nur an die Besucher appellieren, sich bewusst zu machen, dass eine weitere Ausdehnung des wilden Badens irreparable Schäden am Welt- und Naturerbe verursacht.

Ein weiteres Sorgenkind ist die Schlössernacht. Obwohl es Verbesserungen nach dem Betreiberwechsel gab, hat die Veranstaltung in diesem Jahr die wirtschaftlichen Erwartungen wieder nicht erfüllt. Nun wird sie auf den Bereich rund ums Schloss Sanssouci und die Orangerie verkleinert, dafür aber auf zwei Tage verteilt. Ist das die letzte Chance für die Veranstaltung?

Es ist eine gute und realistische Chance, die Zukunft der Schlössernacht zu sichern. Daran haben wir ein großes Interesse. Die Veranstaltung ist eine Marke für Potsdam und weit darüber hinaus. Wie eine Befragung in diesem Jahr ergeben hat, haben viele Besucher die Schlössernacht zum ersten Mal besucht. Wir hoffen, dass die Veranstaltung besucherfreundlicher wird, weil die weiten Wege wegfallen und das Programm dichter wird. Für die Zukunft kann man innerhalb des Parks auch die Veranstaltungsfläche wechseln. Da eröffnen sich viele neue Möglichkeiten.

Seit Jahresbeginn hat Potsdam eine neue Touristenattraktion, das Museum Barberini. Hat die Stiftung profitiert?

Anfangs haben wir das schon gemerkt, dann hat es etwas nachgelassen. Das Museum ist auf jeden Fall eine Bereicherung für Potsdam als Touristenziel und wir als Stiftung kooperieren auch mit dem Barberini.

Worum geht es dabei konkret?

Wir arbeiten zum Beispiel im Gruppentourismus zusammen. Aber auch gemeinsame Ausstellungen sind denkbar.

Welche anderen Höhepunkte erwarten die Besucher der Schlösserstiftung im nächsten Jahr?

Wir widmen uns dem 100. Jahrestag des Endes der Monarchie in Deutschland. Dazu wird es im Neuen Palais eine Ausstellung geben, die insbesondere jene Zeit beleuchtet, in der Wilhelm II. das Schloss als Wohnsitz genutzt hat. Dazu arbeiten wir mit Haus Doorn in den Niederlanden zusammen, dem Exilsitz des Kaisers. Von dort bekommen wir auch Leihgaben. Außerdem wird es neue Räume im Schloss Charlottenburg zur Geschichte des Hauses Hohenzollern in Brandenburg-Preußen geben – inklusive einer neuen Präsentation des Kronschatzes.

Das Interview führte Peer Straube

Hartmut Dorgerloh, 55, wurde in Berlin geboren und wuchs in Potsdam auf. Bereits als Schüler verdiente er sich Taschengeld als Schloss- und Parkführer bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Potsdam-Sanssouci. An der Humboldt-Uni studierte Dorgerloh Kunstgeschichte und Klassische Archäologie. Als Konservator am DDR-Institut für Denkmalpflege war er unter anderem für die Berliner Museumsinsel zuständig. Nach der Wende wechselte Dorgerloh ins Brandenburger Kulturministerium und übernahm das Referat für Denkmalpflege. Seit dem 1. August 2002 ist Dorgerloh Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.

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