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Sitz der Stadtverwaltung: Das Stadthaus an der Friedrich-Ebert-Straße in Potsdam.

© Sebastian Gabsch

Exklusiv

Geld ohne Gegenleistung: Rathaus Potsdam zahlt viel Geld an Ex-Amtschef

Nach einem rechtskräftigen Urteil überweist die Verwaltung Geld an ihren ehemaligen Tiefbauamtschef. Der arbeitet nicht mehr in Potsdam - würde aber gerne zurück. Das ist aber nicht so einfach.

Potsdam - Es geht um einen bemerkenswerten Fall auf Kosten der Steuerzahler: Die Potsdamer Stadtverwaltung müsste nach einem Gerichtsurteil einen früheren Amtschef eigentlich wieder einstellen. Doch das bekanntlich unter Personalmangel leidende Rathaus findet für den Mann bisher angeblich keine Anstellung. Dieser hat zwar anderswo eine weniger gut bezahlte Arbeit angenommen – die Stadt Potsdam aber muss ihm weiter den Ausgleich zu dem Betrag bezahlen, auf den er im Rathaus einen Anspruch hätte. Monat für Monat wird das Geld überwiesen: Es geht nach PNN-Recherchen um einen niedrigen fünfstelligen Betrag pro Jahr.

Gemeint ist die Causa Frank Steffens. Er und mehrere Potsdamer Rathausvertreter kennen sich schon seit Jahren von diversen schlagzeilenträchtigen Gerichtsverhandlungen. 2009 war der heute 51-Jährige – zu dem Zeitpunkt gerade zwei Jahre lang Fachbereichsleiter Grün- und Verkehrsflächen – vom damals neuen Baudezernenten Matthias Klipp (Grüne) für die Kostenexplosion bei der Sanierung der Humboldtbrücke verantwortlich gemacht und degradiert worden.

Dagegen wehrte sich Steffens erfolgreich vor dem Arbeitsgericht. Auch ein weiterer Versuch der Stadtverwaltung, ihn über die Befristung in Steffens Arbeitsvertrag loszuwerden, scheiterte juristisch. Schließlich vereinbarten Steffens, das Rathaus und die kommunalen Stadtwerke 2012, dass er dort in einem kleineren Tochterunternehmen arbeiten sollte. Später wurde ihm dort wieder gekündigt.

Steffens will zurück

Seitdem will Steffens möglichst in den städtischen Grün- und Verkehrsflächenfachbereich zurück, dessen Chefposten vor mehr als zwei Jahren ausgeschrieben wurde. Auch wegen der langwierigen Auseinandersetzungen mit Steffens blieb das bisher ohne Ergebnis, obwohl die Stadt dem bisher kommissarischen Chef Thomas Schenke den Vorzug geben wollte. Eine zwischendurch erfolgreiche Konkurrentenklage von Steffens in dem Auswahlverfahren bescheinigte dem Rathaus nach PNN-Informationen schwere Verfahrensfehler, so bei der Dokumentation.

Jüngst gab es einen weiteren Termin in der juristisch hochkomplexen Angelegenheit vor dem Potsdamer Arbeitsgericht. Es ging dort um die Detailfrage, ob die Stadtverwaltung die letzte Ausschreibung für die Stelle am Ende einfach abbrechen durfte – was das Gericht wegen der in dem Verfahren angesammelten Unzulänglichkeiten schließlich bejahte.

Erfolgreich gegen die Stadt durchgesetzt

Während der Verhandlung kam aber heraus, was bisher öffentlich nicht bekannt war: Steffens müsste von der Stadt eigentlich bereits wieder beschäftigt werden, sagte dessen Anwalt Sven Opelka. So habe sich sein Mandant bereits im Mai 2019 vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg erfolgreich gegen die Stadt durchgesetzt – und sei inzwischen wieder im Rathaus angestellt, seit Mai 2017 rückwirkend. Doch gebe ihm die Stadtverwaltung keine adäquate Stelle: „Die Stadt zahlt meinem Mandanten pro Monat viel Geld, er wird aber nicht beschäftigt“, kritisierte Opelka. Um das laufende Verfahren nicht zu erschweren, wollte der Anwalt danach gegenüber den PNN keine weiteren Angaben machen.

Laut dem vorliegenden Urteil des LAG musste die Stadt Potsdam ihren Ex-Amtschef aus diversen Gründen wieder in einer leitenden Position einstellen, die mit einem Fachbereichsleiter vergleichbar sein muss. Dabei bezieht sich das Gericht auch auf den besagten Vergleich von 2012, als Steffens erfolgreich gegen die Befristung vorgegangen war. In der Vereinbarung hatte sich Steffens eine Rückfallklausel für den Fall einer Kündigung bei den Stadtwerken zusichern lassen. Diese griff dann auch: Das Arbeitsverhältnis mit dem Rathaus bestand laut LAG also weiter.

Die Stadtverwaltung hatte sich gegen diese Sicht laut dem LAG-Urteil gewehrt: Steffens habe unzuverlässig gearbeitet, keine Einsicht gezeigt oder Bemühungen unternommen, seine Arbeitsleistung zu verbessern, heißt es da – was Steffens freilich bestreitet. Und vom LAG bekam er eben schließlich Recht, dass er weiter im Rathaus beschäftigt werden muss.

Seit einem Jahr in Wolfenbüttel

Vor Gericht sagte Anwalt Opelka auch, sein Mandant komme der Stadt Potsdam sogar entgegen – helfe also Kosten zu sparen. Denn statt zu Hause zu sitzen und das Geld der Stadt Potsdam zu beziehen, ist er seit 2018 bei der niedersächsischen Stadt Wolfenbüttel als Tiefbauamtschef und Leiter der Städtischen Betriebe angestellt. Mit 50 000 Einwohnern ist diese Stadt aber deutlich kleiner als Potsdam. Daher wird die Leitungsfunktion dort auch nicht so gut vergütet wie in der Potsdamer Stadtverwaltung. Zumal Steffens nach PNN-Informationen aus Rathauskreisen bei seinem ersten Vertragsabschluss 2006 auch besonders gute Konditionen gegenüber der Stadtverwaltung aushandeln konnte.

Vor Gericht sagte Anwalt Opelka, Potsdam gleiche nun finanziell die Differenzbeträge aus zu der Beschäftigung, die ihm eigentlich im Rathaus zustünde. Wie viel Geld Steffens seit Mitte 2017 von der Stadt erhalten hat, sagte er aber nicht.

Auf der Suche nach einer Stelle

Das Rathaus hält sich zu dem Fall bedeckt. Man wolle keine Einzelheiten und genaue Summen nennen, wie bei Personalfragen üblich, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow. Er beteuerte aber: „Die Stadt ist auf der Suche nach einer Stelle für Herrn Steffens, die seinen Qualifikationen und Anforderungen entspricht.“ Über die Angelegenheit sei der Hauptausschuss der Stadtverordneten in nicht-öffentlicher Sitzung informiert worden.

Keine Einzelantwort gab das Rathaus übrigens zu der Frage ab, ob Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) dieses Vorgehen als sorgsamen Umgang mit Haushaltsmitteln betrachtet. Die beiden waren auch schon einmal direkte Konkurrenten: Steffens hatte sich Anfang 2018 bemüht, Oberbürgermeisterkandidat für die SPD zu werden – war aber von den Genossen bei der Kandidatenwahl nicht berücksichtigt worden. Der heutige OB hat auch noch keine Verwendung für Steffens gefunden.

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