zum Hauptinhalt

Gegen den Hass: CDU von Leitlinien für "Potsdam bekennt Farbe" enttäuscht

Das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ hat neue Leitlinien erarbeitet. Die CDU will wohl dagegen stimmen.

Potsdam - Im Kampf gegen Online-Hass sieht Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ in einer Vorbildfunktion. „Die Demokratie verändert sich durch das, was wir in den sozialen Medien erleben. Da kann sich die Stadt nicht heraushalten“, sagte Schubert, der auch das Bündnis führt, am Donnerstag vor Journalisten. Anlass war die offizielle Präsentation der neuen Bündnisleitlinien.

Vorbild im Kampf gegen Internet-Hass

Ihn erschrecke die Diskrepanz zwischen Online- und Offlinekommunikation vieler Menschen, auch in der Politik, so Schubert. „Manche sind in der Lage, offline ganz zivilisiert mit einander zu sprechen und online bleibt zum Teil die gute Kinderstube und jegliche Toleranz auf der Strecke“, fand er die deutlichen Worte. Das Bündnis müsse hier eine Vorbildwirkung haben. Es gehe um die Überlegung, wie man in solche Diskussionen einsteigen und eingreifen könne. „Die Stadt ist nicht machtlos“, sagte er. Das habe das Engagement von „Potsdam bekennt Farbe“ gegen Pogida gezeigt. In den sozialen Medien sei das zwar schwieriger, „aber genauso wichtig“, sagte Schubert.

Das Potsdamer Bündnis wurde 2002 vor dem Hintergrund sich häufender Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund gegründet. Mittlerweile gehören ihm 46 Mitglieder an, darunter Vereine, Parteien und Institutionen. Diese haben wie berichtet in einem mehr als zweijährigen Prozess neue Leitlinien erarbeitet. Das Ergebnis ist ein zwölfseitiges Papier „Für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit – gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit“.

Ein Bündnis gegen Rechts

„Neu an den Leitlinien ist, dass das ’Für’ stärker in den Vordergrund gerückt ist“, erklärt Hannes Riemann. Der Potsdamer Historiker und Politikwissenschaftler hat den Entstehungsprozess begleitet und moderiert und anhand der Ergebnisse das Papier verfasst. In den vielen Treffen habe es Diskussionen gegeben etwa über Begriffsdefinitionen. Umstritten war unter den Teilnehmern insbesondere, so Riemann, ob die Leitlinien auf von Rechts- auf generellen Extremismus ausgeweitet werden soll.

Schubert erklärte die Konzentration auf Rechtsextremismus und -populismus mit der „Gründungsgenese“. „Potsdam bekennt Farbe“ sei als Bündnis gegen Rechts ins Leben gerufen worden. Das ordne sich ein, etwa in die Mitgliedschaft der Stadt in den Verein Europäische Städtekoalition gegen Rassismus. Es gehe dabei um die Stärkung der Demokratie. Die klare Botschaft gegen rechten Extremismus, sagte Schubert, sei „ein Grundkonsens der Potsdamer Stadtgesellschaft“. Einige Mitglieder hätten sich, so Historiker Riemann, die Ausweitung des Extremismusbegriffs gewünscht. „Aber am Ende hat eine breite Mehrheit im Bündnis sich für diese Fassung ausgesprochen“, sagte er. Schubert sprach von einem „Konsens“. Für diesen sei er dankbar, es sei keine strittige Entscheidung gewesen.

CDU will nicht für neue Leitlinien stimmen

Das sieht die CDU offenbar anders. Fraktionsvorsitzender Matthias Finken sagte auf PNN-Anfrage: „Unterm Strich ist das viel zu wenig.“ Finken selbst war an der Erarbeitung der Leitlinien beteiligt, hat an mehreren Treffen teilgenommen. „Ich habe beantragt, den Toleranzbegriff aus dem Neuen Potsdamer Toleranzedikt zu übernehmen“, erklärte er. Doch das wurde abgelehnt. Dort wird in der Präambel ein Konsens der Demokraten gegen politischen Extremismus benannt. Das Ergebnis des Leitlinienprozesses habe Finken in seine Fraktion mitgenommen. „Meiner Fraktion reicht das nicht. Sie legt Wert darauf, dass sich das Bündnis gegen alle Formen von politischem und religiösem Extremismus wendet“, so Finken. Das würde auch Linksextremismus einbeziehen. Am Montag sei eine abschließende fraktionsinterne Beratung geplant, „aber es gibt die eindeutige Tendenz, dass wir den Leitlinien in dieser Form nicht zustimmen werden“.

Oberbürgermeister Schubert zeigte sich vor der Presse im Hinblick auf das Votum der Stadtverordnetenversammlung am kommenden Mittwoch optimistisch. „Ich bin zuversichtlich, dass am Ende eine sehr breite Mehrheit der Stadtverordneten den Leitlinien zustimmen wird.“ Bisher sei das Bündnis von einem größtmöglichen Konsens getragen worden. Damit positioniere man sich gegen jede Form von Gewalt. Sein Ziel sei, dass „Potsdam bekennt Farbe“ auch künftig „der zentrale Ankerpunkt in der Stadt für alle diejenigen bleibt, die sich dem Rechtsextremismus entgegenstellen“.

Internationale Wochen gegen Rassismus

„Potsdam bekennt Farbe“ ist an den Internationalen Wochen gegen Rassismus beteiligt. Diese beginnen am 11. März um 10.30 Uhr mit dem Hissen einer Flagge vor dem Rathaus. Am 12. März findet um 18 Uhr im Potsdam Museum „Glaube in Potsdam – Der Talk“ statt, eine gemeinsame Veranstaltung der PNN und der Stadt Potsdam. Diskutiert wird mit Experten aus Politik, Religion, Wissenschaft und Gesellschaft, wie Potsdam wehrhaft bleiben kann gehen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Der Eintritt ist frei, Infos und Anmeldung unter www.pnn.de/glaube. Am 14. März liest im T-Werk in der Schiffbauergasse Antonia von der Behrens auf, Nebenklägerin im Münchener NSU-Prozess aus „Kein Schlusswort“. Am 20. März ab 13 Uhr folgt in der Da-Vinci-Gesamtschule eine Fachkonferenz zu pädagogischen Konzepten zur Bekämpfung von Rechtsextremismus. Am 21. März um 18 Uhr stehen ehemalige Crew-Mitglieder des Schiffs Iuventa, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retteten, bei einer Vorführung des gleichnamigen Dokumentarfilms im Thalia-Kino für Fragen bereit. Alle Veranstaltungen sind kostenlos

Zur Startseite