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Matthias Dombert.

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Garnisonkirche: Position von Matthias Dombert: Der Traditionsbruch haftet der Garnisonkirche untrennbar an

Wir sind über Schwarz-Weiß-Diskussionen längst hinweg. Ein Gastbeitrag von Matthias Dombert, dem Vorsitzenden der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche.

Wenn Meldungen der letzten Woche nicht trügen, ist der Potsdamer Bürgerdialog in der bisher angedachten Form offenbar gescheitert, zu einer von fachkundiger Seite moderierten, öffentlich geführten Diskussion mit den am Thema interessierten Organisationen um die Gestaltung von Plantage und Garnisonkirchengelände kommt es vorerst vermutlich nicht: Der Beitrag von Wolfram Hülsemann vom 4. Dezember – „Bau der Garnisonkirche ist Bau alter Symbolik“ – zeigt, warum die sich abzeichnende Entscheidung überdacht werden sollte, in jedem Fall aber – wenn es denn so kommt – zu bedauern ist.

Der Beitrag von Hülsemann macht nämlich deutlich, dass das ernsthafte Ringen um die städtebauliche Gestaltung der Mitte bei vielen Akteuren über das Schwarz-Weiß vereinfachender Diskussion längst hinweg ist. In seinem – differenzierenden, ja einfühlsamen – Beitrag stellt Hülsemann zutreffend dar, dass es auch bei den Befürwortern des Garnisonkirchenbaus nicht darum geht, mit dem Turm ein „Symbol für handfeste Interessen und Grundwünsche der Herrschenden“ wiedererstehen zu sehen. Hülsemann befürchtet „die Gefahr alter Symbolik“, der Akt des Bauens werde selbst zum Problem. Damit spricht Hülsemann einen Umstand an, der auch von den Befürwortern – namentlich Stiftung und Fördergesellschaft – durchaus gesehen wird, ja die gesamte Diskussion um die Wiedererrichtung des Turmes stets begleitet hat. Und daher ist Hülsemann auch zuzustimmen, dass es nie darum gehen konnte und gehen kann, „die alte Symbolik der zerstörten Garnisonkirche ungebrochen“ zu rekonstruieren. Auch Stiftung und Fördergesellschaft wollen klare „Signale für Wertbildung und demokratische Wertesicherung der Gesellschaft“ mit dem Garnisonkirchenturm ausgesendet sehen. Dabei kann schon der Bau als solches nicht gegen die Befürworter gewandt werden.

Bruch in der Geschichte: Stadtschloss als Beispiel

Das Stadtschloss macht es vor. Von seiner Entstehung und früheren Nutzung her wahrlich kein Ort demokratischer und bürgerschaftlicher Gesellschaftsgestaltung, macht seine heutige Nutzung durch den Landtag den „Bruch in der Geschichte“ deutlich, ohne dass angesichts der historisierenden Fassade die Gefahr aufkäme, hierdurch würden – wie Hülsemann schreibt – „Vorstellungswelten geöffnet, „die von dem sorgsamen und engagierten Bemühen in den Innenräumen“ unbeeindruckt blieben. Die Zehntausenden jährlichen Besucher besichtigen ihr demokratisch verfasstes, von ihnen gewähltes Parlament, haben aber wohl kaum das Gefühl, „bei Hofe“ zu sein. Gerade das Stadtschloss – dessen Wiedererrichtung in äußerer historischer Hülle ebenfalls so lange stark umstritten war – zeigt die Parallelen zum Turm der Garnisonkirche.

Wie beim Stadtschloss ist auch bei der Garnisonkirche der Ausgangspunkt ein städtebaulicher. Die Baugenehmigung der Landeshauptstadt bezeichnet die Garnisonkirche von Philipp Gerlach zutreffend als „maßstabsbildend“ und als „wichtigste bauliche Anlage im Gestaltungsentwurf“ der Stadt. Zutreffend wird in ihr auf den starken Bezug zwischen Garnisonkirche und Schloss hingewiesen, der sich unter anderem an der Lage im Stadtgrundriss zeigt. Gerade die „lagegetreue Errichtung des Kirchturmes“ wird daher in den Gründen der Entscheidung von großer Bedeutung angesehen, da damit in Bezug auf das Stadtschloss „das Stadtbild prägendste und stadtgeschichtlich wichtigste Gebäudeensemble wieder vervollständigt wird“. Der Sache geht es – auch hierauf weist die Baugenehmigung hin – um „Erinnerungsarchitektur“.

Erinnerung an die dunklen Momente der deutschen Geschichte

Allerdings soll es nicht um Erinnerung im Sinne einer „ungebrochenen Rekonstruktion“ der Interessenlagen ehemals Herrschender gehen, wohl aber um die Erinnerung an dunkle Momente der deutschen Geschichte, ja Erinnerung an das Versagen der deutschen Elite. Für diese Erinnerungskultur werden wir Deutsche im Ausland vielfach gelobt. Von ihr gibt es in Potsdam zu wenig. Leistikow- oder Lindenstraße sind nicht genug. Und daher soll auch im Zusammenhang mit der Garnisonkirche dem Betrachter deutlich gemacht werden, dass Demokratie kein auf alle Zeiten gesicherter Endzustand ist, sondern buchstäblich jeden Tag neu errungen werden muss.

Dies ist der Traditionsbruch, der der Garnisonkirche untrennbar anhaftet und auf den Stiftung und Fördergesellschaft stets gesetzt haben. Man kann lange darüber diskutieren, wessen es noch bedarf, um diese Brüche noch deutlicher werden zu lassen. Fest steht aber bereits jetzt, dass das Nutzungskonzept, das der Baugenehmigung für den Kirchturm zugrunde liegt, diesen Bruch von vornherein zur Grundlage gemacht hat. Der Wiederaufbau des Turmes der Garnisonkirche in seiner historischen Hülle mit dem modernen Nutzungskonzept im Inneren dokumentiert einen klaren Bruch in der Architektur. Im Inneren des Turmes werden Funktionen eingerichtet, die es, bis auf die Kapelle im Turmsockel, noch nie gegeben hat. Ausstellungsfläche, Seminar- und Gemeinderäume, Café, Büroräume sowie Verkaufsraum für Tickets und Andenken sind Nutzungsbestandteil. Ein Aufzug auf den dann höchsten öffentlich zugänglichen und barrierefreien Aussichtspunkt Potsdam ist vorgesehen, schwer vorstellbar, dass bei alldem den Besucher die Sehnsucht nach preußischen Regimentsfahnen packt. Über die Nutzung zu künstlerischen Zwecken mag man nachdenken, die örtliche Nähe zu dem von Künstlern genutzten ehemaligen Rechenzentrum könnte dies nahelegen. Ein Dialog, der hierüber öffentlich geführt und fachkundig begleitet worden wäre, hätte dieser Diskussion den organisatorischen Rahmen geben können, natürlich auch in Bezug auf den Standpunkt von Wolfram Hülsemann. Es soll vorerst offenbar nicht sein. Schade.

Der Autor ist Vorsitzender der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche

Matthias Dombert

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