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Garnisonkirche: Drei Nägel für den Frieden

Paul Oestreicher wünscht sich originalen Garnisonkirchenturm – aber nur mit Versöhnungszentrum.

Innenstadt - Einen zynisch kulturvollen Namen hatte man dieser Militäroperation gegeben. Mondscheinsonate nannte man sie. Unter diesem Codewort flog die deutsche Luftwaffe am 14. November 1940 ihren Luftangriff auf die englische Stadt Coventry. Dabei starben 550 Menschen. Viele Gebäude, darunter die St. Michael’s Kathedrale, wurden zerstört. Nur sechs Wochen später, mitten im Krieg, mahnte Coventrys Dompropst Richard Howard in seiner Weihnachtspredigt, man werde eines Tages auch mit den Deutschen Frieden machen. Christen müssten Ja zur Vergebung und Nein zur Vergeltung sagen.

An diese bemerkenswerte Weihnachtspredigt von vor einem Dreivierteljahrhundert erinnerte Nagelkreuz-Aktivist Paul Oestreicher am vergangenen Dienstag in der Potsdamer Nagelkreuzkapelle am einstigen Standort der Garnisonkirche. „Total gegen die Empfindungen der meisten Menschen in Coventry“ sei die Predigt damals gewesen, sagte Oestreicher, der von 1985 bis 1997 Domkapitular und Leiter des Internationalen Versöhnungszentrums der Kathedrale von Coventry war.

Andacht zum Weltfriedenstag

Der 83-Jährige hatte am Dienstag gemeinsam mit Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst aus Anlass des Weltfriedenstages eine Andacht gestaltet. Anschließend diskutierten Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, sowie der evangelische Militärbischof Sigurd Rink gemeinsam mit Pfarrerin Radeke-Engst über Möglichkeiten der Verhinderung von Kriegen. Nach anderthalb Stunden Podiumsgespräch erinnerte Oestreicher mit seinem aus dem Publikum heraus gehaltenen Statement an die Predigt von Richard Howard aus dem Jahre 1940. „Die Einübung der Feindesliebe“, wie sie Jesus in der Bergpredigt gefordert habe, sei ein wichtiger Bestandteil der Konfliktbewältigung. „Das kommt in der Praxis der Kirchen ganz wenig vor“, bedauerte Oestreicher.

Auf die aktuellen Kriege in der Welt angesprochen, äußerte Militärbischof Rink große Zweifel, ob Waffenlieferungen an Kriegsparteien „die adäquate Art der Konfliktbewältigung“ seien. „Wo sehen wir diese Waffen in fünf oder zehn Jahren wieder?“, fragte Rink. Friedensbeauftragter Brahms kritisierte mit deutlichen Worten, dass die deutsche Entwicklungshilfe sowie das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze im Vergleich zum Verteidigungsetat mit verhältnismäßig wenig Geld bedacht würden. „Nur ein paar Milliarden“ aus der Rüstungsforschung wünsche er sich für die Friedensarbeit.

Lebendiges Versöhnungszentrum am Standort der Garnisonkirche

Für ein lebendiges Friedens- und Versöhnungszentrum am Standort der ehemaligen Garnisonkirche in Potsdam sprach sich Paul Oestreicher am Rande der Veranstaltung in der Nagelkreuzkapelle aus. Zugleich erklärte er erneut, der Wiederaufbau der Garnisonkirche oder auch nur ihres Turms dürfe nicht allein aus Gründen der Wiedergewinnung des Stadtbildes erfolgen. Ginge es nur um das äußere Erscheinungsbild, „dann würde ich sagen, lieber nicht“, erläuterte Oestreicher. Gegen einen äußerlich originalgetreuen Wiederaufbau des Turms habe er aber nichts einzuwenden – wenn darin ein Versöhnungszentrum eingerichtet werde. „Er muss nicht anders gemacht werden“, sagte der Geistliche im Hinblick auf die Idee, den Turm in äußerlich veränderter Weise wiederzuerrichten. Zu einem möglichen Wiederaufbau des Kirchenschiffs äußerte sich Oestreicher hingegen sehr zurückhaltend: „Da müsste erst einmal ein neuer Gedanke entwickelt werden, was man damit machen will.“

Der Versöhnungsgedanke ist in der Nagelkreuzkapelle, die am Standort der im Krieg zerstörten und 1968 endgültig gesprengten Garnisonkirche steht, nicht nur im Namen, sondern auch im Nagelkreuzsymbol sichtbar. Die Kapelle gehört zum weltweiten Netz der Nagelkreuzbewegung. Coventrys Dompropst Howard hatte einst nach der Zerstörung der Kathedrale von Coventry drei Nägel aus dem Dachstuhl des Gotteshauses zu einem Kreuz zusammensetzen lassen – und so das heute weltbekannte Symbol für Frieden und Versöhnung geschaffen.

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