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Gibt’s auf allen Potsdamer Märkten. Gezeichnet wurde der Brassica oleracea var. botrytis L. von der Potsdamer Künstlerin Heike Isenmann.

© Heike Isenmann

Frisch vom MARKT: Mal wieder einen Blumenkohl kaufen

Dem Blumenkohl gebührt mehr Aufmerksamkeit und Dank, denn er rettet uns auch jetzt im Vorfrühling, wenn man sich nach Frischem sehnt, es aber erst wenig Freilandgemüse gibt, meint unsere Autorin Steffi Pyanoe.

Potsdam - Der Blumenkohl ist selbstredend ein Blütengemüse: Gegessen wird der weiße Blütenstand. Der ist zur Ernte nur deshalb noch weiß, weil die umhüllenden Blätter ihn vor Sonnenlicht schützen. So mag man ihn in Deutschland, blütenweiß, während es in Italien und Frankreich auch grüne und violette Sorten gibt, weil da die Sonne ran darf.

Zum Gemüsekanon der Zivilisation, auch in Deutschland, gehört er schon seit vielen Jahrhunderten. Aber irgendwie haftet ihm mittlerweile das Fluidum der Langeweile an. Der Unsichtbarkeit. Man plant selten mit ihm. Nur wenn man so gar keine Ahnung hat, was man Mittwochabend essen soll, dann nimmt man eben einen Blumenkohl mit. Nein, ein leidenschaftliches Gemüse ist er nicht. „Der Blumenkohl ist nichts als ein Kohlkopf mit akademischer Bildung“, soll Mark Twain gesagt haben. Und Jörg Kachelmann sprach gerne von „Blumenkohlwolken“ – da steckt dann doch eine gewisse Sinnlichkeit drin.

Er macht es uns ja eigentlich leicht: Was auf den Markt kommt, sieht heute in der Regel makellos aus, lässt sich schnell entblättern, zerteilen und zubereiten. Vier Minuten kochen und Klecks Butter drauf, mehr muss man eigentlich nicht machen. Hier liegt aber auch die Gefahr. Oft wird aus dem knackigen Kerl eben doch liebloser, grauer Matsch, den man als Kind auf dem Teller hin und her schob. Die deutsche Wohlstandsküche ersäufte ihn alternativ gerne unter holländischer Soße oder brauner Butter mit Semmelbröseln. Die Krönung auf der Tafel war ein ganzer Kopf mit Schinkencamouflage. Sollte es das wirklich gewesen sein?

Dem Blumenkohl gebührt mehr Aufmerksamkeit und Dank, denn er rettet uns auch jetzt im Vorfrühling, wenn man sich nach Frischem sehnt, es aber erst wenig Freilandgemüse gibt. Der hübsche Kohlkopf ist immer irgendwo im Angebot. Moderne Köche braten ihn in der Pfanne oder auf dem Grill und rösten ihn im Backofen. Er macht sich gut im Curry, roh im Salat und man soll aus seinen feinen Bröseln sogar Low-Carb-Pizzaboden herstellen können. Mut zur klassischen Zubereitung hat das Potsdamer Restaurant „Das Kochzimmer“ und bietet ihn à la Fontane mit holländischer Soße, diese aber luftig aus dem Sahnesiphon.

Zu den Fakten: Der Brassica oleracea var. botrytis L. ist selbstredend gesund, hat viel Vitamin C und kaum Kalorien, denn er besteht zu 92 Prozent aus Wasser. Zitrone im Kochwasser hält ihn weiß und soll den Kohlgeruch im Haus mindern. Der Anbau im Garten ist etwas kniffelig: Wer das mal versucht hat, weiß, dass Kohlfliege, Erdfloh und Kohlhernie, ein fieser Schleimpilz, der die Wurzeln vernichtet, nur darauf warten, sich in den Pflänzchen einzunisten. Das führt dann oft genug zum Totalschaden. Deshalb war, was Grenouille im Roman „Das Parfum“ mit seinem Geruchssinn konnte, gleichermaßen beeindruckend und praktisch: „Er wusste, dass eine Raupe im Blumenkohl steckte, ehe der Kopf zerteilt war“.

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