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Landeshauptstadt: Ferien in der Regelungslücke

Mieterbund und Hotelgewerbe fordern Reaktion auf wachsende Zweckentfremdung von Wohnungen

Die zunehmende Zweckentfremdung von Wohnungen als Touristenquartiere verursacht nun auch in Potsdam eine Debatte. Der Mieterbund fordert ein Verbot, der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) spricht von Wettbewerbsverzerrung. Doch sowohl die Stadtverwaltung als auch die Landesregierung sehen keinen Handlungsbedarf und verweisen auf den jeweils anderen.

Auslöser ist eine am Sonntag veröffentlichte Studie der Gesellschaft für Beteiligungen und Immobilienentwicklungen (GBI). Demnach werden jährlich fast 70 000 Übernachtungen über Internetportale wie Airbnb, Wimdu oder 9flats in Potsdamer Privatunterkünfte vermittelt, die dauerhaft zu diesem Zweck angeboten werden. Das entspricht 6,3 Prozent der Übernachtungen, die in der offiziellen Tourismusbilanz gezählt werden. Damit rangiert die Landeshauptstadt in den Top Ten in Sachen privat vermittelter Zimmer. 183 Wohnungen würden so dauerhaft dem Mietmarkt entzogen. Durch die Vermietung an Städtereisende sinke nämlich das Angebot kleiner Apartments. Auf der anderen Seite entwickele sich „eine quasi-gewerbsmäßige Konkurrenz zu Hotels und Pensionen“, so die Autoren der Untersuchung.

Der Mieterbund im Land Brandenburg fordert nun Stadt und Landesregierung zum Handeln auf. Seit Jahren fordere man vom Land und von der Stadt Potsdam, die Zweckentfremdung von Wohnraum zu verhindern, weil diese Wohnungen dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt entzogen werden und damit den Mangel an bezahlbaren Wohnungen eher verschärfen, so Vorstand Rainer Radloff. „Wir halten es jedoch für wohnungs- und mietenpolitisch sehr bedenklich, wenn die Kommune einem Geschäftsmodell, welches dem Wohnungsbestand Wohnungen entzieht und dabei erhebliche private Gewinne erzielt, nicht entgegentritt.“

Im Hotelgewerbe sieht man die Konkurrenz durch private Anbieter kritisch: „Der Wettbewerb wird verzerrt“, so Olaf Lücke, Geschäftsführer des Brandenburger Dehoga. Alle Anbieter müssten registriert werden. Angesichts der von der Stadt seit Oktober 2014 erhobenen Bettensteuer von fünf Prozent auf den Übernachtungspreis fordert Lücke Gleichbehandlung. 70 000 Übernachtungen sei eine ernstzunehmende Größenordnung.

Bei der Stadt sieht man jedoch seine Hände weitgehend gebunden: Bis 2004 galt in Brandenburg ein „Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“, es wurde dann ersatzlos aufgehoben. „Eine gewerbliche Nutzung von Wohnraum und damit auch eine Nutzung als Ferienwohnung ist seitdem nicht mehr per se unzulässig“, so Stadtsprecher Jan Brunzlow. Wie viele solche Unterkünfte in Potsdam angeboten werden, werde von der Stadtverwaltung nicht erhoben. Und ohne Verbot gebe es weder Kontrollen noch Sanktionen. Einschränkungen könne die Stadt allenfalls in Bebauungsplänen formulieren, wenn in Wohngebieten Ferienwohnungen mit „gewerblichem Charakter“ ausgeschlossen würden. Eine stärkere Handhabe besäßen nur die Wohnungseigentümer selbst, die laut Mietrecht bei einer Untervermietung um Zustimmung gebeten werden müssen. „Ohne Zustimmung kann der Vermieter das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses haben“, so Brunzlow.

Bei der Landesregierung ist man überrascht von der Forderung nach einem Verbot der Zweckentfremdung von Wohnungen – wie sie in Berlin gilt. Das Thema sei weder von Potsdam noch von einer anderen Kommune an die Landesregierung herangetragen worden, hieß es auf Nachfrage aus dem zuständigen Infrastrukturministerium. Allerdings müsse die dauerhafte Vermietung als Gewerbe angemeldet und auch entsprechend versteuert werden. Marco Zschieck

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