zum Hauptinhalt
Private Showeinlage. Sieben Kinder einer Hausgemeinschaft führten als Adventsüberraschung in der Carl-von-Ossietzky-Straße ein Balkontheater auf.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Fensterchen, öffne Dich

Täglich wird in Potsdam-West Lustiges, Schräges oder Kreatives im Fenster oder auf dem Balkon geboten

Von Eva Schmid

Carl-von-Ossietzky-Straße 7, ein Filmscheinwerfer leuchtet die Fassade einer restaurierten Gründerzeitvilla an. Der Scheinwerfer-Spot fällt auf einen Balkon im zweiten Stock, alle Fenster des Hauses sind dunkel, auf der gegenüberliegenden Straßenseite schauen etwa 30 Menschen gespannt nach oben. Plötzlich ertönt per Lautsprecher die bekannte Weihnachtsmelodie aus Tschaikowskys’ Nussknacker. Ein Fenster öffnet sich langsam, ein Mann mit blauem Zauberhut begrüßt die wartende Menge zum zweiten Adventstürchen des „Lebendigen Adventskalenders“ in Potsdam-West.

An diesem Abend gibt es ein Balkontheater, acht Kinder zwischen sieben und zehn Jahren führen ein russisches Volksmärchen auf. Der Mann mit Zauberhut hat das Märchen für das siebenminütige Spektakel umgeschrieben und an die Karnevalskostüme der Kinder angepasst, die nun als Schneewittchen, Drache Fauki oder Schwertkämpfer im Scheinwerferlicht auf dem Balkon auftreten. Während der Märchenerzähler vorliest, spielen die Kinder die Geschichte mit ausladenden Gesten nach. „Das mit dem Balkontheater haben wir sehr oft, aber es reicht schon, wenn jemand das Fenster öffnet und einfach Geige spielt“, erklärt die 39-jährige Christina Anlauf. Die Autorin lebt mit ihren vier Kindern in Potsdams wohl kinderreichster Straße. Bei einem winterlichen Spaziergang durch die Carl-von-Ossietzky-Straße ist einst die Idee für den lebendigen Adventskalender entstanden: „Die Fenster in dieser schönen Straße sehen doch schon so aus wie die eines Adventskalenders.“ Vor vier Jahren sprach Anlauf „alle Künstler und Semi-Künstler“ dieser Straße an und organisierte in den ersten zwei Jahren die außergewöhnlichen Adventsüberraschungen. Mittlerweile hat das Stadtteilnetzwerk Potsdam-West die Organisation professionalisiert.

„Ich werde jedes Jahr schon im August von Nachbarn angesprochen, die unbedingt auch was machen wollen“, beschreibt Christina Anlauf das rege Interesse. Mittlerweile ist die Nachbarschaft fest zusammengeschweißt, das war anfangs nicht so: „Früher kannten die Nachbarn sich nicht, nach einer gemeinsamen Aufführung war die Nähe hergestellt“, so die Initiatorin. „Wir Familien aus der Straße sind im Sommer sehr aktiv und im Winter eigentlich weniger; daher ist es ja so schön, dass wir uns täglich, auch nur kurz, alle mal sehen“, erzählt die 35-jährige Mutter Nicole Huhn.

Auch das jüngste Weihnachtsmärchen haben mehrere Familien eines Wohnhauses organisiert. Nach zwei Mal proben wurde das Stück aufgeführt. „Ich war total aufgeregt“, sagt der achtjährige Matthis, und Bent, zehn Jahre, erzählt von seinen eingefrorenen Händen. Die jungen Schauspieler sind trotzdem sehr stolz, und ein dreijähriger Junge zupft seine Mutter am Ärmel und flüstert: „Du, ich will auch mal das man so was macht bei mir im Kinderzimmer.“ Eva Schmid

Zur Startseite