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Vor 100 Jahren starteten die Hilfsaktionen auch in Potsdam. 

© Quäker-Stiftung

Erinnerung an Hilfsaktionen: Stille Helfer gegen Hass und Verfolgung

Vor 100 Jahren begann auch in Potsdam die Quäkerspeisung. Auf dem Bornstedter Friedhof ruht Henry Wood, einer der Initiatoren. Heute wird an die Arbeit der Initiative erinnert.

Potsdam - Als Stille Helfer sind sie bekannt geworden, die Quäker. Vor allem in Deutschland hat das Quäkertum, das sich vor gut 375 Jahren zunächst in Großbritannien und später in den USA entfaltete, viel für die Verständigung zwischen den Völkern und ihren Bewohnern getan, damit Hass und Krieg nicht mehr das Leben beherrschen. Die große Notlage der Deutschen, vor allem der Kinder nach dem Ersten Weltkrieg, hat innerhalb der Quäker eine große Bewegung ausgelöst, ohne Aufsehen Hilfe zu leisten. Am 26. Februar 1920 begannen die rund 40000 „stillen Helfer“ das Hilfsprogramm in die Tat umzusetzen. In der damaligen Reichshauptstadt Berlin gab es die ersten Küchen, die Kinder mit Untergewicht und Unterernährung versorgten. In der Bornstedter Kirche wird am heutigen Freitag der ersten Quäkerspeisung in Deutschland vor 100 Jahren gedacht. Einer der Initiatoren war der am 20. August 1925 in Potsdam verstorbene Henry Wood. Er fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Bornstedt.

Große Spendenaktionen für Versorgung der Kinder

Der Physiker Albert Einstein lobte damals das völkerverbindende Element der Quäkerhilfe: „Keine andere Komponente des öffentlichen Lebens ist in gleichem Maße geeignet, das gegenseitige Vertrauen der Völker wieder erstarken zu lassen.“ Für ihre Aktionen initiierten die Quäker groß angelegte Geldspende-Aktionen und verschafften damit den hungernden Kindern im vom Krieg ausgezehrten Deutschland eine stärkende Mahlzeit. Bis zu einem dreiviertel Liter Milchreis, Kakao, Erbsen- und Bohnensuppe sowie Weißbrot wurden an die Bedürftigen verteilt.

Grabstein von Henry Wood in Bornstedt.
Grabstein von Henry Wood in Bornstedt.

© Foot: Andreas Klaer

Wood hatte durch die Heirat in die Familie von Kretschmann enge Bindungen zur ehemaligen Residenzstadt. Mit Marianne von Weizsäcker, geborene von Kretschmann, und Witwe des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, sind verwandtschaftliche Beziehungen gegeben. Der Germanistik-Professor an der John-Hopkins-Universität in Baltimore, New Jersey, hegte vor allem ein wissenschaftliches Interesse an Deutschlands Nationaldichter Goethe. Besonders dessen Faust-Dichtung nahm ihn gefangen. Aber auch der alten englischen und schottischen Liebeslyrik galt Henry Woods Forscherdrang. Zu dem Potsdamer Quäker-Hilfsprogramm-Engagement des Goethe-Forschers konnte der in der Bornstedter Gedenkstunde referierende Lutz Caspers, langjähriger Vorsitzender der Quäker-Hilfe und Kenner der Geschichte des Hilfswerkes, keine Details finden. Vielleicht bringt die aus den USA anreisende Enkelin, Jennifer Wood, während ihres Grußwortes etwas mehr Licht ins Dunkle.

Mahlzeiten wurden ausgegeben an arme Kinder.
Mahlzeiten wurden ausgegeben an arme Kinder.

© Quäker-Stiftung

Doch ein Dokument von 1921 fand Caspers. Auf ihm wurde bestätigt, dass es ein Feeding Centre (Ernährungs-Zentrum) sowie eine Küche für die Vorbereitung von Speisen in Potsdam gegeben hat. In jenem Jahr fand auch eine Konferenz der Quäker im Palasthotel an der Alten Fahrt statt. Kurt Vosberg, Oberbürgermeister von 1906 bis 1923, hat in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass der Magistrat für die Veranstaltung den Blumenschmuck als kleines Zeichen des Dankes für die Hilfe der Quäker gespendet hat. Er hoffe, so Vosberg, dass damit die freundliche Verbindung zweier großer Völker fortgesetzt werde.

Stille Helfer für Verfolgte der NS-Zeit

Die Quäkerhilfe hat sich auch in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur für Verfolgte als stille Helfer eingesetzt. Ihr Büro in Berlin fungierte bereits im März 1933 zum Zufluchtsort gejagter Männer und Frauen. Sie versteckte jüdische Menschen vor der Verfolgung und dem Morden, verhalfen viele zur Ausreise aus Deutschland. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war Hilfe in ganz Europa gefragt. Nach Nationalität, Konfession oder politischer Überzeugung wurde nicht gefragt. Die Quäkerspeisung kam wieder in Gang, vorrangig für Kinder in den amerikanischen und britischen Besatzungszonen. Aber auch die Schwedenspeisung, die von Christen des skandinavischen Landes organisiert wurde, hat viele deutsche Kinder in den Jahren 1946 bis 1948 erreicht, auch in Potsdam.

Ausgezeichnet mit Friedensnobelpreis

Die Religiöse Gesellschaft der Freunde, wie sich offiziell die Gemeinschaft der Quäker nennt, sowie die Quäker-Hilfe e.V. ist nach wie vor unterwegs, um Menschen, die in Not und Bedrängnis in der ganzen Welt leben müssen, beizustehen. Den Glauben durch die friedliche Tat bezeugen, gehört zum Credo der Quäker. Ihre auf Hoffnung aufbauende Arbeit nach zwei Weltkriegen wurde bereits 1947 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. 

Am heutigen Freitag um 17 Uhr wird an den Start der Quäkerspeisung in Potsdam vor 100 Jahren erinnert, gleichzeitig stellt sich die auch heute noch aktive Initiative vor. Zur Veranstaltung in der Bornstedter Kirche, Ribbeckstraße 41, hält die Nachfahrin von Henry Wood,  Jennifer Wood, ein Grußwort. Auch der langjährige Vorsitzender der Quäker-Hilfe, Lutz Caspers, wird mit einer Ansprache erwartet.

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