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Manfred Stolpe im März 2014. 

© Ralf Hirschberger/dpa

Update

"Er war immer Mensch": Bürger und Politiker erweisen Manfred Stolpe die Ehre

Zahlreiche Politiker, Potsdamer und Brandenburger Bürger haben sich in das Kondolenzbuch für Manfred Stolpe eingetragen. Der SPD-Politiker war am Sonntag gestorben.

Potsdam - Es ist still. Kein Wort wird gesprochen, die Schritte werden durch den grauen Teppich gedämpft. Andächtig stehen die Menschen in der Schlange in einem Raum der Staatskanzlei, um Manfred Stolpe die Ehre zu erweisen. Draußen wehen die Fahnen auf Halbmast. Bis zu 30 Personen warten an diesem Silvestermorgen gleichzeitig darauf, sich in das Kondolenzbuch einzutragen. Das Buch liegt neben einer weißen Kerze, einem gerahmten Foto und einem weißen Blumengesteck auf einem schwarz gedeckten Tisch. Dahinter das Ölporträt Stolpes, gemalt von Johannes Heisig, von dem der erste brandenburgische Ministerpräsident nach der Wende und ehemalige Bundesverkehrsminister unter Kanzler Gerhard Schröder (beide SPD) nachdenklich blickt.

Gekommen sind zahlreiche Stadt- und Landespolitiker, ehemalige politische Weggefährten Stolpes, aber auch viele Potsdamer und Brandenburger Bürger. Wen man auch fragt, sie alle haben persönliche Erinnerungen an Manfred Stolpe, der in der Nacht zum Sonntag im Alter von 83 Jahren nach langer Krankheit starb. Ein Satz scheint zusammenzufassen, was viele an Stolpe schätzten: "Er war immer Mensch." So drückt es Uwe Koch aus, der vor 20 Jahren ein Straßenfußballprojekt für Toleranz gründete, das Stolpe unterstützte, und diesen auch von Tagungen kennt. "Wenn ich ihn getroffen habe, stand da kein Ministerpräsident a.D., sondern Manfred Stolpe", so Koch. "Er ging auf die Menschen zu, kam ins Gespräch, aber zugleich hat man sein Wissen gespürt."

Richard Woeckel.
Richard Woeckel.

© Andreas Klaer

Zugewandt und bescheiden

Auch Yvonne Siwkowski hat Stolpe als nahbaren, unprätentiösen Mann erlebt. Sie arbeitete früher im Restaurant der Staatskanzlei. "Wenn Herr Stolpe kam, hat er ganz ruhig mit uns geredet, ganz bescheiden", sagt sie. Richard Woeckel teilt diese Einschätzung. Der Mann aus Franken ist regelmäßig bei seinem Schwiegersohn in Potsdam zu Gast, lernte Stolpe vor ein paar Jahre beim Spazierengehen kennen. "Er war zugewandt, unkompliziert, interessiert", sagt er.

Erhard Thomas, Stolpes ehemaliger Regierungssprecher.
Erhard Thomas, Stolpes ehemaliger Regierungssprecher.

© Andreas Klaer

Auch auf politischer Ebene loben viele, die ihn zwischen 1990 und 2002 als Ministerpräsidenten erlebt haben, seine Gesprächsbereitschaft. "Besonders geschätzt habe ich Stolpes Fähigkeit, Diskussionen zuzulassen", sagt Peter Schüler, langjähriger Kommunalpolitiker der Grünen und seit Mai Leiter der Fachstelle Antisemitismus. Zugleich sei Stolpe immer blendend informiert gewesen.

"Er war kein Kumpel-Typ"

Erhard Thomas, damals Regierungssprecher von Manfred Stolpe, erinnert sich an keinen einzigen Streit in seinen zwölf Jahren an der Seite des Ministerpräsidenten. "Obwohl er mein Chef war, hat er nie Weisungen erteilt", so Thomas. "Er war ein Mann der indirekten Autorität." Er habe Anregungen gegeben, Fragen gestellt. Zugleich sei er sehr hartnäckig gewesen. "Stolpe hat immer mit seiner pommerschen Sturheit kokettiert."

Die Schwestern Elske und Frauke Hildebrandt (r.), die Töchter der 2001 verstorbenen Ex-Ministerin Regine Hildebrandt.
Die Schwestern Elske und Frauke Hildebrandt (r.), die Töchter der 2001 verstorbenen Ex-Ministerin Regine Hildebrandt.

© Andreas Klaer

Doch auch wenn alle Stolpe als stets gesprächsbereit und offen in Erinnerung haben, blieb eine gewisse Distanz. "Er war kein Kumpel-Typ", sagt sein früherer Sprecher Thomas. Selbst enge Mitarbeiter und politische Mitstreiter siezten ihn. "Einmal saßen wir auf dem Rückweg von einem Parteitag im Auto, da haben ihn andere Genossen geduzt. Er sagte zu mir, das muss man wohl aushalten", erzählt Thomas.

Frauke Hildebrandt ist die Tochter von Regine Hildebrandt, SPD-Politikerin und unter Stolpe neun Jahre lang Sozialministerin. Regine Hildebrandt starb wie Stolpe auch an Krebs. "Meine Mutter und Manfred Stolpe hatten eine sehr enge Beziehung, er war ihr großer Unterstützer", sagt Frauke Hildebrandt. "Aber Stolpe war nicht durchsichtig, nicht berechenbar, nicht glatt." Doch er habe um seine Fehler und Abgründe gewusst.

Oberbürgermeister Mike Schubert.
Oberbürgermeister Mike Schubert.

© dpa

Immer wieder kommen Stolpes Verdienste zur Sprache

Auch Stolpes Rolle für die Kirche wird immer wieder betont. So erzählt etwa Konrad Geburek, wie er mit Stolpe kurz nach der Wende Flüchtlingen aus Vietnam und der früheren Sowjetunion geholfen habe. „Stolpe hat als Christ in der DDR immer seine Haltung bewahrt und seine Werte verteidigt“, sagt Geburek, dafür verehre er ihn.

Seine Rolle in der Kirche nennen viele der Besucher nach dem Eintrag ins Kondolenzbuch. "Manfred Stolpe hat mein Leben als Christ viele Jahre lang begleitet", sagt Helmut Przybilski, ab 1990 Stadtpräsident von Potsdam. Stolpe habe die Kirche gegenüber der Staatsführung der DDR so vertreten, dass diese von ihrer absolut kirchenfeindlichen Haltung abgewichen sei.

Immer wieder zur Sprache kommen bei jenen, die sich ins Kondolenzbuch eingetragen haben, die Verdienste Stolpes für das Land, die Stadt Potsdam und die SPD. "Er hat eine Menge für diese Stadt getan", sagt Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD)

Marie Schäffer, grüne Landtagsabgeordnete und 1990 geboren, hat zwar wenig Erinnerungen an Stolpe als Ministerpräsident. "Aber es ist wichtig sich bewusst zu machen, auf wessen Schultern man steht", so Schäffer. "Stolpe hat dieses Land in seinem Findungsprozess geprägt." Auch Linda Teuteberg, Potsdamerin und Generalsekretärin der FDP, hebt Stolpes Rolle als Landesvater hervor. "Er hat diesem Land ein Gefühl der Zuversicht und der Sicherheit vermittelt."

Manja Schüle (SPD), Wissenschaftsministerin in der neuen Kenia-Koalition, ist unter Stolpe in die SPD eingetreten. "Manfred Stolpe war mein Landesvater, ein Ratgeber und Versöhner", so Schüle. "Stolpe hat Generationen geprägt." Auch als er nicht mehr sprechen konnte, habe sie sich regelmäßig per SMS mit ihm ausgetauscht, um Rat gefragt, seine Meinung eingeholt etwa zum Zustand der SPD. "Ich werde ihn ehrlich vermissen."

Am Ende des ersten Tages hatten sich genau 102 Menschen in das ausgelegte Kondolenzbuch eingetragen. Dazu besteht noch am Neujahrstag vom 11 Uhr bis 16 Uhr sowie am Donnerstag und Freitag von 10 Uhr bis 18 Uhr die Möglichkeit. Das Kondolenzbuch soll bis mindestens Ende nächster Woche in der Staatskanzlei ausliegen, sagte Regierungssprecher Florian Engels am Dienstagnachmittag den Potsdamer Neueste Nachrichten.

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