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René Elgert (links) von der Energie und Wasser Potsdam erklärte Bundesbauministerin Klara Geywitz und Potsdams Bürgermeister Burkhard Exner die Potsdamer Solarthermieanlage. 

© Andreas Klaer

Energiewende in Potsdam: Solarthermie erzeugt 17 Prozent der Potsdamer Wärme

Allerdings funktioniert das nur im Sommer so gut. Trotzdem gehört Potsdam mit der Anlage zu den Vorreitern bundesweit. Wie die Dekarbonisierung weitergehen könnte.

Potsdam - Eine Woche können die Fernwärmekunden der Energie- und Wasser Potsdam (EWP) ungefähr noch warm duschen, falls die Gasversorgung für das Heizkraftwerk in Potsdam Süden ausfällt. Das sei natürlich nur eine Schätzung, sagte EWP-Geschäftsführer Eckard Veil den PNN, und hänge von den Rahmenbedingungen ab. Dazu zählt, ob der Verbrauch wie im Winter hoch ist oder wie jetzt im Sommer niedrig. Außerdem ist der Fall hypothetisch, weil es selbst bei einem Lieferstopp Russlands ja noch andere Quellen für Erdgas gibt.

Dennoch zeigt die Duschfrage, wie abhängig vom Gas auch Potsdam – besonders in der Wärmeversorgung – ist. Deshalb sollen Alternativen her. Wie der Umstieg gelingen soll, war am Donnerstag Thema eines Besuchs von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Standort des Solarthermiekraftwerks der EWP im Potsdamer Industriegebiet. „Jahrtausendelang haben die Menschen mit fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas geheizt. Das muss sich nun ändern“, so Geywitz. Es sei nicht nur wegen der Versorgungssicherheit nötig, sondern auch im Kampf gegen den Klimawandel.

Die Solarthermieanlage der Energie und Wasser Potsdam mit 5157 Quadratmeter Kollektorfläche für die Wärmespeisung in das Potsdamer Fernwärmenetz.
Die Solarthermieanlage der Energie und Wasser Potsdam mit 5157 Quadratmeter Kollektorfläche für die Wärmespeisung in das Potsdamer Fernwärmenetz.

© Andreas Klaer

Solarthermie könne in diesem Umbruch einen Beitrag auch für Nah- und Fernwärmenetze leisten, so Geywitz weiter. Bei Solarthermie werden die Sonnenstrahlen genutzt, um heißes Wasser zu erzeugen. Das funktioniert auch, wenn die Sonne niedrig steht oder es bewölkt ist. Die 2019 gebaute Anlage in Potsdam sei ein gutes Beispiel. „Ich freue mich, dass in meiner Heimatstadt solche Pioniere unterwegs sind“, so Geywitz. 

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2,4 Millionen Euro hat die EWP seinerzeit investiert. Seitdem liefert die 5157 Quadratmeter große Solarthermieanlage unweit des Heizkraftwerks Potsdam-Süd jährlich 2,3 Gigawattstunden Wärme, die in das bestehende Fernwärmenetz eingespeist werden. Gegenüber der fossilen Energieerzeugung werden damit nach EWP-Angaben 488 Tonnen Kohlendioxid eingespart. „Das Solarkraftwerk hat unsere Erwartungen übertroffen“, sagte Veil. Im Sommer erzeuge es rund 17 Prozent der Potsdamer Wärme. Im Winter, wenn der Verbrauch bis zu elfmal so hoch ist, seien es 1,5 Prozent. „Wenn wir eine Fläche dafür hätten, würden wir sofort eine zweite Anlage bauen.“ 

60 Prozent der Haushalte hängen am Fernwärmenetz

Doch allein kann die Solarthermie die Potsdamer Heizkörper nicht warmhalten. „Wir haben ein riesengroßes Fernwärmenetz“, so Veil. Rund 60 Prozent der Potsdamer Haushalte werden so beheizt – Tendenz steigend. Deshalb seien mehrere Bausteine nötig, um aus der fossilen Energie auszusteigen. Einer davon soll die Geothermie sein – also die Hitze aus dem Erdinnern. Derzeit laufen auf dem Areal des alten Tramdepots an der Heinrich-Mann-Allee dazu die ersten Probebohrungen. Ziel ist, das gesamte dort geplante neue Stadtviertel emissionsfrei zu beheizen. Stadtweit seien sieben bis acht Bohrungen möglich. Rund 20 Prozent der Potsdamer Wärmeversorgung könnte so künftig aus der Erde kommen, wird geschätzt. Ein weiterer Baustein könne sein, Wärme mit einer Flusswärmepumpe aus der Havel zu gewinnen.

Doch ohne Kraftwerk wird es wohl auch künftig nicht gehen. Bisher produziert die EWP die Wärme überwiegend aus Erdgas mittels Kraft-Wärme-Kopplung im Heizkraftwerk Süd in Potsdam. Was folgen soll, ist noch unklar. Im Gespräch seien Wasserstoff oder synthetisch erzeugtes Gas, so Veil. „Bevor gebaut werden kann, muss geklärt werden welcher Energieträger verfügbar ist.“ 

Standort für neues Kraftwerk ist klar

Klar ist hingegen, wo gebaut wird: Zwischen dem jetzigen Gaskraftwerk und der Solarthermieanlage wird derzeit das alte Kohlekraftwerk abgerissen, das in den 1990er-Jahren stillgelegt wurde. Der 120 Meter hohe Schornstein wurde bereits 1997 gesprengt. Seit Januar läuft der Abriss, inzwischen ist nur noch wenig übrig. Auf dem Gelände soll in den nächsten zehn Jahren der „Erzeugungspark Potsdam-Süd“ mit einem neuen Kraftwerk entstehen. Das jetzige Heizkraftwerk im Potsdamer Süden müsste in den nächsten Jahren ohnehin modernisiert werden. Investieren müsste man also so oder so.

Das alte Kohleheizwerk im Gewerbegebiet nahe Drewitz ist vollständig abgerissen.
Das alte Kohleheizwerk im Gewerbegebiet nahe Drewitz ist vollständig abgerissen.

© Andreas Klaer

Potsdam hat viel vor. Mit dem „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ hat sich die Stadt 2017 verpflichtet, innerhalb von 30 Jahren den CO2-Ausstoß um 95 Prozent zu reduzieren. Inzwischen peilt man das schon fünf bis zehn Jahre früher an, so Veil. Der Kostenaufwand falle deshalb in kürzerer Zeit an. „Die Finanzierung ist noch unklar“, sagte Veil. 

Die sogenannte Energie- und Dekarbonisierungsstrategie der EWP umfasst vier Säulen: Fernwärme, Stromversorgung, Mobilität und Unterstützung der Kunden bei der Senkung des Energieverbrauchs. So soll zum Beispiel das Potsdamer Fernwärmenetz perspektivisch mit einer niedrigeren Temperatur betrieben werden, um Energie zu sparen.

Mit der Solarthermieanlage gehört Potsdam zu den Vorreitern. Rund 50 weitere Anlagen zu Nah- und Fernwärmeversorgung der Megawattklasse gibt es nach Angaben des Bundesverbands der Solarwirtschaft. 50 weitere – teils deutlich größere – befinden sich in Planung oder im Bau. Das Interesse sei zuletzt deutlich gestiegen, hieß es. Die Solarkraftwerke seien in der Lage, Wärme zum Preis von fünf Cent pro Kilowattstunde zu erzeugen. Nötig sei, neben Förderung auch eine verbindliche Quote für erneuerbare Energien im Gebäudeenergiegesetz zu verankern und Solarthermie auch im Baugesetz zu privilegieren, so die Forderungen des Verbandes. 

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