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Einsteinturm in Potsdam: Ein bisschen wie Weihnachten

Der Einsteinturm wird immer attraktiver für Besucher. Wasserschäden im Haus bereiten jedoch Probleme

Potsdam - Für den Einsteinturm, in dem unter anderem zu Einsteins Relativitätstheorie geforscht wurde, kommen Besucher von weit her. Doch das Bauwerk des Architekten Erich Mendelssohn ist ein Dauerpatient. 1997 bis 1999 wurde der Turm grundsaniert – immer wieder tauchen allerdings kleinere Schäden auf. „Überraschungen“ nennt das Jürgen Rendtel, der hier im Auftrag von Urania und dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam Führungen betreut, auch am vergangenen Samstag. Vor allem eindringende Feuchtigkeit, sagt er, bereitet der Bausubstanz Probleme. Manchmal reiche schon Starkregen oder Schneeschmelze, damit es mancherorts durch die Decke tropft. Und eine großflächig frisch verputzte Stelle in der Wand zeugt davon, dass hier erst kürzlich gearbeitet wurde. „Durch eine tote Leitung suchte sich Wasser einen Weg, mit einer Sondenkamera hat man das Leck gefunden“, sagt Rendtel. Nun ist alles trocken, hier zumindest. „Wir haben uns schon einen gewissen automatischen Kontrollblick angewöhnt“, so Rendtel. Führungen finden dennoch statt – mehr denn je. Jetzt im Frühling sind sie besonders gefragt.

Jürgen Rendtel macht es immer spannend. Die Führung beginnt mit der Geschichte des Telegrafenbergs. Der so heißt, weil hier 1832 eine optische Telegrafenstation – ein sechsarmiger Signalmast – errichtet wurde. Bis zur Erfindung der elektrischen Telegrafie 1849 war er Teil der preußischen Staatstelegrammlinie zwischen Berlin und Koblenz. Geblieben ist eine bis heute in Deutschland einzigartige Dichte an wissenschaftlichen Einrichtungen auf dem Berg. Darunter der Einsteinturm, Zeugnis der Wissenschaft und Forschung Anfang des 20. Jahrhunderts – aber auch Baudenkmal.

Einsteinturm auch in Fernost bekannt

Samstagvormittag nehmen mehrere Architekturstudenten und Architekten aus Südkorea und Japan daran teil. Sie interessieren sich sehr für Bauhausarchitektur, sagt einer, die Führung war ein Muss. Jetzt sind sie gespannt auf den Turm, den man offensichtlich auch in Fernost kennt. Rendtel erklärt auf dem Weg dorthin den großen Refraktor, ein 1899 modernes Linsenfernrohr, für das man auf dem Berg schon elektrischen Strom hatte, während unten in Potsdam noch bis 1908 Gaslaternen leuchteten. Dann endlich, quasi um die Ecke vom Großen Refraktor, steht der Besucher plötzlich vor dem Turm. Den Hügel hinab führt eine Art Gartenallee zur Lichtung, auf die das weiße Gebäude wie ein Konstrukt aus einer Zuckerbäckerei oder Science-Fiction-Kulisse platziert ist. Der Anblick – das ist fast ein bisschen wie Weihnachten.

Gern zitiert Rendtel an dieser Stelle Hans-Joachim Giersberg, den früheren Direktor der Schlösserstiftung. „Es gibt in Potsdam nur zwei wichtige Gebäude: Schloss Sanssouci und den Einsteinturm.“ Und tatsächlich packen immer mehr Potsdam-Besucher Telegrafenberg und Turm in ihr Besuchsprogramm. Sogar die brasilianische Architektenkammer schickte schon Gruppen nach Deutschland, sagt Henri Herborn von der Urania. Einmal im Monat bietet die Urania eine öffentliche Führung. Dazu kommen individuelle Führungen für Firmen- oder Wissenschaftlergruppen. „Wir hatten auch schon Goldene Hochzeitsgesellschaften“, sagt er. Im Schnitt sind es zwei Gruppen pro Woche. Mehr gehe nicht, denn dort werde ja immer noch gearbeitet. Rendtel sagt: „Mendelssohn hat eben für drei oder vier Forscher gebaut, nicht für 20 Touristen.“

20 Meter weiter schlug Granate ein

Tatsächlich ist das Bauwerk kleiner, als es auf Bildern den Anschein macht. Hinter den zurückgesetzten Fenstern verbirgt sich lediglich ein Treppenhaus. Der Turm ist eigentlich nur für das Sonnenteleskop da. Und je mehr Sonnenstunden es im Jahresverlauf gibt, desto knapper wird die Zeit, die neben der Forschung für Besuche von Touristen bleibt.

Jürgen Rendtel macht am Samstag zunächst vor dem Eingang halt. Dass der Turm überhaupt noch da ist, sei ein Glück, sagt er: Als im April 1945 Potsdam bombardiert wurde, schlug kaum 20 Meter vom Einsteinturm entfernt eine Granate ein. Foyer und Kuppel wurden stark beschädigt – das Instrumentarium im Inneren aber blieb intakt. Und wurde kaum ein Jahr nach Kriegsende wieder genutzt. Das Teleskop steht auf einem separaten Sockel, der in den Erdboden eingelassen ist. Die schmale Treppe, die zur Kuppel in 14 Metern Höhe führt, windet sich an der Außenmauer entlang. Die sanften Rundungen der Architektur machen ein Durchkommen auch mit sperrigem wissenschaftlichen Gerät möglich – ein Beweis, dass Funktion und Design einander nicht ausschließen müssen. Nach oben muss man allerdings nur, um das Teleskop auszurichten. Hier wird noch von Hand gearbeitet, weshalb der Turm für Studenten in der praktischen Ausbildung attraktiv ist.

Die eigentliche Beobachtung findet im Labor im Keller statt, wohin die Sonnenstrahlen mittels mehrerer Spiegel geleitet werden. Trotz ungewöhnlicher Fensterlösung, in den Boden eingelassene Lichtschächte, gebe es dort keine Probleme mit Feuchtigkeit, sagt Rendtel. Sorgen macht er sich nur um das Dach über dem kleinen Versammlungsraum. Mithilfe von Sonden habe man nicht herausgefunden, wo dort Wasser eindringt. Dazu müssten Teile des Dachs abgedeckt werden. „Das ist irgendwann fällig“, sagt Rendtel. Denn der Raum, in dem sich damals wohl auch der Vorstand der Einstein-Stiftung samt seinem Mitglied Albert Einstein traf, ist sogar noch original möbliert – nach Entwürfen von Mendelssohn.

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