zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: „Eine Laune des Menschen“

Umweltminister Gabriel informierte sich bei Potsdamer Klimaforschern / 3000 Schul-Wetterstationen

Teltower Vorstadt - „In zwölf Meter Tiefe ist jetzt Sommer“, erklärte Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe, Forscher am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gestern Nachmittag vor der Wetterstation auf dem Telegraphenberg. Dort wird auch die Temperatur in der Erde gemessen. Richtig Winter ist es allerdings auch zwölf Meter darüber nicht. Sigmar Gabriel (SPD), der gestern Nachmittag zu Gast auf dem Telegraphenberg war, wollte es genau wissen. Also stieg der Bundesumweltminister auf die Leiter vor dem weißen Messkasten und las die aktuelle Lufttemperatur ab: Zwölf Grad zeigte das Thermometer.

Gabriel war in die Landeshauptstadt gekommen, um sich bei den Wissenschaftlern des PIK über den neuesten Stand der Klimaforschung zu informieren. Angesichts des warmen Winters ist nicht nur dem PIK-Direktor Hans Joachim Schellnhuber „beklemmend“ zumute. Bereits der Herbst 2006 sei der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn 1893 gewesen, erklärt der Wissenschaftler, der seit Dezember 2006 Kanzlerin Angela Merkel in Klimafragen berät. Darüber wundert er sich nicht: „Wissenschaftlich passt das perfekt ins Bild“, sagt Schellnhuber. Der warme Winter zeige, „dass der Klimawandel unablässig voranschreitet“. Noch vor zwanzig Jahren hätte man für ein solches Ereignis keine Erklärung gehabt, gab der Forscher zu bedenken. Für ihn ist klar, dass es sich um mehr als eine „Laune der Natur“ handelt: „Das hier ist die Laune des Menschen.“ Immerhin: „Die politische Wahrnehmung ist deutlich gestiegen in den letzten Jahren“, freut sich Schellnhuber, der 2004 von der Queen für seine wissenschaftlichen Verdienste geehrt wurde.

Dass es aufgrund der Erderwärmung in Zukunft weniger Winter mit Frost und Schnee geben wird, ist für ihn „eine fast triviale Schlussfolgerung“. Ab 2040, prognostiziert er, wird jeder zweite Sommer Rekordtemperaturen um die 40 Grad erreichen. Die Aufwärmung sei nicht mehr zu verhindern, sagt Schellnhuber. Mit einer „aggressiven Klimaschutzpolitik“ seien die Folgen jedoch „beherrschbar“. Allerdings müsse dafür in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren gehandelt werden, mahnte er. Sein Maßnahmenkatalog umfasst unter anderem die Senkung des Kohlendioxidausstoßes, die Nutzung erneuerbarer Energien und den Einsatz neuer Technologien.

Bundesumweltminister Gabriel will dafür sorgen, dass Klima auch ein Thema an den Schulen wird: Er habe die Sponsoren für ein Projekt gefunden, bei dem an 3000 Schulen Wetter-Messstationen installiert werden sollen, erklärte der Minister, der sich offenbar schon vor seinem Besuch am PIK für Wetterstationen interessiert hat. Die Schüler, so Gabriel, sollen ihre Untersuchungsdaten dann per Internet vernetzen. Ziel dieser „Klimaberichterstattung“ sei es, Klimafragen „in die Bildungsarbeit zu integrieren“.

Im Konferenzraum unter der mittleren Kuppel des Backsteinbaus stellten die Forscher dann ihr Institut im Detail vor. Möglich, dass Gabriel schon bald wieder auf den Telegraphenberg kommen wird. Im März wird er zusammen mit den Umweltministern der G-8-Staaten in der Potsdamer Staatskanzlei tagen. Einen Ausflug in das renommierte Potsdamer Klimainstitut schloss der Minister gestern nicht aus: „Wir versuchen das“, sagte er den PNN. Schellnhuber will das Treffen „mit Events unterstützen“. Aus den offiziellen Gesprächen werde er sich „relativ heraushalten“. Jana Haase

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false