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Von Anfang 2016 bis Ende 2018 haben in Potsdam 13 Taxibetriebe aufgegeben.

© Sebastian Gabsch

Eine Branche in der Krise: Taxifahren in Potsdam wird zwölf Prozent teurer

Die Zahl der Fuhrunternehmen in der Stadt sinkt stetig - ebenso die Einkünfte der Fahrerinnen und Fahrer. Auch die Preiserhöhung wird die Probleme nicht lösen.

Von Carsten Holm

Potsdam - Seit bald drei Jahren hatten es die Vertreter des Potsdamer Taxi-Verbandes immer wieder versucht, sich mit der Straßenverkehrsbehörde auf die ihrer Meinung nach dringend erforderliche Erhöhung der Tarife zu verständigen – vergebens. Die Corona-Pandemie führte zu erheblichen Umsatzeinbußen in dem Gewerbe, das seit Jahren sinkende Einnahmen verbucht, aber die Behörde blieb hart. Jetzt, angesichts stark steigender Treibstoffkosten und zusätzlicher Belastungen durch den Mindestlohn, kam es zu einer Einigung.

Es gilt als ausgemacht, dass die Behörde den Stadtverordneten für deren Sitzung im Mai empfehlen wird, die Tarife um zwölf Prozent zu erhöhen. Dies solle, bestätigte Stadtsprecherin Christine Homann auf PNN-Anfrage, „mit Sofortbeschluss auf den Weg gebracht werden“, damit die Tarifhöhe „der aktuellen Situation angemessen“ sei. „Einige Wochen später“, hofft Verbandssprecher Frank Lüder, „wird das für uns wirksam werden.“

Verbandssprecher Frank Lüder.
Verbandssprecher Frank Lüder.

© Carsten Holm

Der Spruch „Taxifahrer klagen immer“ gehört von jeher zu den verbreiteten Volksweisheiten, seit die Pferdekutschen im 18. Jahrhundert die Sänften ablösten und 1896 die erste vier PS starke Taxameter-Droschke, ein echter Daimler, in Stuttgart Fahrgäste durch die Stadt fuhr. Doch wohl noch nie in ihrer Geschichte war die Not der Kutscher so groß wie heute. Die Gewinnmargen sind so stark gefallen, dass nicht wenige Fahrer an den Rand des Existenzminimums geraten. 

Einkommen drastisch gesunken

Ein 49 Jahre alter Potsdamer, der sich mit einem Freund eine Taxi-Konzession und einen Mercedes teilt, erzählte den PNN, dass er vor ein paar Jahren ein Monatseinkommen von 2500 Euro netto einfahren konnte. Inzwischen komme er auf kaum mehr als rund 1200 Euro. „Das war mal ein gut bezahlter Beruf“, sagt der gelernte Kraftfahrzeugmechaniker, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er lebe getrennt und müsse ein Kind mitversorgen: „Ich schlage mich jetzt auf Hartz-IV-Niveau durch.“

Wenn die Potsdamer Kommunalpolitik den Vorschlägen der Verkehrsbehörde zustimme, zeige sie, so Lüder, „dass sie endlich verstanden hat, dass es wirklich um die Existenz des Taxigewerbes geht“.

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Die Verkehrsbehörde stimmte der Tariferhöhung erst jetzt zu, obwohl Gutachter des von der Stadt beauftragten Dresdner Planungsbüros ISUP mehrfach und zuletzt am 12. August 2020 auf die Notwendigkeit einer Anpassung hingewiesen hatten. Schonungslos analysierten die Planer die Lage und wiesen auf die dramatische Entwicklung hin: Allein von Anfang 2016 bis Ende 2018 hätten in Potsdam 13 Unternehmer ihre Taxibetriebe aufgegeben, meistens, weil sie nicht mehr wirtschaftlich geführt werden konnten. 16,5 Prozent von 89 Betrieben mit 164 Taxis (Stand Mai 2019) überlegten, alles hinzuwerfen.

Einschaltgebühr soll auf 4,20 Euro steigen

Nach Angaben der Stadt vom Montag sank die Zahl der Unternehmen von 164 im Jahr 2019 über 140 im Jahr 2021 auf inzwischen nur noch 135. „Die Planer haben auch ermittelt, dass der Unternehmerlohn vor Steuern nur 1200 Euro beträgt“, sagte Taxi-Unternehmer Lüder, der drei Taxis betreibt.

Die vermutlich neuen Tarife sehen einen Anstieg der Einschaltgebühr mit vier Fahrgästen von jetzt 3,80 auf künftig 4,20 Euro vor, ab fünf Fahrgästen werden 9 Euro veranschlagt. Für eine Fahrtstrecke bis zu vier Kilometern, die jetzt pro Kilometer 2,10 Euro kostet, werden künftig 2,40 Euro verlangt, für mehr als vier Kilometer klettert der Kilometerpreis von 1,70 auf 1,90 Euro.

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Damit bleiben die Potsdamer Tarife nicht weit über dem Niveau anderer ostdeutscher Städte. In Rostock erlaubt der Tarifvertrag eine Grundgebühr von 3,30 Euro, ein Kilometer kostet je nach Tageszeit und Fahrtlänge zwischen 180 und 3,30 Euro. In Schwerin beginnt eine Taxifahrt mit einer Grundgebühr von 3,50 Euro, während die ersten beiden Kilometer 3 und die Kilometer 3 und 4 mit je 2,20 Euro zu Buche schlagen. In Berlin beträgt die Einsteigegebühr 3,90 Euro, die ersten 7 Kilometer 2,30 und jeder weitere 1,65 Euro.

Lüder plädiert für einen „Diesel-Euro“

Es sei jedoch absehbar, dass die geplante Erhöhung die prekäre Situation des Gewerbes nur temporär mildere, sagt Lüder. Wenn der gesetzliche Mindestlohn von jetzt 9,82 Euro zum 1. Juli auf 10,45 Euro und zum 1. Oktober auf 12 Euro steige, stünde seine Branche erneut vor Problemen, dann müssten die Tarife nochmals angehoben werden: „Das Problem ist, dass wir das erst beantragen können, wenn der neue Mindestlohn im Bundesgesetzblatt verankert ist. Und dann brauchen die Behörden sechs bis zwölf Monate, um es umzusetzen“, sagt der studierte Betriebswirt.

Energisch plädiert Lüder für andere Formen der Unterstützung des Taxigewerbes. Angesichts stark gestiegener Treibstoffkosten sollte den Betrieben für eine Zeitlang ein „Diesel-Euro“ erlaubt werden, der automatisch erhoben werde.

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