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Prestigeprojekt. Auch der Neubau des Hans Otto Theaters in der Schiffbauergasse ist mit Hauptstadtmitteln finanziert worden. Ab 2012 dreht das Land den Geldhahn zu. Das bringt Kultur und Sport in Potsdam in Bedrängnis.

© dapd

Landeshauptstadt: Ein System gerät ins Wanken

Das Land dreht seiner Hauptstadt den Geldhahn ab und bringt Kunstschaffende und Sportler in Bedrängnis

Die Stadt Potsdam steht vor einem millionenschweren Problem: Der Hauptstadtvertrag zwischen dem Land Brandenburg und seiner Landeshauptstadt soll nicht verlängert werden. Fünf Millionen Euro stellte das Land bislang jährlich bereit, damit die Hauptstadt ihrer Sonderrolle gerecht werden kann. 2012 wird der Geldhahn abgedreht. Das hat die Landesregierung am Dienstag beschlossen. Betroffen davon sind nicht nur Bauvorhaben – wie der Abriss der Fachhochschule am Alten Markt – sondern auch Potsdams Sportler und Kulturschaffende. Sie haben jährlich 800 000 Euro aus dem Fördertopf erhalten. Wird das Geld gestrichen, droht Veranstaltungen wie den Musikfestspielen, den Tanztagen, dem Stabhochspringen im Sterncenter oder dem Kanalsprint das Aus. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) schloss bereits aus, dass die Stadt selbst die Lücke schließen könnte. Vielmehr setze man auf ein Veto der Landtagsabgeordneten. Sie könnten das Vorhaben der Regierung noch kippen. Andernfalls droht Potsdam der Abstieg – kulturell als auch sportlich.

WO MUSS DIE KULTUR DEN ROTSTIFT ANSETZEN?

Potsdams Kultur ist bereits in höchster Alarmbereitschaft: Der Wegfall der Hauptstadtmittel für die Kultur in Höhe von 600 000 Euro jährlich bringt für die Betroffenen existenzielle Probleme. So fehlen den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci, die erst am Wochenende erfolgreich zu Ende gegangen sind, im kommenden Jahr 100 000 Euro im Etat. „Ohne dieses Geld wird es 2012 definitiv keine Musikfestspiele geben“, sagte Festspielleiterin Andrea Palent am gestrigen Dienstag in einem Hintergrundgespräch. Der Gesamtetat für das 14-tägige Festival liege mit knapp über einer Million Euro weit unter dem, womit andere Veranstalter planen könnten. So verfügen die mit den Potsdamer Musikfestspielen vergleichbaren Ludwigsburger Schlossfestspiele über einen Etat von 2,4 Millionen Euro. „Wir sind derzeit mit den Planungen für das kommende Jahr beschäftigt, Verträge müssen unterschrieben werden und daher brauchen wir schnellstmöglich eine klare Position“, sagt Andrea Palent.

In einer ähnlichen Situation befindet sich auch die Kammerakademie Potsdam, der im kommenden Jahr 40 000 Euro Hauptstadtmittel fehlen. Sollte hier keine Lösung gefunden werden, wird es 2012 keine Winteroper geben können, so Geschäftsführerin Frauke Roth. Das Gleiche gilt für die „fabrik“ und das „T-Werk“, die bisher mit 54 000 Euro und 35 000 Euro aus Hauptstadtmitteln gefördert wurden. Bleibt dieses Geld aus, ist es fraglich, ob die Tanztage und das internationale Theaterfestival „Unidram“ überhaupt weiterhin stattfinden können.

„Ob Musikfestspiele oder Winteroper, Tanztage oder Unidram, das sind Veranstaltungen, die nicht allein für Potsdam stehen“, sagte Potsdams Sport- und Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) am Dienstag. Diese stünden für das ganze Land und würden mittlerweile nationale und internationale Ausstrahlung haben. Hier müsse die Landesregierung klar Stellung beziehen. „Wir werden kämpfen“, so Magdowksi.

AUF WAS MÜSSEN SICH SPORTLER GEFASST MACHEN?

Jährlich 200 000 Euro flossen aus den Mitteln der Hauptstadtförderung an den Sport in der Stadt. 2011 wurden davon unter anderem der Schlössermarathon, das Stabhochsprungmeeting, der Kanalsprint, ein internationales Frauenfußballturnier, der Potsdamer Drittelmarathon, der City-Sprint-Triathlon und das RC Germania Cup Ringen finanziert. Würde die Zulage gestrichen, hätte das „dramatische“ Auswirkungen, sagte Anne Pichler, Geschäftsführerin des Stadtsportbundes. Die Veranstaltungen müssten abgesagt werden. „Das ist nicht einfach so aufzufangen.“ Hart treffe es außerdem einige Vereine: Nach den Vergaberegeln profitierten alle Erstligavereine der Stadt von der Förderung. 2011 waren das die Fußballfrauen von Turbine Potsdam, die Judoka des UJKC, die Boxer von Motor Babelsberg, die Volleyballerinnen des SC Potsdam sowie die Triathleten und die Wasserballer des OSC Potsdam. Deren sportlicher Leiter, André Laube, fürchtet um die Zukunft seiner Wasserballer in der ersten Liga. „Für uns wäre der Wegfall eine Katastrophe.“ 10 000 Euro erhält die Mannschaft – das entspricht einem Fünftel des Etats. Das Geld werde für Fahr- und Lizenzkosten benötigt. „Es ist nicht vorstellbar, diese Lücke zu schließen.“

Auch die Beigeordnete Magdowski spricht von einem „schweren Schaden“, sollte der Sport ohne Landesförderung dastehen. „Dann heißt es: Sportland Brandenburg ade.“ Mit dem Geld seien vor allem nicht-kommerzielle Sportarten gefördert worden. Falle die Förderung weg, breche ein ganzes System zusammen. Anders als Oberbürgermeister Jakobs sieht sie aber auch Spielräume bei der Stadt, was die Förderung des Sports angeht: „Wenn man die Rettung des SV Babelsberg beschließt, kann man nicht allen anderen Vereinen sagen, sie bleiben auf der Strecke.“ Die Stadt hatte dem insolvenzbedrohten Fußballverein insgesamt 700 000 Euro zur Verfügung gestellt. Bleibe die Landesregierung bei seiner Absage, müsse man für alle Vereine über Lösungen nachdenken. „Eine Priorisierung bleibt uns nicht erspart“, so Magdowski. Zusätzliche Einnahmen könnte die Stadt etwa durch eine Tourismusabgabe oder einen „Kulturgroschen“ erzielen.

WELCHE INVESTITIONEN TRIFFT ES?

Stoppt der Geldfluss vom Land, könnten auch einige Potsdamer Bauprojekte ins Stocken geraten. Der Abriss der Fachhochschule am Alten Markt sollte aus Hauptstadtmitteln finanziert werden, sagte Oberbürgermeister Jakobs. Das gelte auch für die Arbeiten am Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte – ob die überhaupt weitergeführt werden, zog indes der SPD-Abgeordnete Till Meyer infrage. Er schlug vor, die städtischen Anteile für den Bau lieber den Musikfestspielen zukommen zu lassen.

Was die Fördergelder wert sind, zeigen die Projekte, die damit schon verwirklicht wurden: Dazu gehören der Theaterneubau in der Schiffbauergasse, der Umbau von Freundschaftsinsel und Havelufer, die Freimachung des Baufelds für den Landtag am Alten Markt oder der Bau der Tram- und Fußgängerbrücke neben der Langen Brücke. In diesem Jahr wurde mit den Hauptstadt-Millionen die Sanierung des Rathauses und der Bau der Stadt- und Landesbibliothek finanziert.

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