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Die meisten Händler ärgern sich über die allgemeine Bonpflicht. Manche Geschäftsinhaber, wie in diesem Blumengeschäft in der Wilhelmgalerie, finden kreative Lösungen für die Kunden. Wer seinen Bon nicht will, wirft ihn einfach in den Blumentopf.

© Ottmar Winter

"Ein Gesetz, das keiner braucht": Potsdamer Händler ärgern sich über die Bonpflicht

Seit Januar gilt die Bonpflicht. Potsdamer Händler und Handelsvertreter sehen die Regelung kritisch. Vor allen das Material der Bons ist ein Problem.

Potsdam - Überquellende Papierkörbe an den Kassen, genervte Kunden und Einzelhändler – die Bonpflicht sorgt auch in Potsdamer Geschäften für Unmut. Seit Januar 2020 gilt bundesweit das neue Kassengesetz, und mit ihm die Pflicht zur Ausgabe von Kassenbons, kurz „Bonpflicht“. Sie soll unversteuerte Umsätze bei Gewerbetreibenden verhindern. Ein neues Kassensystem sorgt dafür, dass die Bons bei gekaufter Ware automatisch gedruckt werden, um sie dem Kunden anzubieten. Allerdings beschweren sich viele Händler über vollgestopfte Papierkörbe und überforderte Mitarbeiter. Die PNN haben bei Bäckern, Zeitungsläden und anderen Einzelhändlern in der Potsdamer Innenstadt nachgefragt, wie sie mit der Regelung umgehen.

"Ich verstehe den Sinn nicht"

Eine, die sich seit Wochen an der Bonpflicht stört, ist Birgit Rohmann. Die Mittfünfzigerin arbeitet seit vielen Jahren in einem Zeitungs- und Tabakgeschäft am Potsdamer Hauptbahnhof, und wäre die Regelung am Liebsten sofort wieder los. „Ich verstehe den Sinn des neuen Systems nicht. Wir haben seit Januar hinter der Kasse zwei Papierkörbe. Und eigentlich reichen die beiden auch nicht“, sagt sie, und ergänzt: „Es ist einfach nur grotesk. Als würden die Leute ihre Zeitung umtauschen wollen, oder ihre Zigaretten.“

Aus ganz ähnlichen Gründen ist auch Roni Mosa nicht begeistert von der neuen Regelung: „Mir geht diese Bon-Sache ziemlich auf die Nerven“, sagt der 27-jährige, der bei der Bäckerei Fahland in der Brandenburger Straße hinter der Kasse steht. „Mal ehrlich: Wer braucht für ein Brötchen oder einen kleinen Kaffee zwingend einen Kassenzettel?“, fragt er. Die neue Regelung behindere ihn bei der Arbeit: „Manchmal reichen die Bons fast bis auf den Boden und unsere Mülleimer sind ständig voll, weil die Leute die Bons nicht mitnehmen wollen. Außerdem müssten wir im Prinzip jedes Mal nachfragen, auch wenn der Kunde schon wieder halb aus dem Laden gestürzt ist.“

Wer seinen Bon nicht will, wirft ihn einfach in den Blumentopf - und das kommt recht oft vor.
Wer seinen Bon nicht will, wirft ihn einfach in den Blumentopf - und das kommt recht oft vor.

© Ottmar Winter

Mosa ärgert sich nicht nur über den zusätzlichen Stress, sondern auch über die Widersprüchlichkeit des Konzepts, das nicht zum Laden passt: Die Bäckerei beteiligt sich aus Umweltschutzgründen einerseits am Pfandbecher-Programm Potspresso, schaffe aber mit den zusätzlichen Bons mehr Müll als vorher. Das könne er nicht verstehen.

Mosa und Rohmann sind mit ihrem Ärger nicht allein. Zahlreichen weiteren Ladengeschäften in Potsdam geht es ähnlich, wie die PNN-Recherche ergibt. Besonders bei kleineren Einkäufen wie Lebensmittel oder Presseerzeugnissen würden die Kunden kaum auf Umtausch bestehen, bestätigen zahlreiche Händler in der Innenstadt.

Es gibt auch Zustimmung

Nicht in den Unmut einstimmen will hingegen Martina Krause vom Blumenhandel Floristik ’99 im Hauptbahnhof. Sie störe sich nicht so sehr an dem Mehrbedarf an Papier, sagt sie. Außerdem werde das Recht auf Umtausch auch bei Blumensträußen oder Topfpflanzen gern genutzt. „Früher konnten sich die Leute auch aussuchen, ob sie einen Kassenbon wollten oder nicht. Jetzt wird er eben automatisch gedruckt. Das ist für uns mittlerweile reine Routine.“

In vielen Fällen ist die neu eingeführte Bonpflicht neben der umständlichen Handhabung ein klassisches Abfallproblem. Das umweltbelastende Thermopapier darf nämlich nicht im normalen Altpapier entsorgt werden, sondern gehört in die gelbe Tonne. In vielen Geschäften gibt es jedoch kaum Platz für zusätzliche Mülleimer. Die meisten Kassen drucken bislang auf Thermopapier, sie umzurüsten, können oder wollen sich viele Geschäfte schlicht nicht leisten. Zusätzlich haben viele Händler ein grundsätzliches Problem mit der neuen Regelung – denn viele fühlen sich unter den Generalverdacht der Unterschlagung gestellt. Denn die neue Technische Sicherheitseinrichtung (TSE) in den Kassensystemen soll Manipulationsversuche an den Kassen nachweisbar machen – um Steuerbetrug zu verhindern.

Übermäßig viel Aufwand

Philip Haverkamp vom Handelsverband Berlin-Brandenburg kann den Unmut der Händler, die sich gegen die Bonpflicht aussprechen, gut verstehen. Seiner Meinung nach produziere die neue Gesetzeslage schlichtweg übermäßig viel Aufwand. „Die Bonpflicht ist ein Gesetz, das keiner braucht“, sagt er. Es sei schlicht nicht sinnvoll zu Ende gedacht, alle Händler damit zu belasten, sagt der Referent. Der Handelsverband fordere ein Zurückdrehen des Gesetzes auf den Stand von 2019, oder zumindest eine Einschränkung für kleinere Händler, so der Referent. „Es wäre deutlich sinnvoller, die Bonpflicht erst ab einer gewissen Höhe des Warenwerts einzuführen“, schlägt Haverkamp vor.

Der Unmut über übermäßigen Müll verstehe er, ein Wechsel zu Kassenbons mit recyclebarem Papier hält er aber nicht für sinnvoll. „Das macht das Gesetz an sich nicht besser und löst das Problem nicht, und wir haben hinterher genau so viel Müll.“ Vielmehr setze er sich unter anderem mit der Industrie- und Handelskammer dafür ein, dass man kundenfreundliche Lösungen finde. Möglich wäre hier in Zukunft ein digitaler Kaufnachweis – doch müsse man hier den Datenschutz beachten, so Haverkamp. Zudem würden Mitbürger, die nicht die technischen Möglichkeiten hätten, dabei ausgeschlossen, weist Haverkamp hin. Für den Handelsverbandsvertreter steht fest: „Der Bund ist mit der Bonpflicht massiv über das Ziel hinausgeschossen."

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