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Diskussion um Libeskind-Engagement: Die Spaltung in Sachen Garnisonkirche bleibt

Die angekündigte Beteiligung des Architekten Daniel Libeskind am großen Potsdamer Kirchenwiederaufbau-Projekt hat, wie so häufig bei dem Thema, zwiegespaltene Reaktionen ausgelöst.

Potsdam - Vorfreude, aber auch blankes Entsetzen: Die Ankündigung des amerikanischen Stararchitekten Daniel Libeskind, sich mit seinen gestalterischen Ideen beim umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche zu beteiligen, hat am Donnerstag für sehr unterschiedliche Reaktionen gesorgt. Während zum Beispiel der Chef der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau von einer Chance für das Projekt sprach, lehnten Mitglieder der Initiative „Mitteschön“ die Offerte rundweg ab.

Wie berichtet hatte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) nach Gesprächen und einem Briefwechsel mit Libeskind dessen Offerte am Mittwochabend im Hauptausschuss öffentlich gemacht. In einem gemeinsamen Schreiben unter dem Motto „Brüche zeigen, Brücken bauen“ haben die Spitzen der Stiftung und der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche den Architekten nach Potsdam eingeladen. Das Ziel: Man wolle nun mit Libeskind gemeinsam prüfen, „ob und inwieweit es sinnvoll und möglich ist“, vorhandene Ideen und Nutzungen zum neuen Turm der Garnisonkirche und des benachbarten Künstlerhauses Rechenzentrum „mit einer verbindenden Idee für das ehemalige Kirchenschiff zu ergänzen“.

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„Das muss den Dialog zwischen allen Beteiligten befördern.“

Der 74 Jahre alte Planer polnisch-jüdischer Herkunft gilt als wichtiger Architekt der Moderne und hat schon mehrere große Kultureinrichtungen entworfen – eines seiner Markenzeichen sind markante ästhetische Brüche an historischen Gebäuden. Als Herausforderung sehe Libeskind vor allem, einen „Dreiklang“ aus dem DDR-Gebäude direkt neben der Turmbaustelle, dem historisierenden neuen Turm und einem Neubau am Ort des Kirchenschiffs zu gestalten, sagte ein Stadtsprecher am Donnerstag.

Für Matthias Dombert, Chef der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau, ist das Engagement von Libeskind jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, wie er den PNN sagte: „Das muss den Dialog zwischen allen Beteiligten befördern.“ Zudem sei der große Name geeignet, die Bedeutung des Projekts Garnisonkirche auch über die Potsdamer Stadtgrenze hinaus klar zu machen. Für Brüche in der Architektur des möglichen Kirchenschiffs sei er schon immer offen gewesen, fügte Dombert hinzu. Mit Blick auf das Künstlerhaus Rechenzentrum verwies Dombert allerdings auch auf die baurechtliche Lage vor Ort: Schon aus Brandschutzgründen könne nicht das gesamte Gebäude so bestehen bleiben.

Auch die Potsdamer Bauverwaltung hatte zuletzt auf Anfrage der CDU klargestellt, dass wegen bisher nicht eingehaltener Abstände zwischen Turm und DDR-Bau diese Situation nur bis Ende 2023 geduldet werde. „Eine Verlängerung wird bauaufsichtlich abgelehnt“, so das Bauderzernat. 

Baustelle Garnisonkirche in Potsdam.
Baustelle Garnisonkirche in Potsdam.

© Sebastian Gabsch

Zurückhaltung von Wieland Eschenburg

Zurückhaltender gab sich Stiftungskommunikationsvorstand Wieland Eschenburg: Er sagte, es zeige sich auch, dass der Ort in der Potsdamer Mitte einen so hohen Stellenwert besitze, dass sich auch ein Architekt wie Libeskind damit befasse. Dombert wie Eschenburg legten Wert darauf, dass vor der Form des Orts erst die inhaltliche Ausgestaltung geklärt werden müsse.

Zum Verständnis: Den Brief an Libeskind hatte der Vorsitzende des Stiftungskuratoriums, Wolfgang Huber, abgestimmt. So gibt es nach PNN-Informationen auch unter den Befürwortern des Wiederaufbaus ganz unterschiedliche Positionen zu dem Projekt, etwa zur Frage des Kirchenschiffs. Auf einen möglichst originalgetreuen Aufbau setzt die Initiative „Mitteschön“. Deren Sprecherin Barbara Kuster teilte zu der Libeskind-Offerte via Facebook mit: „Ich denke mal der Meister hat Böses mit Potsdams Garnisonkirche vor, flankiert durch unseren OB.“ Sie erwarte eine „Betroffenheitsarchitektur.“ 

Der Potsdamer Architekturprofessor Ludger Brands erklärte, Bauten wie Libeskinds militärhistorisches Museum in Dresden stünden „für eine gebaute Verachtung historischer Architektur aus ideologischen Beweggründen“. Unter der von Kuster gestarteten Diskussion kommentierte auch der Potsdamer AfD-Fraktionschef Chaled-Uwe Said und warnte: „Da wird dann das Antlitz der Stadt zu Grabe getragen vor dem Altar der Brutalo-Modernisten...“

Wissenschaftlicher Beirat soll Projekt begleiten

Von den Gegnern des Wiederaufbaus kam solcher Widerstand nicht. Allerdings legte zum Beispiel Carsten Linke vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen Wert auf die Forderung, dass man einen Bruch mit der Geschichte des Ortes schon am Turm sehen müsse – wozu jemand wie Libeskind Ideen einbringen könne. Zudem sagte Linke, dass vor der Architekturfrage die Inhalte geklärt werden müssten. Ein für den heutigen Freitag angesetzten Termin findet er deshalb spannend. Kritiker der bisherigen Planungen für den Garnisonkirchturm, darunter der Architekturexperte und frühere Leiter der Stiftung Bauhaus Dessau, Philipp Oswalt, wollen dann ein eigenes Konzept für einen Lernort Garnisonkirche vorstellen. Aus ihrer Sicht wird die Geschichte der preußischen Militärkirche, die von den Nazis 1933 zur Inszenierung der Reichstagseröffung genutzt wurde, bisher zu unkritisch dargestellt. 

Das Projekt soll von einem zehnköpfigen wissenschaftlichen Beirat begleitet werden. Freigeschaltet werden soll auch eine Internetseite – unter www.lernort-garnisonkirche.de. Schubert selbst hatte für die Nutzung eine internationale Jugendbegegnungsstätte und ein Demokratiezentrum vorgeschlagen.

Aus der Stadtpolitik gab es nur begrenzt Reaktion. Linke-Fraktionsgeschäftsführer Sascha Krämer teilte mit: „Es wäre gut, wenn die historischen Widersprüche auch architektonisch dargestellt werden.“ Er plädiere anstelle des Kirchenschiffs für etwas ganz Neues – zwischen Ostmoderne und kopierten Barock, also dem Turm, sei eine „architektonische Versöhnung an diesem Ort“ möglich. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Götz Friederich dagegen sagte, es bleibe abzuwarten, „ob mit so einem Federstreich“ alle Probleme gelöst werden könnten. Auch die CDU plädiert für einen originalgetreuen Wiederaufbau.

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