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Derzeit sind im Bergmann-Klinikum 92 Menschen in stationärer Behandlung.

©  Andreas Klaer

Die Lage in Potsdam am Montag: Trauriger Spitzenplatz

In Potsdam steigt die Zahl der Todesfälle nach Infektion mit dem Coronavirus weiter. Sie ist derzeit die höchste in Ostdeutschland pro 100 000 Einwohner. Drohen dem Bergmann-Klinikum Ermittlungen?

Von
  • Peer Straube
  • Katharina Wiechers

Potsdam - Die Lage in Potsdam bleibt angespannt, die Zahl der Infizierten und Toten steigt weiter an. Vor allem die zunächst unbemerkte Ausbreitung des Coronavirus im städtischen Klinikum „Ernst von Bergmann“ führt dazu, dass Potsdam mit 22 Todesfällen mittlerweile trauriger Spitzenreiter ist, was die Sterblichkeit angeht – im Land Brandenburg und darüber hinaus. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen.

Wie ist die Lage in Potsdam?

Drei neue Todesfälle wurden am Montag vermeldet, insgesamt starben damit bereits 22 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus in Potsdam, allein neun davon in den letzten drei Tagen.14 Verstorbene waren Einwohner der Landeshauptstadt. Die Sterberate pro 100 000 Einwohner liegt damit bei 7,78 – das ist der höchste Wert aller ostdeutschen Städte und Landkreise, wie aus einer Fallzahlenerfassung dieser Zeitung hervorgeht. Wesentlich höher sind diese Werte allerdings in einigen westdeutschen Kreisen, Spitzenreiter in dieser Statistik ist der Landkreis Tirschenreuth in Bayern mit 56,5, gefolgt von der Stadt Wolfsburg mit 22,6. Die Zahl der mit dem Virus infizierten Potsdamer stieg gegenüber Sonntag lediglich moderat: von 264 auf 273, was insgesamt rund einer Verdopplung binnen sieben Tagen entspricht. Gerechnet auf Fälle pro 100 000 Einwohner liegt Potsdam mit 151,67 auch in diesem Bereich mit an der Spitze der ostdeutschen Statistik: Nur im thüringischen Greiz und im sächsischen Zwickau sind diese Werte noch höher. Rund 650 Potsdamer befinden sich derzeit in häuslicher Quarantäne, weil sie direkten Kontakt mit einem Infizierten hatten, 40 mehr als am Sonntag.

Warum sind die Zahl der mit Corona infizierten Menschen und die der Todesfälle in Potsdam besonders hoch?

Das liegt vor allem an dem „Infektionsgeschehen“ im Bergmann-Klinikum, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Grundsätzlich häuften sich in ganz Deutschland in den letzten Tagen Berichte über Covid-19 bedingte Ausbrüche in Alters- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern. „Wo viele Menschen auf engem Raum sind, kann sich das Coronavirus besonders leicht ausbreiten.“ Allerdings erhoffe man sich auch zur Frage der hohen Fallzahlen und Zahl der Todesfälle Aufschluss vom RKI-Bericht.

Wie ist die Lage am Bergmann-Klinikum?

Seit dem Ausbruch ist kaum ein Tag vergangen, an dem hier niemand an den Folgen der Virusinfektion gestorben ist. Auch am gestrigen Montag musste der Tod einer 82-jährigen Frau aus Potsdam vermeldet werden. Insgesamt sind derzeit 92 Menschen in stationärer Behandlung im Bergmann-Klinikum, das wegen des Ausbruchs wie berichtet einen fast vollständigen Aufnahmestopp verhängt hat. 14 der 92 Patienten befanden sich demnach auf der Intensivstation, elf mussten beatmet werden. Doch auch eine positive Nachricht konnte das Bergmann-Klinikum vermelden: Es kann nun selbst Coronatests durchführen. Ein sogenannter Corona-PCR-Abstrichtest wurde am Montag in Betrieb genommen. Allerdings handelt es sich um einen Halbautomaten, bei dem die Proben händisch vorsichtig vorbereitet werden müssen, weil Vollautomaten nicht mehr am Markt verfügbar sind, so die Klinik. Eigentlich dauert der „Kerntest“ nur vier Stunden, wegen „logistischer Tätigkeiten“ vergeht aber weiterhin bis zu einem ganzen Tag, bis ein Ergebnis vorliegt. Weiterer Haken sind mangelnde Testkits. Theoretisch könnte die Klinik nun 470 Tests pro Tag durchführen, momentan stehen aber nur 200 Testkits zur Verfügung. Immerhin: 200 weitere werden in den kommenden Tagen erwartet.

Welche Empfehlungen geben die Experten des Robert-Koch-Instituts nach ihrer Visite im Klinikum am Freitag?

Das ist noch unklar. Der Bericht des RKI sei dem Gesundheitsamt am Montagnachmittag übergeben worden, sagte ein Rathaussprecher den PNN. Die darin enthaltenen Empfehlungen und Konsequenzen würden nun geprüft und sollen „spätestens am Mittwoch“ öffentlich gemacht werden. Mehrere RKI-Experten hatten sich am vergangenen Freitag auf Bitten der Stadt und des Landes ein Bild von der Lage im Klinikum verschafft. Von ihrem Bericht erhofft man sich Aufklärung über die Frage, wie es zu dem Corona-Ausbruch kommen konnte und konkrete Handlungsempfehlungen.

Welche strafrechtlichen Konsequenzen hat der Ausbruch im Bergmann-Klinikum? 

Bislang noch keine. Nach PNN-Informationen geht die Stadtverwaltung davon aus, dass innerhalb des Klinikums eine Informationskette nicht funktioniert hat. Sollte sich dies bestätigen, könnte dies Ermittlungen zufolge haben. Doch auch das städtische Gesundheitsamt steht PNN-Informationen unter verstärkter Beobachtung. Ermittlungsverfahren laufen aber bislang nicht – weder gegen Verantwortliche aus Krankenhäusern noch aus der Stadtverwaltung. Das teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Wilfried Lehmann den PNN auf Anfrage mit. Auch für Ermittlungen von Amtswegen sehe er bislang keine Veranlassung, so Lehmann.

Wie reagiert die Potsdamer Politik?

Auch die Fraktionen der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung haben sich am Montag in einer Telefonkonferenz mit dem Ausbruch in dem kommunalen Klinikum beschäftigt. Unter anderem haben sie beschlossen, der Verwaltung mehr auf die Finger zu schauen. Dafür wollen sie sich jetzt auch die Option offenhalten, zumindest als Beobachter im Krisenstab dabei zu sein. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte eine Mitwirkung von Stadtverordneten in dem Gremium vor einigen Tagen noch explizit ausgeschlossen, doch damit wollen sich die Fraktionen jetzt nicht mehr abfinden. Gegen eine solche Beobachterrolle sei nichts einzuwenden, so der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Pete Heuer (SPD) auf PNN-Nachfrage. Das sei auch durch die Kommunalverfassung gedeckt. Die Stadtverordneten wollen auch die Ursachen für den Ausbruch ergründen – zumindest eines Tages: Nach Überwindung der Krise wolle man „eine umfassende Aufklärung über etwaige Versäumnisse im medizinischen Bereich und die verzögerte Information der Öffentlichkeit“.

Wie ist die Lage am St.-Josefs-Krankenhaus?

Auch das St.-Josefs-Krankenhaus hat nun vermehrt Tote zu vermelden. So starben von Sonntag auf Montag zwei Menschen in der Klinik: Eine 89-Jährige aus Potsdam sowie eine 88-Jährige aus Potsdam-Mittelmark. Insgesamt werden dort aktuell 22 Menschen mit einer Infektion stationär behandelt, davon ein Patient auf der Intensivstation, der auch beatmet wird.

Wie ist die Lage im Evangelischen Zentrum für Altersmedizin?

Auch im Evangelischen Zentrum für Altersmedizin (EZA) am Weinberg ist die Lage angespannt. Dort wurden bereits neun der 150 Mitarbeiter positiv auf Sars-CoV-2 getestet, darunter auch eine Reinigungskraft, wie Alexianer-Sprecher Benjamin Stengl den PNN sagte. Nun werde versucht, die Infektionswege nachzuvollziehen. Bei einigen Patienten seien bereits Abstriche genommen worden, das Testergebnis stehe noch aus. So lange würden sie innerhalb des EZA isoliert behandelt, so Stengl. Dies sei räumlich möglich, weil man seit Beginn der Coronakrise die Patientenzahl deutlich heruntergefahren habe. Von den 120 Betten sei nur etwa ein Drittel belegt. Patienten, die positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden, würden in das St.-Josefs-Krankenhaus verlegt. Seit Anfang März sei dies acht Mal der Fall gewesen. Sollte die Zahl der Patienten am Weinberg weiter sinken, denke man über die Einrichtung einer sogenannten „Low-Care-Station“ für Corona-Patienten aus dem St.-Josefs-Krankenhaus nach, so Stengl. Dort könnten jene Menschen behandelt werden, die zwar stationär aufgenommen werden, aber nicht intensivmedizinisch betreut werden müssen– unabhängig vom Alter.

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