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Wer sich traute, konnte zwischen den vielen demonstrierenden Fahrradfahrern gemütlich machen.

© Andreas Klaer

Demo für autofreie Straßen in Potsdam: In der Feuerbachstraße waren Autos am Samstag unerwünscht

Etwa 200 Potsdamer demonstrierten am Samstag für ein anderes Verkehrskonzept. Sie verbannten kurzerhand alle Autos aus der Feuerbachstraße.

Brandenburger Vorstadt - Jemand hat Hängematten zwischen die Bäume gehängt. Dort, wo sonst Autos parken, sitzen Mütter mit kleinen Kindern und betrachten die Szene. Andere malen Hüpfkästchen auf die Straße. Dazwischen kurvt der selbsternannte „mobile Moderator“ auf einem Lastenfahrrad mit Verstärker und Box herum – in der Hand ein Mikrofon. „Da hinten ist eine Suppenküche und in der Pizzeria darf man die Toilette benutzen“, ruft Lutz Meyer-Ohlendorf, Mitgründer des Aktionsbündnisses „Potsdam autofrei!“. An diesem Samstag haben er und seine Mitstreiter alle Autos aus der Feuerbachstraße verbannt und ihre Vision für die Stadt für vier Stunden von 14 bis 18 Uhr wahr werden lassen. 

Die Demonstranten wollen einen kostenlosen Nahverkehr

Gemeinsam mit dem Verkehrsclub Deutschland (VCD), dem ADFC Potsdam und der Fraktion Die Andere hatte das Bündnis zum „Großen Fahrradkorso“ und zur „Straße-für-Alle-Demo“ aufgerufen. Mit 1000 Teilnehmern rechneten die Veranstalter nach eigenen Angaben. Letztlich kamen wohl gut 200 Radler, um auf dem Weg vom Hauptbahnhof bis zur Feuerbachstraße im Korso darauf hinzuweisen, dass ein Umdenken in der Verkehrspolitik nötig sei. In der Ankündigung hieß es: „Unsere Vision ist eine autofreie Stadt, also ein Potsdam ohne motorisierten Individualverkehr, in der die Lebensqualität aller schwerer wiegt als die Bequemlichkeit einiger.“ Die Forderungen der Veranstalter: Kostenloser öffentlicher Nahverkehr, eine sichere Fahrradinfrastruktur „und die Rückgewinnung des öffentlichen Raumes für alle Menschen“. 

Wie das aussehen könnte, sollten nun alle an diesem Tag einmal ausprobieren. Dementsprechend haben einige auf dem Teer eine Picknickdecke mit Essen ausgebreitet. Andere testen das Einradfahren oder radeln im Bereich zwischen Zeppelinstraße und Sellostraße über einen Parcours. Zwei junge Klimaaktivisten von „Fridays for Future“ tragen ein riesiges, wackeliges Holzgestell durch die Gegend, das die Ausmaße eines VW-Busses haben soll. Die Polizisten, abgestellt zum Schutz der Demo, lassen sie gewähren. Eigentlich, sagt Meyer-Ohlendorf, sei man in der Stadtverwaltung doch sehr freundlich gewesen – auch, wenn die Aktivisten die Halteverbotsschilder für die Anwohner aus eigener Tasche finanzieren mussten.

E-Lastenrad? Für viele zu teuer!

Die Lehrerin Kristin Römling hat ihre 18 Monate alte Tochter Greta mitgebracht. Nun sitzt sie vorne im E-Lastenrad, das Mama zur Probe fährt. Römling ist begeistert: „Fährt sich super!“ Einen Führerschein hat sie nicht, ein Lastenrad wäre ihr Traum: „Ich find’s schade, dass die Anschaffung nicht gefördert wird.“ Denn 4500 Euro, so viel kostet das von ihr ausgeliehene Modell, seien doch ziemlich viel. Das gibt auch Steffen Schröder zu, der für diesen Samstag das Probefahren organisiert hat.

Der hauptberufliche IT-Berater gehört zu den Aktivisten und wohnt selbst in Golm. Von dort aus fahre er jeden Werktag mit der Bahn ins Büro nach Berlin. „Das ist noch ziemlich leicht“, sagt er. Kompliziert werde es ohne Auto erst, wenn er mit der Familie am Wochenende was unternehmen wolle. Der öffentliche Nahverkehr müsse deutlich ausgebaut werden. „Sie kommen aus Golm? Warum demonstrieren Sie dann nicht dort?“, will der 75-jährige Herbert Mönch wissen. Er wohnt in der Feuerbachstraße und ist empört darüber, dass er so kurzfristig sein Auto in der ohnehin stets zugeparkten Nachbarschaft einsortieren muss. „Weil dort nicht so viele Menschen vorbeikommen“, gibt Schröder zu. „Und weil die Feuerbachstraße im Radverkehrskonzept der Stadt eine große Rolle spielt, wenn es um den Ausbau der Radwege geht, aber bisher noch nichts passiert ist“, ergänzt Meyer-Ohlendorf. Die Frage, wie eine Verkehrswende aussehen müsse, sodass auch geheingeschränkte Personen nicht von der Mobilität abgeschnitten werden, kann er nicht beantworten. „Ist auch nicht unsere Aufgabe“, meint er.

Der VCD Brandenburg setze, so Kryster Volkmann, auf ein breites Konzept, der Bundesverband erforsche das bereits unter dem Titel „Wohnen leitet Mobilität“. Doch auch ihm ist klar, dass man nicht alle sofort überzeugen kann: Er selbst wohne im Schlaatz, und da sei ein solches Projekt bis auf Weiteres undenkbar: „Dort haben die Leute andere Probleme.“

Stefanie Schuster

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