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Die Vermieter wollen verhindern, dass jemand seine Wohnung verliert.

© Ottmar Winter/PNN

Coronakrise: Potsdams Vermieter zeigen Kulanz

In der Coronakrise will Potsdams Wohnungswirtschaft Mietern entgegenkommen. Gezahlt werden muss trotzdem - aber später.

Von Peer Straube

Potsdam - Flattert einem unerwartete Post vom Vermieter ins Haus, mag es manchem im Magen unangenehm kribbeln. Doch das Schreiben, das die Mieter eines Wohnblocks in der Kastanienallee vor wenigen Tagen bekamen, dürfte die Adressaten erleichtert aufatmen lassen haben. „Der Eigentümer des Hauses“, heißt es darin, mache sich „Sorgen um unsere Mieter“, die womöglich in finanzielle oder gar existenzielle Schwierigkeiten kommen könnten. Betroffene könnten damit rechnen, dass ihnen „von Fall zu Fall großzügig“ Hilfe und Unterstützung gewährt werde. 

Versandt hat dieses Schreiben die Hausverwaltung Lubitz. Dem Berliner Unternehmen gehört die Immobilie mit rund 80 Wohnungen in Potsdam. „Wir wollten in diesen Zeiten ein Zeichen setzen, dass unsere Mieter sich nicht sorgen müssen“, sagte Firmeninhaberin Michaela Lubitz den PNN. Wer wegen der Coronakrise in finanzielle Nöte gerät, dem könne die Miete gestundet, womöglich sogar temporär erlassen werden. Die Resonanz sei sehr positiv gewesen. „Viele Mieter haben sich bei uns bedankt“, so Lubitz.

Auch die Pro Potsdam bietet Hilfe an

So wie Lubitz, die zu den vielen kleineren Vermietern der Stadt gehört, zeigen in der Coronakrise auch viele größere Wohnungsunternehmen Entgegenkommen gegenüber ihren Mietern. Die kommunale Pro Potsdam, mit aktuell exakt 17 622 Wohnungen quantitativ der Branchenprimus der Stadt, erklärte am Dienstag in einer Pressemitteilung, sie stehe zu ihrer „sozialen Verantwortung“. 

Wer infolge der Corona-Epidemie in finanzielle Schwierigkeiten gerate, solle sich „aktiv“ melden, damit ihm geholfen werden könne, sagte Unternehmenschef Jörn-Michael Westphal. Ab April sollen die Mieter monatlich über ihren Mietkontostand informiert werden, das standardisierte Mahnverfahren bei Mietschulden werde „bis zu einer Einzelfallklärung unter Berücksichtigung staatlicher Hilfen wie beispielsweise Wohngeld“ ausgesetzt. Das gleiche Prozedere gelte auch für die Mieter der 288 Gewerbeeinheiten der Pro Potsdam.

Miete wird nicht erlassen

Was das im Einzelfall bedeutet, präzisierte Pro-Potsdam-Sprecherin Anna Winkler auf Nachfrage. Die Miete könne gestundet oder ausgesetzt werden, gezahlt werden müsse sie dann aber später. Denn: Drohende Mietrückstände könnten auch den Unternehmensverbund treffen. Man benötige die Einnahmen für Zins- und Tilgungszahlen für Kredite, die für Neubauten und Sanierungen aufgenommen wurden, für die Bezahlung von Handwerksbetrieben und die Begleichung der Betriebskosten wie Wasser, Strom, Fernwärme und Abfallentsorgung, sagte Westphal. 

Der Pro-Potsdam-Chef sprach sich für die Einrichtung eines „Sicher-Wohnen-Fonds“ aus, den bereits der Deutsche Mieterbund und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) gefordert hatten. Ein solcher, vom Bund aufgelegter Fonds soll Mietern und Vermietern, die in der Coronakrise in Not geraten, aus der Klemme helfen. Bislang ist ein solcher Fonds allerdings nicht geplant.

"Karl Marx" hat erste Anfragen

Potsdams größte Genossenschaften, die „Karl Marx“ mit rund 6600 Wohnungen und die PWG 1956 mit derzeit genau 4166 Wohnungen, ergreifen ähnliche Maßnahmen wie die Pro Potsdam. Es gebe bereits erste Anfragen von Mietern, die von Kurzarbeit betroffen sind, sagte „Karl Marx“-Vorstand Bodo Jablonowski den PNN. In allen Fällen werde man versuchen, Lösungen zu finden. „Niemand wird seine Wohnung verlieren“, versprach Jablonowski. Auch er machte indes deutlich, dass die Miete gestundet oder ausgesetzt, nicht aber erlassen werden könne. 

Ebenso sieht es PWG-Vorstand Matthias Pludra. Man könne den Mietern Aufschub, aber keinen Erlass gewähren. Dazu verpflichte schon der Gleichbehandlungsgrundsatz der Genossenschaft. Man bemühe sich aber um jedwede Hilfe für die Betroffenen. Sorgen, wegen ausbleibender Mieten selbst in finanzielle Not zu geraten, machen sich beide Genossenschaften nicht: Den Großteil der Mieter machten Senioren aus, deren Renten wohl sicher sind.

Semmelhaack pocht auf Rechte

Potsdams größter privater Vermieter, Semmelhaack, dessen Bestand nach eigenen Angaben derzeit Wohnungen „im niedrigen vierstelligen Bereich“ umfasst, ist „im Einzelfall“ auch „jenseits gesetzlicher Härtefallregelungen grundsätzlich bereit, individuelle Vereinbarungen zu treffen, sofern eine für beide Seiten tragbare Lösung realistisch erscheint“, sagte ein Sprecher den PNN. Er verwies allerdings auch auf mögliche Bundesregelungen „für nachweislich und konkret von der Coronakrise getroffene Mieter“. Bis eine solche Regelung greife, so der Sprecher, „müssen wir derzeit grundsätzlich weiterhin auf der Einforderung unserer Rechtsansprüche bestehen“.

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