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Vor dem Kollaps: Der Einzelhandel in der Brandenburger Straße in der Potsdamer Innenstadt.

© Andreas Klaer

Corona-Lockdown und hohe Mieten: Für viele Potsdamer Händler wird es existenzbedrohend

Immer mehr Ladenbetreiber in Potsdam sind durch den Lockdown in Existenznot. Erschwerend kommen teils hohen Mieten hinzu.

Von Carsten Holm

Potsdam - Der zweite Lockdown während der Corona-Pandemie bringt die örtlichen Einzelhändler zunehmend in Existenznot. Eine noch unveröffentlichte Umfrage unter den 40 Mitgliedern von „ici! Potsdam“, eines Zusammenschlusses von Händlern und Gastronomen im Zentrum, hat zu besorgniserregenden Ergebnissen geführt.

Mehr als ein Drittel der Befragten gaben vorvergangene Woche an, finanziell „keine zwei Monate mehr“ durchhalten zu können. Nach einer weiteren Verlängerung des Lockdowns wären mehr als fünf von zehn inhabergeführten Firmen am Ende. „Man muss sich das klarmachen“, sagt „ici“-Pressesprecher Patrick Großmann, „noch drei weitere Monate Lockdown, und die Hälfte der Läden ist tot.“

Patrick Großmann.
Patrick Großmann.

© Sebastian Gabsch

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Der Handel fordert wie berichtet ein Ende des Lockdowns zum 8. März, große Elektronikhändler, Baumärkte und Modeketten versuchen, die Aufhebung der Ladenschließungen mit einer Klagewelle zu erzwingen. Doch die für den staatlich verordneten Lockdown erforderliche Feststellung einer „epidemischen Lage von besonderer Tragweite“ endet derzeit ohnehin erst am 31. März – und niemand weiß, ob die Schließung noch verlängert wird, wenn die Infektionszahlen wieder weiter steigen.

Eine weitere Verlängerung aber, fürchtet Großmann, Inhaber der „Espressionisten“, werde zu einem „Kahlschlag“ führen. Viele Händler und Gastronomen der Vereinigung warteten noch immer auf die Auszahlung der Hilfen für November und Dezember. Geschäfte wie seine „Espressionisten“, die geöffnet sind und Kaffee sowie Zubehör verkaufen dürfen, seien ebenso in Not. Er könne jeweils nur zwei Kunden in den Laden lassen, sagt Großmann, im Januar sei der Umsatz im Vergleich zu 2020 um 47 Prozent gefallen: „Es ist bei uns allen nicht mehr viel Puste da“. Zudem, so Großmann, werde mit zweierlei Maß gemessen. Wer als Gastronom seine Gaststätte im November und Dezember komplett geschlossen habe, kassiere immerhin 75 Prozent des Vorjahresumsatzes: „Eine solche Regelung gibt es für andere Branchen nicht. Da ist Sozialneid programmiert.“

Auch etwas anderes stört das Gerechtigkeitsempfinden des „ici“-Sprechers. Fast 70 Prozent der Vermieter „kassieren in der Krise weiter 100 Prozent der Miete“, „sie zeigen, dass sie nicht mit uns zusammenhalten.“ Die „Zahnlücken“ des Handels, also die leeren Läden in der Innenstadt, seien ein Zeugnis dieser Haltung: „Will man, dass sich Potsdam so entwickelt wie die ausgestorbenen Innenstädte im Ruhrgebiet?“, fragt Großmann.

Hohe Gewerbemieten in Potsdam werden zum Problem

Auch Stefan Frerichs, Chef der städtischen Wirtschaftsförderung, betrachtet diese Entwicklung mit großer Sorge: „Dass wir Ende Februar darüber diskutieren, wie viele November- und Dezemberhilfen noch nicht ausgezahlt wurden, kann für manche tödlich sein.“ Er wäre froh, „wenn es nur ein Dutzend Händler und Geschäfte in der Stadt sind, die es nicht bis zum Sommer schaffen.“

Frerichs bestätigte auf PNN-Anfrage, dass auch die Wirtschaftsförderung die Lage auf dem Markt für Gewerbemieten als problematisch betrachte. Mitunter versuche die Stadt, Immobilienbesitzer und Mietinteressenten von Gewerberäumen zusammenzubringen, um Leerstände zu verhindern. Er sei, so Frerichs, an etwa zehn Vermittlungsgesprächen beteiligt gewesen, bei denen eine Neuvermietung „wegen der hohen Immobilienpreise“ oder eine Weitervermietung „an zu hohen Forderungen gescheitert“ sei. Mitunter seien Immobilienfonds aufgetreten, „für die ein Gebäude nichts als eine rechnerische Größe ist, mit der das Portfolio ihrer Auftraggeber bedient wird“.

„Wir brauchen jetzt jeden Tag.“

Für die baldige Öffnung der Läden plädiert indes auch Bärbel Schälicke, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Innenstadt, in der sich 100 Ladenbesitzer und Gastronomen vereinigt haben. Mehrfach hätten die Geschäfte ihre Ware wegen der Lockdowns nicht verkaufen können: „Wir brauchen jetzt jeden Tag.“ Zudem sei das Infektionsrisiko in den vielen kleinen Läden „wegen der Infektionsschutzmaßnahmen doch gering“.

Bärbel Schälicke.
Bärbel Schälicke.

© Andreas Klaer

Vorangehen soll es für die Potsdamer Innenstadt, sobald das Berliner Büro Urbanizers, das städtische Konzepte entwickelt, noch in diesem Jahr eine Studie über das Zentrum der Landeshauptstadt vorlegt. In der ersten Stufe seiner Arbeit hat es bereits acht Interviews mit Ladenbesitzern, Mitarbeitern aus dem Kultur- und dem Universitätsbereich und anderen Potsdamer Akteuren geführt. Gregor Langenbrinck, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Stadtentwickler, blickt optimistisch in die Zukunft: „Die Innenstadt hat enormes Potential.“

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