zum Hauptinhalt
Das Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse am Tiefen See.

© Andreas Klaer

Corona-Krise: Potsdam schließt seine Besuchermagnete

Die Stadt und die Schlösserstiftung schließen wegen der Corona-Krise wichtige Einrichtungen bis Mitte April – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte Potsdams. Manche fürchten schon um ihre Existenz

Es ist ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der Stadt Potsdam: Wegen der Corona-Krise wird das öffentliche Leben in Potsdam nahezu gänzlich lahmgelegt. Nach der Absage des Tulpenfests und der vorläufigen Schließung des Museums Barberini am Mittwoch folgten am Donnerstag weitere Schließungen. Zudem reagierte die Stadtverwaltung mit restriktiven Maßnahmen.

Ziel: Das Virus in seiner Ausbreitung eindämmen

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) erließ eine Allgemeinverfügung, um alle kommunalen Einrichtungen wie Theater, Konzerthallen und Museen zu schließen. „Damit wollen wir einen Beitrag leisten, das Virus in seiner Ausbreitung einzudämmen“, so Schubert in einer Mitteilung der Stadt vom Donnerstagabend. Ob weitergehende Regelungen nötig sind, werde in den nächsten Tagen entschieden.

Bis zum Ende der Osterferien am 18. April bleiben die Stadt- und Landesbibliothek, die Volkshochschule, das Potsdam-Museum, das Naturkundemuseum, die Gedenkstätte Lindenstraße, das Hans Otto Theater, der Nikolaisaal, die städtische Musikschule, der Treffpunkt Freizeit und die Biosphäre geschlossen.

Auch die Schlösserstiftung reagiert drastisch

Ferner schließt die Schlösserstiftung als Präventivmaßnahme ab dem heutigen Freitag die Schlösser in Potsdam, Brandenburg und Berlin bis zunächst zum 19. April. In dieser Zeit entfallen auch die Veranstaltungen in den Schlössern, teilte die Stiftung am Donnerstagnachmittag mit. „Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, aber wir haben eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft sowie für unsere Mitarbeiter“, sagte Generaldirektor Christoph Martin Vogtherr. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Stiftung, dass die Schlösser dauerhaft so lange geschlossen bleiben, sagte ein Stiftungssprecher auf PNN-Anfrage.

Die Stadt untersagt mit ihrer Verfügung auch alle Veranstaltungen ab einer Teilnehmerzahl von 1000 Menschen bis auf Weiteres. „Veranstaltungen mit mindestens 100 Teilnehmenden müssen dann der Landeshauptstadt schriftlich angezeigt werden und werden gegebenenfalls abgesagt“, hieß es in der Mitteilung. Schubert hatte schon am Mittwoch an die Veranstalter auch appelliert, er bitte darum, dass „alle Veranstaltungen mit Club-Charakter“ abgesagt werden – also auch kleinere Tanzveranstaltungen.

Nicht jeder hat Verständnis

Doch dem folgt nicht jeder. Im „Gutenberg 100“ will man zum Beispiel bislang nichts absagen. Der Inhaber des Live-Klubs in der Kurfürstenstraße, Björn Mettke, teilte den PNN noch am Donnerstagnachmittag auf Anfrage mit, man halte weiter Veranstaltungen ab – „bis sie vom Gesetzgeber verboten werden“. Dabei gehe es auch um Schadensersatzansprüche und Lohnfortzahlung. Auch die Leitung des Clubs Charlotte in der Charlottenstraße teilte via Facebook mit, man wolle „nicht auf gute Musik und gute Unterhaltung verzichten“. Man bitte alle Gäste, persönlich Vorsorge zu treffen, zum Beispiel die Hände zu waschen. „Und wer an sich die Zeichen einer Virusinfektion erkennt, kontaktiert bitte einen Arzt und bleibt zu Hause…“ Auch ein Sprecher des Hans Otto Theaters hatte auf PNN-Anfrage zunächst noch erklärt, alle Veranstaltungen könnten stattfinden – dann kam am Abend die städtische Verfügung zur Schließung.

Die vielen Absagen haben für die Veranstaltungshäuser drastische Folgen. „Die Partys und Großveranstaltungen, die wir jetzt absagen müssen, sind unser finanzielles Rückgrat“, sagte zum Beispiel Mathias Paselk, der Chef des Waschhauses in der Schiffbauergasse, im Interview mit der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Es drohe die Insolvenz. Er hoffe, dass Stadt und Land helfen könnten. Auch die auf Showprogramme spezialisierte Veranstaltungsagentur der Babelsbergerin Hanna Kuster bekommt die Folgen zu spüren. „Die ersten Absagen sind da“, sagte sie den PNN. Sie habe keine Ahnung, ob die Agentur das überstehen werde. „Die Situation ist für alle Veranstalter fürchterlich.“

Kann die Stadt helfen?

Zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen von Veranstaltungsabsagen kündigte Schubert an, man wolle Möglichkeiten der Reduzierung von Kosten bei der Nutzung städtischer Liegenschaften und auch finanzielle Zuwendungen prüfen. Kommende Woche sei ein Krisengipfel am Tisch der Sport- und Kulturdezernentin Noosha Aubel (parteilos) geplant.

Von der Corona-Krise ebenfalls betroffen ist die erfolgreiche Potsdamer Mittelalter-Metal-Band Subway to Sally. Diese hatte bereits ihr für den 14. März geplantes Konzert in Andernach (Rheinland-Pfalz) absagen müssen. Es soll im November nachgeholt werden. Auch ein Konzert in Goslar ist verschoben worden. Auf ihrer aktuellen Tour hat die Band, die in Deutschland Tausende Fans hat, noch bis Anfang Mai diverse Konzerte in Jena, Magdeburg oder Wien geplant. „Hoffen wir, dass die Corona-Krise bald überstanden ist“, schrieb die Band via Facebook.

Manche stellen sich auf länger währende Probleme ein. Am Donnerstagabend teilten die Veranstalter der für den 6. Juni geplanten Langen Nächte der Wissenschaft in Berlin und Potsdam mit, dass diese in diesem Jahr ausfallen. Es waren rund 2000 Veranstaltungen mit rund 25 000 Besuchern geplant.

Türen zu wegen Corona. Auch die Biosphäre bleibt bis  18. April geschlossen.
Türen zu wegen Corona. Auch die Biosphäre bleibt bis  18. April geschlossen.

© Andreas Klaer

ABSAGEN

Zum Teil im Minutentakt folgten die Veranstaltungsabsagen am Donnerstag. Eine Auswahl.

Der für heute geplante Schinkelhallentalk „Wirtschaftsfreundliche Kommune Potsdam“ wird nicht stattfinden. Die Veranstaltung wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben

Die kostenlose Fahrradcodierung der Polizeiinspektion Potsdam, die für den kommenden Samstag im Vorraum des Toom-Baumarktes in Babelsberg angekündigt war, wird auf einen bislang noch nicht bekannten Termin verschoben. Eine Polizeisprecherin sagte, seien bei „früheren Fahrradcodierungen teilweise mehr als hundert Interessierte erschienen“.

Die am Samstag geplante Salsa-Tanzparty in der Wilhelmgalerie ist gestrichen.

Verschoben in die zweite Jahreshälfte ist die Gesprächsreihe „Lichtblaue Stunden“ am Sonntag, zu der das Autohaus Lichtblau im Bornstedter Feld eingeladen hatte. Prominenter Gast sollte Ex-Weltklasseboxer Henry Maske sein. Von der Krise sind auch politische Aktionen betroffen: Die für Sonntag geplante Demo der Fridays for Future-Bewegung in Potsdam wurde abgesagt.

Wegen des Coronavirus ist ab sofort die Bibliothek des Zentrums für Militärgeschichte und

Sozialwissenschaften
der Bundeswehr (ZMSBw) in der Potsdamer Zeppelinstraße geschlossen. Auch eine für den 17. März geplante Podiumsdiskussion mit dem Titel „Relevanz von Sport und Militär aus aktueller und historischer Sicht“ findet nicht statt.

Die für den 20. März angekündigte Veranstaltung „Stadtmarketingforum und Siegerehrung City-Offensive Westbrandenburg“ in der Industrie- und Handelskammer Potsdam fällt aus. Bis auf weiteres geschlossen bleibt der Studentenklub „Pub á la Pub“ in der Breiten Straße.

Das Friedrich-Reinsch- Haus am Schlaatz schließt, mindestens bis 22. März. Und auch die Veranstalter der Osterfesttage Potsdam 2020 haben mitgeteilt, dass die geplanten Konzerte mit internationalen Künstlern, die vom 10. bis 14. April geplant waren, abgesagt sind. Die Organisatoren: „Es ist ein tragisches Geschehen im Interesse der Gesundheit, im wahrsten Sinne höhere Gewalt.“

Zur Startseite