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Im Norden der Stadt sollen nur große Gesamtschulen entstehen - das sorgt für Ärger (Symbolbild).

© dpa

CDU erhebt Vorwürfe: Potsdam hat zu wenige Gymnasien

Das Schulamt kritisiert Planungen im Bildungsdezernat. Im Norden Potsdams entstehen nur Gesamtschulen. Die CDU will notfalls Schulen umwidmen.

Potsdam - Trotz des wachsenden Bedarfs und der Kritik aus dem Schulamt wird es im Potsdamer Norden in absehbarer Zeit kein Gymnasium geben. Das bestätigte Stadtsprecher Markus Klier den PNN jetzt auf Anfrage. Demnach sind im Norden bisher nur große Gesamtschulen geplant, in denen Schüler das Abitur nach 13 Jahren erlangen können – und nicht ein Jahr früher wie an Gymnasien. 

Um der wachsenden Nachfrage nach Plätzen an Gymnasien kurzfristig überhaupt noch entsprechen zu können, erwägt das Rathaus aber Anbauten und die Erweiterung bestehender Schulen – neben dem Plan für den Neubau eines Gymnasiums im Wohngebiet Am Schlaatz ab frühestens 2026. Die CDU will hingegen bestehende Schulen notfalls auch zu Gymnasien umwidmen lassen und wirft der rot-grün-roten Rathauskooperation eine Bildungspolitik vor, die am Bedarf der gerade im Norden wachsenden Stadt vorbeigehe.  

CDU beruft sich auf Schulamt

Dabei kann die CDU sich auf Aussagen des für Potsdam zuständigen Schulamts in Brandenburg/Havel berufen. Der zuständige Schulrat Eckhard Dörnbrack hat das von Noosha Aubel (parteilos) geführte Bildungsdezernat im Rathaus laut einem den PNN vorliegenden Vermerk bereits im August 2019 gewarnt, die Stadt könne nicht ausreichend Gymnasialplätze vorhalten. 

Dies habe sich schon damals im sogenannten Ü7-Verfahren gezeigt, also dem Übergang von der Grund- zu einer weiterführenden Schule. So sei er trotz fehlender Plätzen gezwungen gewesen, den existierenden Gymnasien weitere Schüler zuzuweisen, schrieb Dörnbrack – „29 bzw. 30 Schüler pro Klasse“. Denn: Wenn Eltern als Wunschschule auf ein Gymnasium bestehen, könne er die Schüler nicht an eine Gesamtschule verweisen: „Entsprechende gerichtliche Entscheidungen dazu hat es gegeben.“  

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Zudem kritisierte Dörnbrack in dem Schreiben, dass eine Gesamtschule mindestens 40 Schüler für die elfte Klasse benötigt – wollen nicht genügend Schüler zu so einer Schule, kann sie ihren Status verlieren. Wegen „der Vielzahl der errichteten Gesamtschulen“ in Potsdam sei es für einige dieser Schulen schon jetzt schwierig, genügend geeignete Schüler für die Oberstufe zu gewinnen.  

Viele Gymnasien übernachgefragt

Diese vor knapp einem Jahr aufgeschriebene Warnung deckt sich mit den Zahlen des aktuell abgeschlossenen Ü7-Verfahrens, bei dem 1500 Schüler in Potsdam in die Klasse 7 wechseln. So habe man noch eine zusätzliche Klasse am Helmholtz-Gymnasium mit 28 Plätzen einrichten müssen, schreibt Dörnbrack in einem aktuellen Vermerk an die Stadt. Die Extraklasse sei „entgegen dem Errichtungsbeschluss“ für das Gymnasium geöffnet worden. Ferner habe sich gezeigt, dass „fast alle Gymnasien“ übernachgefragt seien. 

Die Folge: Nach Erst- und Zweitwunschverfahren hingen 121 Schüler zunächst in der Luft, darunter 26 Schüler, die als Wunsch ein Gymnasium angegeben hatten, aber bei den Aufnahmetests an den Einrichtungen angesichts begrenzter Plätze scheiterten. Diesen habe man das Leibniz-Gymnasium im äußersten Süden der Stadt, im Wohngebiet Stern, angeboten, so Dörnbrack. Die Folge: Wenn einer dieser Schüler im Norden wohnt, muss er jeden Tag einen langen Schulweg quer durch die Stadt in Kauf nehmen.  

Kein Gymnasium in Krampnitz geplant

Doch die Planungen der Stadt sehen derzeit kein Gymnasium im Norden vor, auch nicht im geplanten Viertel Krampnitz. „Die dort geplante weiterführende Schule wird aktuell als Gesamtschulstandort geplant“, sagte Klier. Man habe sich so entscheiden, um auch den wohnortnahen Bedarf abzudecken. „Bei einem Gymnasium wäre nicht sichergestellt, dass die dort lebenden Kinder einen Platz an der Schule erhalten würden“, so Klier. 

Gleichwohl würde die Schaffung weiterer Gymnasialplätze im Zuge der Schulentwicklungsplanung geprüft, die in diesem Jahr ohnehin angepasst werden muss. „An bestehenden Gymnasien könnten zum Beispiel durch An- und Erweiterungsbauten zusätzliche Plätze geschaffen werden“, so Klier. Konkreter wollte der Sprecher zunächst nicht werden.  Der CDU reicht das alles nicht – zumal die rot-grün-rote Rathauskooperation sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt hat, bei Schulneubauten nur noch Gesamtschulen in Potsdam errichten zu lassen. 

Bürgerwünsche missachtet

Der CDU-Stadtverordnete und Bildungsexperte Clemens Viehrig sagte den PNN, mit den fehlenden Gymnasialplätzen würden Bürgerwünsche missachtet. Im Norden Potsdams sei ein Gymnasium nötig. Gegebenenfalls müsse man auch die Umwidmung bestehender Schulen prüfen. Sollte kein neues Gymnasium entstehen, könnten private Schulträger solche Angebote machen– „und das will die Kooperation doch auch nicht“, so Viehrig.  

Bildungsexperte Clemens Viehrig (CDU).
Bildungsexperte Clemens Viehrig (CDU).

© promo

In der Kooperation will man darüber nachdenken. So sagte Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg, das besagte Gymnasium am Schlaatz wolle man nicht infrage stellen – das sei eben Bestandteil des bisherigen Plans. Zudem plädierte er dafür, im Norden auch über Hybrid-Modelle wie an der Voltaire-Gesamtschule in der Innenstadt nachzudenken – diese hat auch einen gymnasialen Zug, in dem das Abitur bereits nach zwölf Jahren abgelegt werden kann. 

 „Wir nehmen das Anwahlverhalten ernst“

Aus Sicht von SPD-Fraktionschef Daniel Keller hat so ein Modell auch noch andere Vorteile – so müssten Eltern und Kinder nicht bereits nach der sechsten Klasse entscheiden, ob man und wann man das Abitur ablegen wolle. So ein Modell könne man beim Bildungsministerium auch für den Norden beantragen, sagte Keller. „Wir nehmen das Anwahlverhalten ernst.“  

Möglich wäre das zum Beispiel im Bornstedter Feld – die Da-Vinci-Gesamtschule wurde 2011 eröffnet, ferner soll am Standort Reiherweg/ Pappelallee 2024 der Neubau für die Schule am Schloss öffnen, die bereits in Unterrichtscontainern an der Esplanade übergangsweise geöffnet hat. Könnte man so eine Schule zu einem Gymnasium umwidmen? Das wäre laut Rathaus faktisch unmöglich. Denn dazu müsste eine Schule geschlossen werden – mit einem Beschluss der Stadtverordneten – und die Bestandsklassen auslaufen. Anschließend könnte an dem Standort ein Gymnasium gegründet werden. Das wurde bisher allerdings auch schon einmal in Potsdam so praktiziert: Bei der Goethe-Gesamtschule in Babelsberg, die nun das Suttner-Gymnasium ist.

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