zum Hauptinhalt
Für Fahrradfahrer ist die Maulbeerallee ein im Wortsinn schwieriges Pflaster. Der Wunsch nach einer Verbesserung der Situation ganz speziell sowie einem Ausbau des Radwegenetzes ganz nimmt im aktuellen Bürgerhaushaltsverfahren einen der vorderen Plätze ein.

© Andreas Klaer

Bürgerhaushalt: Das wollen die Potsdamer

Die Abstimmung zum Bürgerhaushalt endet: Über diese 20 Forderungen müssen die Stadtverordneten entscheiden.

Potsdam - Der erste Platz ist keine Überraschung: Wie bei den vergangenen Bürgerhaushaltsverfahren dominierte auch diesmal mit 17.800 Punkten der Wunsch, dass das Rathaus kein städtisches Geld für den Wiederaufbau der Garnisonkirche verwenden soll – was im Übrigen auch gar nicht geplant ist.

Hinter dieser Hauptforderung gibt es viele Vorschläge, mit denen sich die Stadtverordneten im Zuge der Haushaltsberatungen befassen müssen und zu denen sich die Stadtverwaltung teils schon positioniert hat. Jeder der mehr als 12.000 Teilnehmer am Bürgerhaushalt konnte fünf Punkte vergeben. Die PNN geben einen Überblick über die Ergebnisse.

Neue Vorschläge

Nahezu 14.700 Voten bekam der Appell für bessere Radwegeverbindungen, etwa durch den Schlaatz oder in der Maulbeerallee. Die Stadt kann zwar auf ihr Radwegeausbaukonzept verweisen – allerdings sind einige der im Vorschlag genannten Forderungen finanziell noch nicht untersetzt. Das könnten die Stadtverordneten ändern, schließlich hat sich die rot-grün-rote Rathauskooperation den Ausbau des Radwegenetzes vorgenommen.

Immerhin mehr als 7300 Punkte erhielt die Idee zur Erhöhung der Hundesteuer. Dabei fallen für die Stadt allerdings vergleichsweise wenig Einnahmen an – zehn Prozent mehr Hundesteuer würden 75.000 Euro bringen. Ein Hund kostet in Potsdam 108 Euro, zwei Vierbeiner kosten 252 Euro. In Potsdam gibt es rund 7000 Hunde, Tendenz zuletzt steigend.

„Zur Einsparung von Ausgaben für Lizenzen setzt die Verwaltung zukünftig kostenlose Open-Source-Software ein“ – für diesen Wunsch gab es mehr als 4400 Kreuze. Allerdings erklärt das Rathaus, solche Programme nutze man teilweise bereits, zudem könne der Einsatz gerade bei Fachverfahren auch kostenintensive Umprogrammierungen bedeuten.

Rund 4000 Stimmen konnten für die Idee gesammelt werden, die Beleuchtung durch Straßenlaternen in der Nacht zu dimmen. Doch auch da ist die Stadtverwaltung skeptisch: Man nutze energiesparende Leuchtmittel auf dem Niveau der neuesten EU-Umweltstandards, die auch weniger Insekten anziehen als alte Laternen. Allerdings beeinträchtige zu wenig Licht vor Ort auch das Sicherheitsgefühl, so das Rathaus. Daher sei das Dimmen nur im Einzelfall denkbar.

Gerade hat es Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) unter anderem aus rechtlichen und personellen Gründen abgelehnt, dass in der Innenstadt ein Böllerverbot verhängt wird. Doch der Vorschlag für böllerfreie Zonen und ein zentrales Feuerwerk ist beim Bürgerhaushalt mit 3800 Voten erfolgreich gewesen. Die Stadt gibt sich hier auch in ihrer Stellungnahme skeptisch: „Um großflächige Gebiete flächendeckend zu kontrollieren“, müssten im Rathaus und bei der Polizei personelle Kapazitäten erhöht werden.“ Nun müssen die Stadtverordneten darüber abstimmen.

Eine neue Tramstrecke ist mit dem Bürgerhaushalt auch vorgeschlagen worden: Vom Luisenplatz über den Voltaireweg bis zur Fachhochschule. Das Rathaus gibt sich skeptisch: Zunächst müsse man den Bedarf abschätzen. Zudem wird auf millionenschwere weitere Tramplanungen verwiesen, etwa nach Krampnitz oder zwischen Babelsberg und Am Stern. Dennoch gab es 2850 Punkte für die Idee. 

Wohnformen für junge Menschen mit Behinderung sollen von der Stadt geschaffen werden, diese Idee erhielt 2300 Punkte. Es gehe um Wohnraum für ein gemeinsames Leben, so der Vorschlag. Das Rathaus und die kommunale Pro Potsdam prüfen bereits die Umsetzung und hoffen auf Hilfe über das neue Wohnraumförderungsgesetz des Landes.

Interessant dürfte es werden, wie die Stadtverordneten mit diesem Vorschlag umgehen: „Der Oberbürgermeister unterstützt den Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche im Sinne der Schaffung eines landesweiten Friedenszentrums.“ Mehr als 2150 Stimmen gab es dafür.

Kaum mehrheitsfähige Initiativen

Mehr als 11.300 Punkte erhielt der Wunsch nach einer Umgehungsstraße samt dritter Havelbrücke. Doch die von linken Parteien dominierte Stadtpolitik hat dem Vorhaben schon mehrfach eine Absage erteilt, wegen der nötigen Eingriffe in die Natur und laut Prognosen mangelndem Entlastungseffekt für den Verkehr. Allerdings wird die seit Jahren umstrittene Idee noch einmal im Zuge des geplanten neuen Stadtentwicklungskonzepts Verkehr geprüft. 

Wohl keine Chance dürfte der mit rund 3900 Punkten geadelte Vorschlag einer Kiez-Schwimmhalle in der Biosphäre haben. Bekanntlich hat sich die Stadtpolitik entschieden, dass die defizitäre Tropenhalle zu einer Erlebnis- und Wissenswelt aufgewertet wird. Derzeit wird dazu eine Machbarkeitsstudie erstellt.

Mehr als 3850 Kreuze bekam die Forderung, dass die Stadt ihre jährliche Zahlung von einer Million Euro an die Schlösserstiftung einstellt. Die Überweisungen sollen verhindern, dass ein Pflichteintritt für den Park Sanssouci erhoben wird. Allerdings gilt Vertrag mit der Stiftung noch bis Ende 2023. Zudem käme ein Pflichteintritt nicht automatisch, der Stiftungsrat müsste einen neuen Beschluss dazu fassen.

Mehr als 2250 Stimmen unterstützten die Kritik am geplanten Schulcampus am Bahnhof Rehbrücke: Hier müssten für die Sportflächen Alternativen gefunden und auf die Förderschule vor Ort verzichtet werden. Allerdings hat die Stadtpolitik erst kürzlich mit deutlicher Mehrheit das Gegenteil beschlossen.

Bekannte Ideen, schwierige Umsetzung

„In Potsdam wird der kostenlose/ticketfreie öffentliche Nahverkehr für alle eingeführt.“ 10.300 Stimmen bekam dieser Wunsch. Die Politik hat bereits die Prüfung beschlossen, seit zwei Jahren tagt eine Arbeitsgruppe dazu. Diese soll zum Beispiel untersuchen, wie viele zusätzliche Fahrgäste zu erwarten sind und was das kosten würde. Die Stadt ist skeptisch: In Kommunen mit solchen Modellen seien erhoffte Verkehrseffekte nicht erreicht worden. Zudem müsse man für mehr Fahrgäste eben auch deutlich mehr investieren, heißt es in der Einschätzung des Rathauses zu dem Vorschlag.

Rund 7900 Punkte erhielt die Forderung, mehr Dächer und Fassaden zu begrünen. Nach einem Stadtverordnetenbeschluss erarbeitet das Rathaus bereits eine Stadtklimakarte, daraus soll Ende 2020 eine Gründach- und Fassadenstrategie erarbeitet werden.

Längst diskutiert wird der Appell, dass das Pflegepersonal im Klinikum „Ernst von Bergmann“ nach den Tarifstrukturen des öffentlichen Dienstes bezahlt wird – dafür gab es mehr als 6450 Kreuze. Den TvÖD will Oberbürgermeister Schubert wie berichtet wieder einführen, allerdings gibt es noch Finanzierungsfragen – etwa, ob die Stadt noch Zuschüsse an das Krankenhaus zahlen müsste. Ferner läuft ein Bürgerbegehren zu dem Thema.

Bereits bearbeitet wird die Idee eines umweltfreundlichen Pfandbechersystems in Potsdam, die fast 5000 Punkte erhalten hat. Ein solches System will die Stadt gemeinsam mit der Bürgerstiftung über den Potspresso-Becher etablieren. Dieses Jahr wurden bereits 80.000 Euro im Etat der Stadt dafür eingeplant.

Das Klimaschutzprogramm der Stadt soll intensiviert werden, ferner muss die Stadt mehr Bäume pflanzen: 4450 Kreuze sind für diese Vorschläge gezählt worden. Die Stadt verweist dazu auf den im Sommer gefassten Beschluss zum Klimanotstand. Zugleich seien aber Aufforstungen wegen der im Vergleich zu Maßnahmen bei Energieversorgung, Gebäuden, Verkehr und Konsum geringen Treibhausgasreduzierung nicht prioritär. Gleichwohl prüfe man fortlaufend, wo zum Beispiel Pflanzungen nach Fällungen möglich wären, so das Rathaus.

Als Ziel hat sich die rot-grün-rote Rathauskooperation eine autofreie Innenstadt gesetzt, es geht um den Bereich rund um die Brandenburger Straße zwischen Hegelallee und Charlottenstraße. Dieser Vorschlag hat im Bürgerhaushalt 3600 Punkte bekommen. Allerdings gibt sich die Stadt zurückhaltend: Unter anderem bedürfe es einer einheitlichen Belagsgestaltung, zudem fehlten Lösungen für die Anwohnerparkplätze.

Für ein zentralisiertes Kitaplatz-Vergabeverfahren wurden 2600 Voten abgegeben. Dieser online-basierte Kita-Navigator sollte längst am Netz sein, jedoch hatte sich die Ausschreibung, auch wegen der vielen unterschiedlichen Träger der mehr als 120 Einrichtungen, immer wieder verschoben. Aktuell plant die Stadt dafür 270.000 Euro ein.

Nicht genug Stimmen 

Andere Themen haben nicht genug Stimmen erhalten, um zum Thema für die Stadtverordneten zu werden. Dazu zählt zum Beispiel die Forderung nach einer Erhöhung der Bettensteuer. Auch Pläne für eine Begrünung des Mittelstreifens der Breiten Straße oder die Nutzung der Havel für besser getaktete Wassertaxis fanden nicht genügend Zuspruch. Zu wenig Kreuze erhielten auch die Hilfsanträge für das Planetarium in der Gutenbergstraße und das Nachbarschaftshaus „Lottenhof“ in der Geschwister-Scholl-Straße 34. Allerdings sind beide Einrichtungen bereits im Fokus der Stadtpolitik.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false