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Bürgerdialog zur Garnisonkirche: 25 Garnisonkirchen-Entscheider gesucht

Die Stadtspitze macht einen überraschenden Vorschlag, um den Streit um die Garnisonkirche zu beenden. Dafür braucht es 25 zufällig ausgesuchte Potsdamer, die ein Bürgergutachten erstellen sollen. Es gibt Zweifel.

Potsdam - 25 zufällig ausgewählte Potsdamer sollen über den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche mitentscheiden. Das Konzept für diese völlig neue Idee im stockenden Bürgerdialog präsentierte die Stadtverwaltung am Mittwochabend im Hauptausschuss der Stadtverordneten. Demnach sollen die 25 Potsdamer ein sogenanntes Bürgergutachten erstellen – gemeint ist ein externer Kompromissvorschlag für den jahrelangen Streit um das Wiederaufbauprojekt.

Die 25 Teilnehmer sollen dem Einwohnermelderegister entnommen werden. Sie sollen für die Dauer des Verfahrens ihren Verdienstausfall oder die Kinderbetreuungskosten erstattet bekommen – samt der nötigen externen Begleitung und der zuvor nötigen Ausschreibung würde das Verfahren 60 000 bis 120 000 Euro kosten, rechnete der zuständige Rathausreferent Nils Jonas vor.

Zuerst: Pro und Contra des Wiederaufbaus der Garnisonkirche

Konkret sollen die Auserwählten zunächst das Pro und Contra des Wiederaufbaus von den Befürwortern und Gegnern bei öffentlichen Veranstaltungen erläutert bekommen. Dann beginnt ein zwei- bis viertägiger Workshop, in dem fünf wechselnde Fünfergruppe an dem Bürgergutachten arbeiten – die Wechsel sollen dabei sicherstellen, dass Einzelne keine Meinungsführerschaft übernehmen. Konkret geht es etwa um die Frage, ob die 1968 gesprengte Barockkirche originalgetreu wiederaufgebaut werden kann, was den Abriss des von Künstlern genutzten Rechenzentrums zur Folge hätte. Für den Kirchturm gibt es eine bis 2019 gültige Baugenehmigung, allerdings fehlen noch 21 Millionen Euro für den Bau, der vornehmlich aus Spenden finanziert werden soll. Das in den 1970er-Jahren entwickelte und in zahlreichen Kommunen erprobte Verfahren sei „ideal für verfahrene Situationen“, sagte Jonas. Möglich sei sogar, zwei derartige 25er-Gruppen zeitversetzt tagen zu lassen, um das Ergebnis abzusichern.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte mit Blick auf die verhärteten Fronten zum Kirchenbau, mit dem bisherigen Kommunikationsprozess „kommen wir nicht weiter“. Mit der Idee des Bürgergutachtens könnten nun Nicht-Involvierte einen eigenen Vorschlag unterbreiten, „von dem wir nicht wissen, wie er aussieht.“ Im neuen Jahr wolle er die Idee im Hauptausschuss erneut debattieren und dann entscheiden lassen, sagte Jakobs.

Zweifel an der Methodik

Die Reaktionen waren gemischt. SPD-Chef Mike Schubert sagte, vielleicht könne so ein Bürgergutachten die verfahrene Debatte „ein Stück weit aufbrechen“. Zweifel an der Methodik äußerte Grünen-Fraktionsvorsitzender Peter Schüler, aber auch Linke-Vize Stefan Wollenberg. Dieser erklärte, möglich als Ergebnis des Bürgergutachtens sei eine dritte unvereinbare Position zur Garnisonkirche. Die Fraktionschefin der linksalternativen Die Andere, Christine Anlauff, sagte: „Ich glaube nicht, dass da viel rauskommt.“

Dagegen sagte Oberbürgermeister Jakobs, er habe noch keinen anderen Vorschlag für den weiteren Dialog vernommen. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg erinnerte an die bisher von der Stadtverwaltung abgelehnte Bürgerbefragung zum Wiederaufbau. Diese lehnte Jakobs zum jetzigen Zeitpunkt erneut ab: Basis wäre nur eine allgemeine, emotionale Einschätzung. Zudem sei die Fragestellung wegen der Baugenehmigung für den Turm beschränkt, so Jakobs.

Der Bürgerdialog in der Kritik

Zuvor hatte die Verwaltung eingeräumt, dass der Bürgerdialog mehr als ein halbes Jahr nach seinem Beginn immer stärker in die Kritik gerät. So hätten Befürworter wie Gegner beklagt, statt um Verfahrensfragen über Inhalte sprechen zu wollen. Die Initiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ kündigte sogar an, ihre Unterstützer im Januar über einen Ausstieg aus dem Bürgerdialog entscheiden zu lassen – weil eben keine direkte Befragung der Potsdamer geplant sei, für die die Initiative vergangenes Jahr mehr als 14 000 Unterschriften gesammelt hatte.

Keine Debatte gab es Mittwoch nur in einem Punkt: Ohne Gegenstimmen votierten die Stadtverordneten für den Vorschlag, einen Gestaltungswettbewerb für den Platz „Plantage“ am Kirchenstandort auszuloben und dieses Thema zunächst vom Bürgerdialog abzukoppeln.

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