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 Marianne Ludes vor ihrem Haus.

© Ottmar Winter

Buch über Ludwig Jacobs: Ein Visionär aus Potsdam

Die Potsdamer Autorin Marianne Ludes hat ein Buch über den fast vergessenen Modernisierer Ludwig Jacobs geschrieben. 

Von Carsten Holm

Potsdam - Hoch über dem Jungfernsee steht Marianne Ludes vor der Villa Jacobs und präsentiert ihr neues Buch. Es ist die Biografie über einen Mann, der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur der reichste Bürger der Stadt, sondern auch ein Visionär war: Er baute eine Zuckerfabrik und brachte dann auch noch die Eisenbahn nach Potsdam. „Ludwig Jacobs oder Das verschwundene Leben” lautet der Titel, er spielt darauf an, dass der große Mann der Stadt in Vergessenheit geraten ist. Die Autorin steht Jacobs auch geografisch sehr nah: Sie wohnt mit ihrem Mann genau da, wo ihr Protagonist 1835 die Villa baute, die bis heute seinen Namen trägt. Das Ehepaar hat den Persius-Bau nach historischem Vorbild komplett neu errichtet.

Mit beeindruckender Dichte zeichnet Marianne Ludes das Leben von Jacobs nach. Sie selbst hat Germanistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften studiert, ist Mitorganisatorin des Literaturfestivals Lit:Potsdam. Ihr Debüt „Das kalte Auge“ erschien 2019, ein Thriller. Nun also eine Biografie über einen Visionär, dessen Vater Pächter des Guts Roddhan bei Havelberg war. 1796 dort geboren, zog es ihn zum Kummer seiner Eltern vom Land in die Stadt. Niemand ahnte, dass er mit seiner kreativen Unruhe einer der bedeutendsten preußischen Modernisierer werden würde.

Dem Zucker sei Dank

Zucker war ein Luxusgut, er wollte als Zuckerfabrikant Geld machen. In Magdeburg gründete der junge Jacobs seine erste Fabrik, dann zog es ihn nach Potsdam. 1824 kaufte er an der Alten Fahrt mitten im Zentrum ein Fabrikgelände mit riesigem Wohnhaus, 1843 baute er die Fabrik in der Form eines mittelalterlichen Kastells mit hoch aufragendem Turm um.

Jacobs verliebte sich in Auguste Bennecke, die Tochter des reichen Gutsbesitzers Philipp Bennecke. 1825 heirateten sie und hatten elf Kinder. Die Familie nistete sich an der Havel ein, Ludwig Jacobs wurde Stadtverordneter. Obwohl er sich später als stramm Konservativer erweisen sollte, hatte er ein soziales Herz, zahlte faire Löhne und freiwillig in eine Kranken- und eine Altersversicherung seiner Mitarbeiter ein. Als die Cholera Potsdam 1831 erreichte und in zehn Tagen 78 Bürger dahinraffte, als die Stadttore geschlossen und die Türen und Fenster der Infizierten zugenagelt wurden, arbeitete er in der Sanitätskommission, die sich unter großen Gefahren um Opfer kümmerte.

Jacobs lernte nahezu alle kennen, die Rang und Namen hatten. Wie nebenbei entdeckte er seine Liebe zur Kunst und wurde Kunstmäzen. Mit seiner Frau reiste er 1857 sogar nach Paris und London, um Bilder zu kaufen. Das berühmteste Gemälde seiner Sammlung: das von Adolph Menzel gemalte Flötenkonzert Friedrich des Großen in Sanssouci.

Aber das Zuckergeschäft allein erfüllte ihn nicht, auch nicht die vielen Empfänge, Diners und Bälle in seinem Haus.1834 kaufte er für 5000 Thaler das in der wohl schönsten Lage stehende Ausflugslokal Bertini im Norden der Stadt. 1835 beauftragte er den Architekten Persius mit dem Bau der Villa, Lenné mit der Anlage eines repräsentativen Gartens. 

Ruhe aber war damit nicht verbunden.1833 wagte er den Einstieg in die teure Dampfmaschinentechnik und bestellte eine Maschine samt Mechanikern in England. Und es ging weiter. Er besaß zwar schon Fabriken in Potsdam, Fehrbellin und Magdeburg und war der größte Steuerzahler Preußens, aber nun setzte er auf die Produktion von Zucker aus Runkelrüben. Er schaffte es mit der Hilfe des ihm gut bekannten Naturforschers Alexander von Humboldt, dass die Zollunion die Steuern für die einheimischen Runkelrüben senkte. Die Argumentation: Für die Produktion von Rohrzucker würden Sklaven in Übersee schwer leiden, Runkelrüben würden hierzulande wachsen.

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War Jacobs am Ende korrupt?

In seinem Kopf blieb dennoch Platz für eine weitere Vision: Er wollte Potsdam an das Eisenbahnnetz anschließen. Doch der König genehmigte 1838 nur eine Versuchsstrecke zwischen Berlin und Potsdam. Jacobs verstrickte sich in erbitterte Streitereien und durchlitt Niederlage um Niederlage. Anleger, die Aktien für eine Linie nach Hamburg gekauft hatten, verloren viel Geld. Jacobs verlor sein Gesicht.

Plötzlich standen auch Korruptionsvorwürfe im Raum. Jacobs soll Aktien „an Beamte unentgeltlich” ausgegeben sowie auch den Innenminister und dessen Bruder großzügig versorgt haben. Seine Biografin schreibt dazu: „Dies war Bestechung.” Und dennoch: Ohne den Einsatz von Jacobs wäre Potsdam, so die Autorin, „ein unbedeutendes Landstädtchen geworden”.

1848, nach der März-Revolution, als das Volk Freiheitsrechte forderte, wurden in den Kommunen Wahlmänner für die Landtagswahl bestimmt, Jacobs war einer von ihnen. Doch die Revolution lebte in Potsdam wieder auf, die Stadt war gespalten. Der Gerichtsrat Ludwig Wilhelm Dortu war Mitglied im linksliberalen Politischen Club Potsdam und plädierte für eine Republik, Jacobs blieb ein königstreuer Konservativer.

Ein Konservativer mit sozialem Herz

Dann kam es am 13. Juni 1848 auf dem Jungfernsee zu einer Tragödie. Der Gerichtsratssohn Maximilian Dortu, ein engagierter Linker, und die Jacobs-Söhne Philipp, Friedrich und Adolph kenterten in schwerem Sturm, der 19-jährige Philipp ertrank ebenso wie sein 15 Jahre alter Bruder Adolph. Dortu gelang es, den 18-jährigen Friedrich zu retten.

Dortu radikalisierte sich zunehmend, bezeichnete den Kronprinzen als „Kartätschenprinz” und wurde auch wegen angeblichen Aufrufs zum Aufstand am 18. Juli1848 wegen Hochverrats und Majestätsbeleidigung zu fünfeinhalb Jahren Festungshaft verurteilt. Er blieb bis zur Rechtskraft des Urteils frei, doch als es zu Handgreiflichkeiten mit der Obrigkeit kam und er Arbeiter zum Herausreißen von Gleisen veranlasste, wurde er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.

Es waren Schienen der Eisenbahn, die Ludwig Jacobs hatte bauen lassen. Als sich etliche Potsdamer dafür einsetzten, Dortu nicht zu exekutieren, war auch Jacobs unter ihnen. Er hatte nicht vergessen, dass der Nachbarssohn seinem Sohn Friedrich das Leben gerettet hatte. Aber der König kannte keine Gnade. Ludwig Jacobs übergab seine Unternehmen später an einen seiner Söhne. Doch nachdem sein Vater 1879 gestorben war, musste der Sohn Insolvenz anmelden.

In der Villa Jacobs kommen Samstag und Sonntag zwischen 11 und 18 Uhr zwei schöne Genüsse zusammen: Literatur und Wein. Mit Lesungen aus „Ludwig Jacobs“ jeweils um 16 Uhr. Am 16. September um 15 Uhr führt Marianne Ludes für die Urania Potsdam über das Gelände der Villa 

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